Türkei macht Nägel mit Köpfen: Maarif-Stiftung soll türkische Privatschulen in Deutschland betreiben

Bereits im April 2019 hat die türkische Maarif-Stiftung einen deutschen Ableger gegründet. Zu ihren Zwecken gehört explizit der Betrieb von Privatschulen. Offenbar soll Maarif auch die drei türkischen Privatschulen betreiben, die für Köln, Berlin und Frankfurt/M. geplant sind.
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Die Moschee Merkez Camii in Duisburg (Symbolbild).Foto: iStock
Von 13. Januar 2020

Während, wie in der Vorwoche bekannt wurde, die türkische Regierung mit Deutschland über ein Abkommen über wechselseitige Zulassungsvoraussetzungen für Privatschulen verhandelt, scheint Ankara bereits Nägel mit Köpfen zu machen. So gibt es, wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Montagsausgabe) berichtet, offenbar nicht nur bereits eine Vorentscheidung über die Standorte der geplanten türkischen Privatschulen – die in Köln, Berlin und Frankfurt am Main entstehen sollen.

Die Türkei hat offenbar zudem bereits für den passenden potenziellen Trägerverein gesorgt: So soll, entsprechend dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, bereits im April 2019 eine deutsche Tochter der Maarif-Stiftung ins Leben gerufen worden sein. Die Stiftung verfolgt das Ziel, die bildungspolitischen Ziele der türkischen Regierung im Ausland zu vertreten. Eine der Aufgaben des deutschen Stiftungsablegers ist – laut Handelsregister – der Betrieb von Privatschulen.

Nicht nur das Gründungsjahr 2016 deutet darauf hin, dass ihr Hauptziel darin bestehe, die weltweite Bildungsinfrastruktur zu ersetzen, die seit den 1980er Jahren durch die Gülen-Bewegung, die sich selbst „Hizmet“ („Dienst“) nennt, geschaffen worden war.

Maarif-Schulen sollen an die Stelle der Gülen-Einrichtungen rücken

Der seit 1998 in den USA lebende islamische Prediger Fethullah Gülen hatte damals das Fehlen von Bildung als den entscheidenden Faktor für die Rückständigkeit der islamischen Welt bezeichnet.

Während Stiftungen und Regierungen islamischer Staaten bei erfolgreichen Geschäftsleuten aus den eigenen Reihen hauptsächlich um Geld für den Bau von Moscheen baten, rief Gülen die neue Mittelschicht dazu auf, stattdessen Schulen zu errichten. Dadurch entstanden weltweit mehr als 1000 türkische Privatschulen in mehr als 100 Staaten. In Deutschland sind es nach Angaben des Sprechers der in Berlin ansässigen Stiftung „Dialog und Bildung“, Ercan Karakoyun, derzeit 25.

Während die theologisch zwar konservativ, aber dezidiert prowestlich ausgerichtete Reformbewegung in den 2000er Jahren die AKP von Recep Tayyip Erdoğan unterstützt hatte, fiel sie bei diesem in den 2010er Jahren in Ungnade. Offensichtlich geschah dies nachdem Gülen-nahe geltende Staatsanwälte begonnen hatten, Ermittlungsverfahren unter anderem wegen geheimer Gespräche mit der PKK und wegen Korruptionsvorwürfen gegen führende Persönlichkeiten in Regierung und Geheimdienst einzuleiten. Erdoğan verfügte im Gegenzug die Verstaatlichung privater Vorbereitungsschulen der Hizmet, schloss Zeitungen und begann, umfangreiche Säuberungskampagnen im Staatsapparat in die Wege zu leiten.

Erdoğan beschuldigt die Gülen-Bewegung zudem, hinter dem gescheiterten Putschversuch einer Gruppe von Militärs im Juli 2016 zu stehen. Seit dieser Zeit übt die türkische Regierung auch Druck auf befreundete Regierungen aus, in ihrem Land bestehende Schulen der – wie Ankara sie bezeichnet – „Fethullahistischen Terrororganisation (FETÖ)“ zu schließen und deren Lehrer auszuliefern. In einigen Fällen sollen Lehrer sogar aus Ländern wie dem Kosovo, Gabun, Malaysia oder Aserbaidschan vom Geheimdienst gekidnappt und zurück in die Türkei verschleppt worden sein.

Keine Bedenken gegen „Gülen-Schulen“ in Deutschland

Die Hizmet-nahen Schulen in Deutschland müssen indessen keine Repressalien befürchten. Trotz ursprünglich argwöhnischer Betrachtung durch die Politik haben sich die von türkischen Geschäftsleuten gegründeten Schulen, die allen Nationalitäten offenstehen und nach deutschen Lehrplänen unterrichten, über die Parteigrenzen hinweg Anerkennung erworben. Als die 2004 in Stuttgart gegründete BIL-Schule etwa 2013 in ihr neues Gebäude zog, nahm, wie das „Deutsch-Türkische Journal“ (DTJ) berichtete, sogar Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann persönlich an der Eröffnungszeremonie teil.

Allerdings will die Regierung in Ankara offenbar durch eigene türkische Privatschulen in Deutschland die Vormachtstellung der Hizmet-Schulen auf dem privaten Bildungsmarkt für türkische Einwanderer brechen.

Wie das Portal „Qantara“ berichtet, will die Maarif-Stiftung ihrem Vorsitzenden Birol Akgün zufolge „türkische Werte“ verbreiten und die Maarif-Schulen zur „vertrauenswürdigen internationalen Marke“ ausbauen. Das Osmanische Reich wird dabei bewusst als Vorbild für „friedliche Koexistenz“ von Volksgruppen benannt.

Vorwiegend muslimische Schüler erwünscht

Verglichen mit den Schulen der Gülen-Bewegung sind die Maarif-Schulen laut der Sozial- und Kulturanthropologin Kristina Mashimi klarer islamisch geprägt. Während Koranunterricht und die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen in den Hizmet-Einrichtung nur freiwillig und außerhalb der Schulzeiten angeboten werden, seien islamische Studien an den Maarif-Schulen reguläres Lehrfach. Die Maarif-Schulen würden zudem bereits bei der Zielgruppenansprache darauf achten, vorwiegend muslimische Schüler zu gewinnen. Die Gülen-Schulen betonen hingegen ihre ethnisch vielfältige und konfessionell neutrale Ausrichtung.

Auch der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck sieht die Stiftung kritisch. Die Türkei wolle auch mit der Maarif Europa gGmbH „ihre Diasporapolitik betreiben, Integration torpedieren und türkeistämmige Europäer an der nationalistischen Propaganda der AKP ausrichten“, sagte Beck, der als Lehrbeauftragter für Religionswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum arbeitet. Die Bundesregierung dürfe „nicht naiv an die Sache herangehen“. Die nationalistischen Intentionen der AKP-Türkei passten nicht zu den Grundlagen des deutschen Schulrechts.



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