Unionspolitiker wollen Letzte Generation beobachten lassen
Mehrere Unionspolitiker stellen die Entscheidung des Verfassungsschutzes infrage, die Klimaaktivisten-Gruppe Letzte Generation nicht zu beobachten. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries (CDU) sagte der „Welt“: „Eine Organisation, die systematisch Straftaten plant und begeht und dabei auch nicht vor Gewaltdelikten, Bedrohungen und Nötigungen unserer Verfassungsorgane zurückschreckt, ist ein Fall für den Verfassungsschutz.“ Er halte „eine Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln für geboten“.
Der CSU-Abgeordnete Alexander Hoffmann erklärte, innerhalb der Gruppe würden „Ideen wie eine Notstandsgesetzgebung, das völlige Ausschalten politischer Instanzen und deren Entscheidungen sowie die Umverteilung von Eigentum“ diskutiert. „Dies zielt eindeutig auf die Beseitigung der verfassungsgemäßen Ordnung ab.“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte „eine grundlegende Neubewertung der Letzten Generation durch die Sicherheitsbehörden“, falls sich der Verdacht bestätige, dass aus dieser Bewegung heraus ein Anschlag auf eine Öl-Pipeline geplant worden sei.
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang (CDU), hatte zuletzt gesagt, dass seine Behörde keine hinreichenden Anhaltspunkte habe, die Gruppe als extremistisch einzuschätzen. Da die Grundhaltung der Aktivisten sei, auf aktive Gewalt zu verzichten, liege kein Extremismus vor. In dieser Einschätzung sei er sich mit allen 16 Landesämtern für Verfassungsschutz einig. Der Verfassungsschutz verfolge aber täglich, wie sich die Situation entwickle.
Was geschehen war
Polizei und Staatsanwaltschaft waren am Mittwoch mit einer Razzia gegen die Letzte Generation vorgegangen. Rund 170 Beamte durchsuchten 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.
Die Aktivisten bestreiten vehement, kriminell zu sein, obwohl mehrere bereits wegen Straftaten verurteilt wurden, mitunter auch zu Haftstrafen.
Die Gruppe macht regelmäßig mit Sitzblockaden und Aktionen in Museen auf die Folgen der Erderhitzung aufmerksam. Ihre Mitglieder kleben sich dabei häufig an Straßen oder Kunstwerken fest – behindern damit aber auch Einsatzfahrzeuge. Auch Attacken auf Einrichtungen der Ölindustrie werden ihnen vorgeworfen.
Mit ihrem Protest will die Letzte Generation klimapolitische Defizite anprangern. Die Aktivisten verlangen einen sogenannten Gesellschaftsrat, der das Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe in Deutschland bis 2030 planen soll. Außerdem fordern sie Tempo 100 auf Autobahnen und ein 9-Euro-Ticket.
Was die UN sagen
„Klimaaktivisten – angeführt von der moralischen Stimme junger Menschen – haben ihre Ziele auch in den dunkelsten Tagen weiter verfolgt. Sie müssen geschützt werden, und wir brauchen sie jetzt mehr denn je“, sagte Guterres‘ Sprecher Stephane Dujarric in New York. Protestierende hätten in „entscheidenden Momenten maßgeblich dazu beigetragen, Regierungen und Wirtschaftsführer dazu zu bewegen, viel mehr zu tun“.
Gleichwohl hätten Regierungen trotz des Grundrechts auf friedliche Demonstrationen natürlich die Verantwortung hätten, Gesetze durchzusetzen und die Sicherheit zu gewährleisten.
Was der Bundeskanzler meint
Bundeskanzler Olaf Scholz verteidigte seine Aussage, die Aktivisten, die mit Verkehrsblockaden und dem Beschmieren von Kunst Aufmerksamkeit auf sich lenkten, seien „völlig bekloppt“. „Ich nehme da kein Blatt vor den Mund“, sagte der Kanzler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dass Straftaten der Gruppe geahndet werden, begrüßte Scholz. „Von allen Protestaktionen der vergangenen Jahrzehnte dürfte es diejenige sein, die wohl am wenigsten bewirkt hat – außer, dass sich alle darüber aufregen, selbst die Wohlwollenden“, so Scholz.
Über die Frage einer rechtlichen Einstufung als kriminelle Gruppe wollte er sich nicht äußern. „Darüber habe nicht ich zu entscheiden, sondern unsere Justiz.“ Er fügte aber hinzu: „Erkennbar werden hier wiederholt Straftaten verübt, das kann der Rechtsstaat nicht ignorieren.“
Was die Bevölkerung denkt
Eine sehr große Mehrheit der Deutschen hält die Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für richtig, die Aktionen der Letzten Generation seien „völlig bekloppt“. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für das digitale Medienhaus Table.Media. Von den Befragten äußerten sich 82 Prozent entsprechend. 15 Prozent fanden Scholz Aussage falsch, vor allem Jüngere zwischen 18 und 39 Jahren (24 Prozent). (dpa/dl)
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