UNHCR: Europa muss sich auf wieder mehr Flüchtlinge aus der Ukraine einstellen

Grund ist der verstärkte Druck russischer Kampfeinheiten. Bisher sind 1,06 Millionen ukrainische Migranten in Deutschland registriert.
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Das verstärkte Kampfgeschehen in der Ostukraine könnte zu steigenden Flüchtlingszahlen führen.Foto: iStock/Jakub Laichter
Von 27. Januar 2023

Angesichts des zunehmenden Drucks der russischen Armee im Osten der Ukraine muss sich Europa wieder auf mehr Flüchtlinge einstellen. Dieser Ansicht ist jedenfalls UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. „Jede Verschärfung des Krieges bedeutet das Risiko neuer Flüchtlingsbewegungen“, sagte der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Kiew der Nachrichtenagentur AFP. „Wir müssen uns darauf vorbereiten.“

Auf alle Eventualitäten vorbereiten

„Jedes Mal, wenn die Kämpfe sich verschärfen, wollen die Menschen sich natürlich in Sicherheit bringen“, meinte Grandi. Dies sei auch schon so gewesen, als sich die Kämpfe um Mariupol und Cherson verstärkt hatten. Angesichts der jetzigen Entwicklung im Osten der Ukraine appellierte der UNHCR-Chef an die Regierung in Kiew und auch an die Nachbarländer: „Seien Sie bereit, bereiten Sie sich auf alle Eventualitäten vor.“

Das ukrainische Verteidigungsministerium hatte am Mittwoch, 25. Januar, erklärt, dass Russland den militärischen Druck im Kampf um die Stadt Bachmut in der ostukrainischen Donezk-Region nochmals erhöht habe. Moskau schicke eine große Anzahl von Soldaten sowie viel militärische Ausrüstung und Waffen in den Kampf. Die ukrainischen Truppen mussten sich bereits aus dem zuvor heftig umkämpften Ort Soledar zurückziehen, der etwa 15 Kilometer nordöstlich von Bachmut liegt.

Mehr als 70 Prozent Frauen unter erwachsenen Flüchtlingen

Nach Angaben des Bundesministeriums des Innern und für Heimat sind wegen des Krieges seit dem 24. Februar 2022 knapp 1,06 Millionen Menschen nach Deutschland eingereist. Das Innenministerium stützt sich dabei auf eine aktuelle Auswertung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Januar 2023. Davon könne eine „geringfügige Zahl“ bereits in andere EU-Staaten weitergereist beziehungsweise in die Ukraine zurückgekehrt sein.

Von den im Ausländerzentralregister (AZR) erfassten Flüchtlingen aus der Ukraine sind der Auswertung zufolge etwa ein Drittel Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Mehr als 70 Prozent der Erwachsenen sind Frauen.

Flüchtlingsstrom hinterlässt Spuren auf Arbeitsmarkt

Ukrainische Flüchtlinge genießen einen Sonderstatus und dürfen in Deutschland gleich auf Arbeitssuche gehen. Nach Angaben des Portals „Business Insider“ hatten bis November 2022 rund 84.000 Ukrainer einen Job gefunden. Etwa 184.000 waren im Dezember arbeitslos gemeldet, 5.000 weniger als im Vormonat.

Daher bietet sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt zurzeit ein ungewöhnliches Bild. Zwar steige die Zahl der Erwerbstätigen, dennoch gebe es mehr Menschen ohne Arbeit. Der Flüchtlingsstrom aus dem osteuropäischen Land hinterlasse seine Spuren auf dem hiesigen Arbeitsmarkt.

Insgesamt seien im Dezember insgesamt 2,45 Millionen Menschen arbeitslos gewesen, rund 124.000 höher als ein Jahr zuvor. „Business Insider“ sieht neben sich daraus ergebenden Herausforderungen auch „eine besondere Chance“.

Bisher keine detaillierten Daten

Die Berichterstattung über die Arbeitsmarktsituation der ukrainischen Flüchtlinge sei noch im Aufbau. Daher gebe es keine detaillierten Daten zu Schul- und Berufsausbildung oder Zielberuf. Auch Details zu Statusfragen oder regionale Daten lägen bisher kaum vor.

Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat etwa die Hälfte der ukrainischen Migranten eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder vergleichbare Abschlüsse. 14 Prozent verfügen über berufsbildende Abschlüsse und 26 Prozent über eine höhere Schulbildung.

Diese Zahlen entstammen einer sogenannten „Migrationsstichprobe“, die zeigte, dass in der Vergangenheit das Qualifikationsniveau der Migrantinnen und Migranten aus der Ukraine „recht hoch“ war. Den Forschungsbericht veröffentlichte das Institut am 2. März 2022, also nur wenige Tage nach dem Ausbruch des Krieges.

1,8 Millionen Stellen unbesetzt

Für den deutschen Arbeitsmarkt sei die aktuelle Situation eine Chance, fehlten doch „Millionen Arbeitskräfte“, vor allem ausgebildete Fachkräfte. So hätten deutsche Unternehmen im dritten Quartal 2022 mehr als 1,8 Millionen Stellen nicht besetzen können.

Die Lücke werde künftig noch größer, da wesentlich mehr Berufstätige aus den geburtenstarken Jahrgängen in den Ruhestand gingen, als Jüngere ins Berufsleben starteten. Arbeitsmarktforscher seien sich einig, dass bis zu 500.000 Zuwanderer jährlich auf dem deutschen Arbeitsmarkt benötigt würden. Nur so könne man den Wohlstand im Land sichern.

Ein Drittel will wieder in die Heimat zurück

In einer ersten Umfrage des Münchner ifo Instituts unter geflohenen Ukrainern gaben rund 90 Prozent an, dass sie in Deutschland arbeiten wollten. Ein Fünftel habe bereits eine Stelle gefunden. Über die Hälfte erklärte, dass sie höher qualifiziert seien als für ihren Job notwendig.

„Die Arbeitsbereitschaft unter ukrainischen Geflüchteten ist sehr hoch“, kommentierte ifo-Forscherin Tetyana Panchenko. Die Mehrheit der Befragten wolle in den kommenden zwei Jahren in Deutschland bleiben. Gut ein Drittel möchte in die Heimat zurückkehren.

Deutschland nicht beliebt bei Spitzenkräften

Generell ist Deutschland bei ausländischen Spitzenkräften nicht besonders beliebt, wie Epoch Times berichtete. Ärger mit Behörden, das Gefühl, nicht willkommen zu sein, kaum Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und schlechte Aussichten bei der Wohnungssuche nannten viele als Gründe.

Bei einem internationalen Beliebtheitsranking schnitten deutsche Städte schlecht ab. Berlin landete auf Rang 31 von 50 aufgelisteten Metropolen.  Düsseldorf kam auf Rang 33, gefolgt von München (38) und Hamburg (45). Deutsches Schlusslicht bildet die Bankenmetropole Frankfurt a. M. auf Rang 49. Unbeliebter ist nur noch Johannesburg. Spitzenreiter in der Aufstellung ist Valencia.



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