Verfassungsschutz hat ein Auge auf Klimakleber und linksradikale Gruppierungen

Aktivist der „Letzten Generation“ kalkuliert Todesopfer ein. Autonome kündigen Millionenschäden als Vergeltungsmaßnahmen gegen Rechtsprechung an.
Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ demonstrieren am Morgen ungeachtet des kalten Wetters auf einer Straße in Dresden.
Aktivisten der „Letzten Generation“ bei einer Demonstration im Januar in Dresden.Foto: Daniel Schäfer/dpa
Von 8. März 2023


Es sei für ihn etwas „Besonderes“ gewesen, sagt Christian Bläul nach der Protestaktion vergangene Woche in seiner Heimatstadt Dresden. Bläul ist Aktivist der „Letzten Generation“. Das für ihn Besondere war, dass er sich nicht mit den Händen an der Fahrbahn festklebte, sondern mit einem Fuß. Gegen 07:45 Uhr blockierte der 41-Jährige am Donnerstag, 2. März, mit mehreren Mitstreitern die viel befahrene Straße beim Einkaufszentrum Elbe-Park.

Humpeln für das Klima

Ob Hand, ob Fuß, für die Polizei ist das Ablösen festgeklebter Klimaaktivisten mittlerweile Routine. Eine Stunde später war die Straße wieder frei. Für den Arbeitslosen Bläul, der sich Vollzeit für die Klimarettung engagieren will, war die Aktion „ein wichtiges Statement“. Damit wollte er zeigen, „wie weit ich persönlich fürs Klima gehe“. Dafür nimmt er auch in Kauf, dass er nach Ende der Blockade noch ein wenig humpelt.

Es war nicht die erste Blockade der selbst ernannten Klimaretter in der sächsischen Landeshauptstadt. Bereits seit Januar sorgten sie immer wieder für Verkehrsbehinderungen. Damit einher geht ein Schreiben an Oberbürgermeister Dirk Hilbert und die Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat.

Die „Letzte Generation“ kündigt darin „eine maximale Störung der öffentlichen Ordnung“ an. Die Gruppierung will Hilbert dazu zwingen, einen „Gesellschaftsrat“ zum Thema Klima auf Bundesebene zu unterstützen.

Faeser: Unsinn schadet Klimaschutz gewaltig

Zwei Tage später beschmieren die Aktivisten die Glasskulptur „Grundgesetz 49“, die unweit des Bundestags in Berlin steht. Sprecher der Gruppe hatten mitgeteilt, dass mehrere ihrer Unterstützer das Denkmal zum Grundgesetz mit Erdöl beschmiert und übergossen hätten. Außerdem hatten sie auf die Glasflächen des Denkmals Plakate beklebt. Darauf stand unter anderem „Erdöl oder Grundrechte?“

Auf den 19 je drei Meter hohen Glasscheiben der Skulptur sind die 19 Grundrechtsartikel des Grundgesetzes eingraviert. Die Klimaschutzaktivisten werfen der Bundesregierung vor, sich nicht an die Verpflichtung aus dem Grundgesetz zu halten, Lebensgrundlagen und Freiheit der Menschen zu schützen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) war außer sich. Sie forderte strafrechtliche Konsequenzen: „Es gibt keinerlei Rechtfertigung dafür, ausgerechnet die Grundrechte zu beschmieren – und das auch noch am Bundestag, dem Herz unserer Demokratie“, sagte sie.

„Das zeigt, dass diese Leute nur Chaos im Sinn haben. Diese völlig unwürdige Aktion muss nun konsequent strafrechtlich verfolgt werden.“ Die Klimakrise könne nur demokratisch bekämpft werden, sagte Faeser. „So ein Unsinn schadet deshalb dem Klimaschutz gewaltig.“

„Bin mental vorbereitet, dass in unseren Staus jemand stirbt“

Um für ihre Aktionen Aufmerksamkeit zu bekommen, ist die „Letzte Generation“ bereit zur bereits erwähnten „maximalen Störung der öffentlichen Ordnung“. Offenbar sind sie auch bereit, für das Erreichen ihrer Ziele Todesopfer in Kauf zu nehmen.

Christian Bläul, den ein Team von „Sachsen Fernsehen“ ein Jahr begleitete, sagte in der Doku: „Ich bin zumindest im Hinterkopf mental immer darauf vorbereitet, dass in unseren Staus jemand stirbt – gerade durch einen Unfall am Ende des Staus könnte es wirklich sein, dass da Menschen sterben, und das ist wirklich schwer zu ertragen, aber es ist etwas, was wir ein Stück weit riskieren müssen.“

Er fügt hinzu: „Was ist besser? Nicht zu protestieren und zu akzeptieren, dass wir ins fossile Weiter-so gehen oder etwas zu versuchen, was die Gesellschaft transformieren könnte und dazu bringen könnte, dass wir die Klimakatastrophe bremsen.“

In der Doku kommt – mit diesen Sätzen konfrontiert – auch der sächsische Polizeipräsident Jörg Kubiessa zu Wort: „Das trage ich überhaupt nicht mit. Da es genau an den Stauenden um Lebensgefahr geht, dürfen sie das nicht. Deshalb ist die Antwort ganz klar: Das passt überhaupt nicht in mein Rechtsverständnis.“

Kritischer Blick des Innenministeriums auf Klimakleber

Die „Letzte Generation“ war bis vor Kurzem noch frei vom Verdacht, verfassungsfeindlich zu sein. Doch hat sich das geändert. Das Bundesinnenministerium blickt mittlerweile vorsichtiger auf die Klimakleber. So warnt die Behörde vor einer Vereinnahmung durch Linksextremisten.

„Akteure aus der linksextremistischen Szene versuchen, Einfluss auf Klimaschutzgruppen zu nehmen, sie für ihre Ziele empfänglich zu machen, gesellschaftlichen Protest zu radikalisieren und den Staat und seine Institutionen zu delegitimieren“, zitiert der „Spiegel“ eine Sprecherin des Ministeriums.

Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, warnt ebenfalls: „Es besteht die Gefahr, dass die bisher nicht extremistischen Umwelt- und Klimabewegungen ‚Fridays for Future‘ oder ‚Letzte Generation‘ durch Linksextremisten unterwandert werden.“

Dahinter stehe die Absicht, maßgeblichen Einfluss auf die Bewegungen auszuüben. „Es gibt bereits erste Versuche in diese Richtung.“ Eine Radikalisierung der Klimaschutzbewegung hält Kramer vor diesem Hintergrund für möglich.

Hoffnungslosigkeit ist besorgniserregend

„Besorgniserregend“ sei es, dass in Teilen der Klimaszene „eine Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit vorzuherrschen scheint, die in Endzeitgedanken mündet“, fährt Kramer fort.

Eine solche Perspektivlosigkeit mache anfällig für den Einfluss von Extremisten. Dies könne eine Radikalisierung fördern. Als Folge könnten die Protestaktionen „immer drastischer werden“, warnte der Thüringer Verfassungsschutzchef.

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sah bei den Aktivistinnen und Aktivisten bislang „keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung“. Die Aktionen seien „drastisch“, jedoch nicht staatsgefährdend.

Die Gruppe begehe inzwischen auch schwere Straftaten wie Blockaden auf Flughäfen. Diese müssten von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten verfolgt und geahndet werden.

Für die Freiheit Staat und Kapital angreifen

Wesentlich radikaler treten linke autonome Gruppen auf dem linksextremen Portal „Indymedia“ auf. Sie kündigen dort an, je verurteiltem Mitstreiter pro Jahr „Knast“ eine Million Euro Sachschaden bundesweit anzurichten. Dasselbe gelte bei Hausdurchsuchungen und Razzien „gegen linke Strukturen“.

Als Ziele nennen die Autonomen „Strukturen von Neonazis und Rechten, Repressionsbehörden, Knast-Profiteure“, aber auch staatliche Einrichtungen, Firmen und Unternehmen, die mit staatlichen „Repressionsbehörden“ kooperieren sowie Parteien. Also so ziemlich alle Institutionen, die unser Rechtsstaat kennt. Getreu dem Motto „Staat und Kapital angreifen! Für die Freiheit!“ dürfe man aber auch selbst kreativ werden, was man angreifen will, motivieren die Autoren des Beitrags.

In weiteren Beiträgen stellen die Linksautonomen dar, wie sie etwa auf Hausdurchsuchungen reagieren. So hatten sie in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar vier Autos aus dem Besitz der Stadt Leipzig zerstört, „indem wir reichlich Bitumen auf den Frontbereich gekippt haben und die Lüftungsschächte vollgemacht haben“.

Plattform gesichert linksextremistisch

Der Verfassungsschutz stuft die Internetplattform Indymedia.de als gesichert linksextremistische Bestrebung ein und beobachtet sie dementsprechend. Das geht aus dem Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz für 2021 hervor.

Auf der Seite würden regelmäßig Bekennerschreiben, Aktionsaufrufe sowie Adressen mutmaßlicher politischer Gegner veröffentlicht. Die Plattform werde nach dem Prinzip des „Open Postings“ betrieben. Um die Veröffentlichungen kümmerten sich sogenannte Moderationskollektive.

In dem Bericht heißt es nun, es würden zwar Spambeiträge und Inhalte entfernt, die dort wahrscheinlich „unter falscher Fahne“ veröffentlicht wurden – etwa von Rechtsextremisten. Vereinzelt würden auch Beiträge mit linksextremistischem Hintergrund gelöscht, „wenn diese eine erhebliche Gefährdung für Leib oder Leben von Menschen entfalten könnten“.

Dazu gehören beispielsweise Anleitungen für den Bau von Sprengsätzen. Zahlreiche Tatbekenntnisse zu erheblichen linksextremistischen Straftaten würden hingegen nicht von der Seite genommen. Fazit: „In der Gesamtschau lassen die nicht entfernten Beiträge auf Indymedia.de eindeutig eine verfassungsfeindliche Linie erkennen.“



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