„Über mehrere Jahre hinweg Fakten verfälscht und hinzuerfunden“: Relotius zeigt sich in Anwaltsschreiben reuig

Der wegen nachgewiesener Falschdarstellungen in Ungnade gefallene Starjournalist Claas Relotius weist in einem Schreiben seines Anwalts Vorwürfe der Veruntreuung von Spenden zurück. Er bedauere auch seine jahrelangen Fake-News.
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Am 19. Dezember sah sich der „Spiegel“ nach wochenlangen Recherchen eines seiner Mitarbeiter genötigt, offenzulegen, dass Relotius Reportagen ganz oder teilweise systematisch gefälscht hatte.Foto: Morris MacMatzen/Getty Images
Von 28. Dezember 2018

Der nach Enthüllungen um Fake-News in Ungnade gefallene, mehrfach preisgekrönte „Spiegel“-Journalist Claas Relotius hat sich erstmals über seinen Anwalt zu Vorwürfen der Veruntreuung von Spendengeldern geäußert. Dies berichtet „FOCUS online“.

Sein früherer Arbeitgeber hatte Relotius verdächtigt, Spenden veruntreut zu haben. Dieser hatte offenbar in Eigenregie und ohne Rücksprache mit seinen Vorgesetzten unter Lesern um Spenden für ein angebliches syrisches Geschwisterpaar in der Türkei geworben. Dieses hat es – wie Relotius selbst einräumte – zumindest in dieser Form nicht gegeben.

Was dem „Spiegel“ noch verdächtiger erschien: Sein ehemaliger Starreporter verschickte die Spendenaufrufe für die angeblichen Waisenkinder über seinen privaten E-Mail-Account. Das Geld sollte auf sein privates Bankkonto überwiesen werden. Die Redaktion sei nicht darüber informiert gewesen. Insgesamt soll Relotius auf diesem Wege einen Betrag von über 7000 Euro eingenommen haben. Diesen habe er aufgestockt und tatsächlich gespendet – an eine als gemeinnützig anerkannte Organisation, an die zu spenden das steuerpflichtige Einkommen mindern kann. Ob und inwieweit er den Betrag als eigene Spende in der Steuererklärung deklariert hat, ist bis dato nicht bekannt.

Relotius will Spendern ihr Geld zurückerstatten

Im Schreiben des Anwalts heißt es laut FOCUS:

„Tatsächlich hat unser Mandant den bis dahin auf seinem Konto eingegangenen Spendenbetrag von insgesamt über 7000 Euro aus eigenen Mitteln auf 9000 Euro aufgestockt und […] an die Diakonie Katastrophenhilfe […] überwiesen.“

Die Diakonie habe das Geld für eines ihrer Projekte zu Gunsten von Flüchtlingskindern im Irak verwendet. Relotius, dessen Beschäftigungsverhältnis mit dem „Spiegel“ mittlerweile beendet ist, will allen Spendern ihr Geld zurückerstatten. Das Magazin wolle dennoch alle Unterlagen zu dem Fall der Staatsanwaltschaft übergeben.

Im Anwaltsschreiben zeigt Relotius sich reuig:

„Unser Mandant entschuldigt sich hiermit ausdrücklich bei allen hilfsbereiten Spendern, die sich in ihrer Intention, an die von ihm geschilderten syrischen Geschwister zu spenden, getäuscht fühlen müssen.“

Er bedauere auch zutiefst, dass er „über mehrere Jahre hinweg vielfach Fakten falsch dargestellt, verfälscht und hinzuerfunden“ habe.

Jahrelang mit Preisen überhäuft

Am 19. Dezember sah sich der „Spiegel“ nach wochenlangen Recherchen eines seiner Mitarbeiter genötigt, offenzulegen, dass Relotius, der für das Magazin knapp 60 Texte geschrieben hatte, Reportagen ganz oder teilweise systematisch gefälscht hatte. Er habe dabei Charaktere, Zitate und Begebenheiten erfunden oder die Biografien von realen Protagonisten verfälscht.

Relotius arbeitete auch für andere Medien und wurde für seine Reportagen über Jahre hinweg mit prestigeträchtigen Preisen ausgezeichnet. So ernannte ihn CNN, das US-Präsident Donald Trump wiederholt als „Fake-News“-Medium bezeichnet hatte, 2014 zum „Journalisten des Jahres“.

In den Jahren 2013, 2015, 2016 und 2018 erhielt Relotius den Deutschen Reporterpreis, darunter dreimal für die beste Reportage und einmal als bester freier Journalist. Auch der Katholische Medienpreis 2017 ging an den Journalisten, der unter anderem unter Verwendung unrichtiger Angaben eine US-amerikanische Kleinstadt diffamiert und einer früheren Widerständlerin der „Weißen Rose“ in einem Interview Äußerungen untergeschoben haben soll, die diese nie getätigt habe.



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