Unterfinanziert statt überlastet: 20 Krankenhäuser im Jahr 2020 geschlossen, 30 akut bedroht

Es ist eine Entscheidung, die niemand treffen möchte. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie debattieren Politiker und auch Ärzte immer wieder über die Triage: Wer soll behandelt werden, wenn Kliniken überfüllt sind? Der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko lenkte die Betrachtung dieser Frage auf die Ursache des Problems, die Situation in den Krankenhäusern.
Von 3. Februar 2021

Deutschland ist vom Kliniksterben bedroht. Allein im Jahr 2020 schlossen insgesamt 20 Krankenhäuser ihre Pforten für Patienten. Das geht aus einer Auflistung des Vereins „Gemeingut in BürgerInnnenhand“ hervor. Demnach droht derzeit akut weiteren 30 Städten und Standorten die Schließung ihrer Krankenhäuser.

Der Linken-Abgeordneten Andrej Hunko fragte die Regierung, warum die Intensivkapazitäten von Krankenhausstandorten in Deutschland seit Anfang August 2020 um mehr als 4.100 Betten und die Notfallreserve um mehr als 1.200 Betten abgenommen habe. Darauf antwortete der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesgesundheitsministeriums Thomas Gebhart am 13. Januar in der Bundestagssitzung: „Die Bundesregierung hat keine Kenntnis über die Schließung von Kliniken im Pandemiejahr 2020.“

Für die Sicherstellung der Versorgung in Krankenhäusern seien die Bundesländer zuständig. Ihnen obliege es zudem, die Versorgungslage zu erfassen und „gegebenenfalls notwendige Maßnahmen zu ergreifen, damit notwendige Kapazitäten erhalten bleiben“. Der Bundesregierung sei auch eine Reduzierung von Intensivbetten nicht bekannt.

Weiter wies Gebhart darauf hin, dass Schwankungen der betriebsbereiten Intensivbetten „nicht ungewöhnlich“ seien.

Abgeordneter kritisiert Versagen der Bundesregierung

Für Andrej Hunko ist die Antwort alles andere als zufriedenstellend. Er kritisierte in seinem in „Die Freiheitsliebe“ erschienen Beitrag mit dem Titel „Bundesregierung leugnet Krankenhausschließungen inmitten der Pandemie“ :

Derartige Aussagen reihen sich ein in das Versagen der Bundesregierung im Umgang mit der Pandemie.“

Den Sommer habe die Regierung verstreichen lassen, ohne die Schulen mit Luftfiltern auszustatten und umsetzbare Konzepte für Bildung in Pandemiezeiten zu entwickeln. Zudem habe es fast ein Jahr gedauert, bis ältere Menschen eine „lediglich symbolische Ausstattung“ an FFP2-Masken erhielten.

Und anstatt zielgenaue Schutzkonzepte für die Altenheime und andere Pflegeeinrichtungen nicht nur zu entwickeln, sondern durch finanzielle und personelle Unterstützung auch zu ermöglichen und dann konsequent durchzusetzen, seien diese heute „die tödlichsten Hotspots der gesamten Pandemie“. Dabei hätten Beispiele wie Tübingen gezeigt, dass derartige Maßnahmen durchaus wirksam sein können.

„Stattdessen wurde am Ende wieder der Holzhammer des Lockdowns als alternativlos dargestellt, um bei der Ausbreitung des Virus auf die Bremse zu treten“, betont Hunko. Ausbleibende Erfolge würden „individualisiert“ und Menschen zugeschrieben, die sich tatsächlich oder vermeintlich nicht ausreichend an die Regeln gehalten hätten. Der Pflegenotstand bleibe jedoch weiterhin ungelöst; Kliniken würden geschlossen.

Es besteht die Gefahr, dass die Corona-Krise als Brandbeschleuniger für die Zentralisierung und weitere Privatisierung des Gesundheitswesens genutzt wird. Das ist der eigentliche Skandal der Corona-Politik der Bundesregierung“, so Hunkos Fazit.

Bundesrechnungshof schlägt Alarm: Kliniken chronisch unterfinanziert

Der Bundesrechnungshof schlug bereits im November vergangenen Jahres Alarm. „Ungeachtet der besonderen Herausforderungen in der Corona-Pandemie ist die Krankenhausversorgung in Deutschland chronisch unterfinanziert“, sagte der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, anlässlich der Veröffentlichung eines Berichts über die Prüfung der Krankenhausfinanzierung durch die gesetzliche Krankenversicherung.

Die Länder kämen ihrer Verantwortung für die Investitionen in Krankenhäusern immer weniger nach.

Jedes Jahr besteht eine Lücke von drei bis vier Milliarden Euro bei einem jährlichen Bedarf von sieben Milliarden Euro“, betonte Scheller

Einer der Gründe sei die unzureichende Krankenhaus-Planung der Länder. Sie gleiche einem „Flickenteppich“ und stelle keine bedarfsgerechte Versorgungsdichte sicher. Die Länder würden ihre Planungen kaum aufeinander abstimmen. Eine Planung unter Berücksichtigung der Demografie, Morbidität und des medizinischen Fortschritts sei nicht vorhanden und Qualitätsaspekte würden in der Krankenhaus-Planung der Länder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Es mangele auch an einheitlichen Maßstäben, aus denen sich eine Über- oder Unterversorgung herleiten lassen würde.

„Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung nehmen komplexe Eingriffe vor, die spezialisierten Kliniken vorbehalten sein sollten“, heißt es in der Bewertung des Bundesrechnungshofes. Das Potenzial für ambulante Behandlungen werde hingegen nicht ausgeschöpft. Zudem blieben offene Stellen für ärztliches und pflegerisches Personal häufig unbesetzt.

Um die Unterfinanzierung ausgleichen, seien die Krankenhäuser auf andere Wege angewiesen:

EU-weit hat Deutschland die höchste Bettendichte und überdurchschnittlich lange Krankenhausaufenthalte“, kritisiert der Bundesrechnungshof.

Deutlich über dem EU-Durchschnitt liege auch die Zahl der MRT-Untersuchungen sowie beim Hüft- und Knieersatz. Im Ergebnis verfüge Deutschland über eine ineffiziente Krankenhausstruktur; 40 Prozent der Krankenhäuser arbeiten mit Verlust, 13 Prozent seien von Insolvenz bedroht.

Fonds sind keine Lösung – Unterschriftensammlung gegen Kliniksterben

Zu einer strukturellen Verbesserung der Versorgungsstrukturen werden weder der Krankenhausstrukturfonds noch der Krankenhauszukunftsfonds beitragen können. Die Fördersystematik sei „rein reaktiv und nicht wirtschaftlich“, urteilte der Bundesrechnungshof. Dem Grundsatz „wo der Bund Geld gibt, sollte er auch die Regeln bestimmen“ werde er so nicht gerecht.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, dass die Länder gemeinsam mit dem Bund eine bedarfsgerechte Versorgungsstruktur entwickeln. So solle sichergestellt werden, dass alle benötigten Krankenhäuser auskömmlich finanziert werden.

Um das Kliniksterben zu verhindern, wurden vom Bündnis Klinikrettung am 27. Januar 2021 Unterschriften an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn abgegeben. Dazu sagte Laura Valentukeviciute, Mitbegründerin vom Bündnis Klinikrettung und Vorstand von Gemeingut in BürgerInnenhand:

Minister Spahn ließ vor zwei Wochen mitteilen, dass er keine Kenntnis über die Schließung von Kliniken im Pandemiejahr 2020 hat. Wir bringen ihm hier Namen und Standort von allein zwanzig Kliniken, die im Pandemiejahr 2020 schließen mussten.“

Valentukevicuiute fordert Antworten auf ihre Fragen: „Herr Spahn, was jetzt? Was sagen Sie zu diesem skandalösen Abbau der stationären Versorgung? Viele der Krankenhäuser haben Corona-Patienten behandelt. Jetzt sind sie zu. Wohin sollen künftige Patientinnen und Patienten nun gebracht werden?“

Carl Waßmut vom Bündnis Klinikrettung und Sprecher des Vereins fügte hinzu: „Herr Spahn sagt, der Bund wäre nicht zuständig. In Berlin wurde gerade das Volksbegehren für ‚Gesunde Krankenhäuser‘ vom Verfassungsgericht abgelehnt – weil nicht das Land, sondern der Bund zuständig sei.“

Es sei nicht die Zeit, sich gegenseitig „den schwarzen Peter zuzuschieben“. Spahn müsse handeln, und zwar sofort und auch garantieren, dass keine einzige weitere Klinik geschlossen werde.



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