Ukraine über alles? Kritik an Baerbock reißt nicht ab
Die Äußerungen der deutschen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock während einer Podiumsdiskussion am Mittwoch (31. 8.) in Prag erregt weiter die Gemüter. Die Ministerin hatte angekündigt, die Unterstützung für die im Krieg mit der Russischen Föderation befindliche Ukraine weiterhin fortzuführen – unabhängig davon, wie lange der Krieg noch andauere und „egal, was meine deutschen Wähler denken“.
Baerbock möchte für die Ukraine „liefern“
Wörtlich erklärte Baerbock in diesem Zusammenhang:
„Denn wenn ich als Politikerin das Versprechen gebe – und glücklicherweise gibt es in einer Demokratie die Möglichkeit, dass die Leute mir widersprechen und in vier Jahren sagen: ‚Sie haben uns nicht die Wahrheit gesagt‘ –, aber wenn ich dieses Versprechen an die Ukrainer gebe: ‚Wir stehen so lange an eurer Seite, wie Ihr uns braucht‘, dann möchte ich auch liefern, egal was meine deutschen Wähler denken, aber ich möchte für die ukrainische Bevölkerung liefern. Und deshalb ist es mir wichtig, immer sehr offen und klar zu sein. Das bedeutet, jede Maßnahme, die ich treffe, muss so lange anhalten, wie die Ukraine mich braucht.“
Diese Ankündigung geht zwar inhaltlich nicht ganz so weit wie jene der „bedingungslosen Solidarität“, die der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder nach dem unprovozierten Terroranschlag am 11. September 2001 dem NATO-Partner USA zugesagt hatte – und die Deutschland über 20 Jahre in einen am Ende erfolglosen Militäreinsatz in Afghanistan verwickelte.
Dennoch wurde in Oppositionsparteien und sozialen Medien Kritik laut an einer Ministerin, die den Eindruck erwecke, die Interessen eines anderen Landes stünden für sie im Zweifel über jenen des deutschen Souveräns.
Kritik aus Linkspartei und AfD
Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen von der Linken sprach von einer „Außenministerin, die nach dem Motto ‚Ukraine first, Bürger egal‘“ handle und die ein „Totalausfall“ sei.
AfD-Sprecherin Alice Weidel erklärte zur Aussage der Außenministerin auf Twitter:
„Der Rücktritt der Außenministerin Annalena Baerbock ist überfällig. Wer ausdrücklich auf die Interessen der Wähler in Deutschland pfeift, hat in einem Ministeramt nichts mehr verloren. Wir brauchen einen diplomatischen Außenminister, der sich für die deutschen Bürger und für Verhandlungen und Frieden zwischen Russland und der Ukraine einsetzt.“
Die frühere Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Sahra Wagenknecht, äußerte in demselben Netzwerk:
„Eine Außenministerin, die erklärtermaßen nicht die Interessen der deutschen Wähler, sondern der Ukraine vertritt und im Interesse der US-Regierung Verhandlungen zur Kriegsbeendigung ablehnt, ist nicht nur eine eklatante Fehlbesetzung, sondern eine Gefahr für unser Land.“
Inwieweit Rücktrittsforderungen, die auch in sozialen Medien laut werden, Konsequenzen haben werden, bleibt abzuwarten. Die Offenheit, mit der die Außenministerin ausgesprochen hat, dass ihre „werteorientierte Außenpolitik“ unabhängig vom Grad ihrer Akzeptanz in der Bevölkerung durchgezogen wird, rührt jedoch vielleicht aus der Sicherheit her, dass der Gegenwind, den sie damit hervorrufen würde, nicht stark genug wäre, um ihre Position ernsthaft zu gefährden.
Rücksichtslosigkeit gegen die eigenen Bürger?
Auch eine Vielzahl an Personen aus dem vorpolitischen Raum kritisierten die Aussagen Baerbocks – und bemühten dabei Einschätzungen, die auch schon zuvor über das Agieren der führenden politischen Kräfte in Deutschland mit Blick auf die Ukraine gekennzeichnet hatten.
Bereits im Juni hatte Literaturwissenschaftlerin Bettina Gruber die Ukraine-Politik der Bundesregierung und dabei insbesondere der Grünen kritisiert, die sich „ohne jede Rücksicht gegen das eigene Land“ richte. Einer der dafür maßgebenden tiefenpsychologischen Gründe sei ein pathologischer „Ersatzpatriotismus“.
Andere Social-Media-Nutzer sprachen von „Hochverrat“ oder verglichen die Ukraine mit einem „Palästina des Westens“, deren von ethnischem Nationalismus beeinflusste Führung von einer russophoben Elite in Deutschland und Europa einen Persilschein für alles bekäme. Bezug genommen wurde auch auf Analysen wie jene von Frank Lübberding, der die Ukraine als vermeintlichen „Jungbrunnen“ für die Idee des Westens bezeichnet hatte, den dieser angesichts zunehmender Verfallserscheinungen und militärischer Misserfolge wie in Afghanistan zur Selbstvergewisserung brauche.
Leitmedien bemühen „Faktenchecker“ gegen Kritik an Baerbock
Die als bürgerlich gelesene „Welt“ würdigt Baerbocks Aussage als „klare Worte“. Vorsichtigere Medien mobilisieren ihre „Faktenfüchse“, die sich bemühen, die Wiedergabe der Aussage als „aus dem Zusammenhang gerissen“ oder gar „russische Desinformation“ einzuordnen. Immerhin hätte diese aus der Wendung „egal, was meine deutschen Wähler denken“ ein „egal, was die deutschen Wähler denken“ gemacht. Zudem habe Baerbock ja auch angekündigt, sozialen Härten für Bürger im eigenen Land infolge explodierender Energiepreise durch flankierende Maßnahmen gegenzusteuern.
Auch die Kritik der systemischen Opposition blieb zurückhaltend. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen widersprach Baerbock nicht inhaltlich, sondern warf ihr auf Twitter einen bloßen „Schein-Heroismus“ vor, weil die Mehrheit der Deutschen ohnehin zur Unterstützung der Ukraine bereit sei. Wie diese Unterstützung aussehen solle, ließ der CDUler offen. Indes verwies Wagenknecht in ihrer Antwort auf eine aktuelle Umfrage. Demanch wünschten sich 77 Prozent der Deutschen, dass sich der Westen für eine Verhandlungslösung im Ukrainekrieg einsetze, statt weiterhin Waffen zu liefern und auf einen Siegfrieden für die Ukraine zu hoffen.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler hatte gleichermaßen allenfalls am Stil der Kommunikation Baerbocks etwas auszusetzen. Sie schrieb auf Twitter:
„WENN, dann war der einzige Fehler, es so offen zu kommunizieren. Aber dass wir als Abgeordnete und als Politiker uns allen voran von unserem Gewissen und unseren Überzeugungen leiten lassen, die vielleicht auch mal gegen die Meinung der Mehrheit sind, darf kein Fehler sein.“ CSU-Chef Markus Söder hat sich in der Debatte bis dato nicht geäußert.
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