Überraschender Ansturm: Thüringen verhängt Aufnahmestopp im Flüchtlingsheim in Suhl

Seit Tagen spitzt sich die Situation in Thüringens größter Landeserstaufnahmestelle zu. Zuletzt lag die Zahl der Migranten in Suhl deutlich über der erlaubten Grenze. Nun reagieren die Behörden.
Suhl zieht die Notbremse: Erstaufnahmestopp für Migranten
Ein Freiwilliger des Roten Kreuzes (l.) geht mit einer Gruppe von Neuankömmlingen bei einer Ausländerbehörde am 28. September 2023 spazieren. Die Zahl der Migranten, die in Deutschland ankommen, ist so hoch wie seit der Krise 2015 nicht mehr.Foto: ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images
Von 1. Oktober 2023

Die größte Erstaufnahmeeinrichtung des Bundeslandes Thüringen nimmt vorerst keine Migranten mehr auf. In Suhl ankommende Menschen würden entweder in die kleineren Erstaufnahmestellen in Eisenberg und Hermsdorf oder – sofern möglich – in andere Bundesländer verteilt. Das teilte ein Sprecher des Migrationsministeriums am Samstag, 30. September, mit. Die Entscheidung traf das Landesverwaltungsamt am Freitagabend.

Die Schließung für Neuzugänge sei „ein notwendiger Schritt, um zu einem Regelbetrieb zurückkehren zu können“. Gleichzeitig würden die Behörden „die sehr hohe Belastung vor Ort“ eindämmen und nicht weiter fortsetzen wollen.

Migranten kamen überraschend

Hintergrund sei die hohe Belastung der letzten Tage in der Stadt Suhl, wo es ein „weiterhin hohes Ankunftsgeschehen“ gebe. Am Nachmittag waren dort über 1.600 Menschen untergebracht. Es gebe stündliche Schwankungen, sagte der Sprecher. Brandschutzrechtlich erlaubt wären nur 1.400 Personen.

Als Grenze für den Regelbetrieb galt bislang die Zahl von maximal 800 Menschen. Bei dieser Anzahl halten die zuständigen Behörden und Ministerien eine angemessene Betreuung der Bewohner noch für möglich.

Angesichts des europaweit sehr hohen Ankunftsgeschehens sei es aktuell nicht möglich, die vorgesehene „Belegung von 800 Personen in Suhl umzusetzen“, erklärte das Migrationsministerium am Samstag weiter.

Nach Angaben der Landesregierung waren am Freitagabend 130 Flüchtlinge aus Hessen in Suhl angekommen, berichtete der MDR. Diese Menschen seien genauso wenig angekündigt gewesen wie die etwa 200 Ankömmlinge am Mittwoch. Diese Zahlen hätten „das übliche Maß um ein Mehrfaches“ überschritten, hieß es. Auch in der Nacht zum Samstag trafen zwei weitere Busse mit Flüchtlingen in Suhl ein. Diese wurden notdürftig mithilfe der Feuerwehr im Nachbarhaus untergebracht, sagte der Suhler Oberbürgermeister André Knapp (CDU).

Der Aufnahmestopp gelte so lange, bis die Brandschutzgrenze wieder gewahrt sei, sagte eine Sprecherin des Landesverwaltungsamtes. Die Erstaufnahmeeinrichtungen in anderen Bundesländern sowie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seien informiert worden. Sie informierten darüber, dass andere Bundesländer größere Ankerzentren für Flüchtlinge hätten, in denen es wohl noch am ehesten Kapazitäten gebe.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte vergangene Woche vor einer Überbelegung gewarnt. Er sehe sein Bundesland bei der Flüchtlingsaufnahme „am Limit“. So habe die Einrichtung in Suhl „längst mehr Menschen aufgenommen, als das von uns als vertretbar angesehen wird“.

Hermsdorf und Erfurt als Ausweichorte

Forderungen der Union nach stationären Grenzkontrollen wegen steigender Flüchtlingszahlen hatte Ramelow abgelehnt, wie „n-tv“ berichtet. Die Reisefreiheit nach dem europäischen Schengen-Abkommen müsse weiter gelten. „Nur zu Show-Zwecken noch Polizei im Thüringer Wald einzusetzen, bringt nichts.“

Der Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) bat um Geduld. Momentan kämen viele Migranten in der EU an. In Thüringen sei wohl die Landeserstaufnahme Hermsdorf noch die naheliegendste Alternative, da dort erst knapp 400 der offiziell 800 Plätze belegt seien. Allerdings handle es sich lediglich um eine Notunterkunft. Knapp 80 Menschen seien am Freitag und Samstag nach Hermsdorf verlegt worden. Außerdem planen die zuständigen Behörden laut dem Landesverwaltungsamt, am Montag etwa 100 Menschen nach Erfurt zu verteilen.

Laut Migrationsministerium sucht das Land weiter nach einem Standort für eine weitere Erstaufnahmestelle. Wann diese den Betrieb aufnehmen kann, ist derzeit noch unklar. Erst Ende Oktober könnte klar sein, ob es tragfähige Angebote gibt. Als Notlösung wird dem Ministerium zufolge erwogen, in Eisenberg Container aufzustellen.

Prognosen über das Ankunftsgeschehen in den kommenden Tagen seien nicht möglich, teilte das Ministerium weiter mit. In den vergangenen Tagen seien immer wieder größere Zahlen Migranten angekommen, ohne dass es eine Ankündigung vonseiten des Bundes gegeben hätte.

(Mit Material der Agenturen)



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