Verfassungsschutz Thüringen: Das macht die AfD „gesichert rechtsextremistisch“

Die Hüter der Verfassung betrachten die AfD im Freistaat schon seit 2021 als „gesichert rechtsextremistisch“. Die Begründung dazu ließ jedoch lange auf sich warten.
Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer geht davon aus, dass Rechtsextreme wieder «ganz massiv das Thema Asyl und Flüchtlinge» hochkochen.
Der Präsident des Amtes für Verfassungsschutz in Thüringen, Stephan Kramer, sieht in der dortigen AfD eindeutige verfassungsfeindliche Tendenzen.Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa
Von 29. Juni 2023


Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer hat erklärt, man könne in der Bundesrepublik Deutschland mittlerweile von „ungefähr 20 Prozent braunem Bodensatz“ ausgehen. Mit dieser Äußerung gegenüber dem Radiosender „NDR Info“ reagierte er auf den Sieg des AfD-Kandidaten Robert Sesselmann im Landkreis Sonneberg. Dieser hatte am Sonntag, 25. Juni, dort die Stichwahl um das Amt des Landrats gewonnen.

Kramer nannte die AfD in diesem Kontext einen „parlamentarischen Arm einer viel größeren Verschwörung, einer revolutionären Verschwörung“. Diese wolle „die Regierung bezwingen, den Staat, und das ganze System, das in der Bundesrepublik Deutschland eingerichtet wurde“.

Die AfD, so Kramer, trage wesentlich zu einer „Verrohung der politischen Diskussion“ bei. Mehrere ihrer Vertreter, unter anderem Thüringens Landeschef Björn Höcke, verwendeten eine „brachiale Sprache“. Mittels dieser versuchten sie, politische Gegner zu definieren. Dabei komme es auch zu versteckten Drohungen mit Gewalt.

Ausführliche Begründung erst nach fast zwei Jahren

Dass die AfD ausgerechnet in Thüringen erstmals eine Direktwahl in ein kommunales Spitzenamt für sich entschied, sorgt im dortigen Verfassungsschutz für besondere Aufmerksamkeit. Immerhin hat die Behörde den Landesverband bereits am 15. März 2021 als „erwiesen rechtsextremistisch“ eingestuft. Dies ermächtigt den Verfassungsschutz dazu, den Verband mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten.

Aus „Rücksicht auf die Bundestagswahl“ hatte der Verfassungsschutz diese Entscheidung erst im November 2021 verkündet. Erst im Dezember des Jahres 2022 hat der Inlandsgeheimdienst eine ausführlichere Begründung nachgereicht.

Dies geschah zusammen mit der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes über das Jahr 2021, in dem die Landes-AfD erstmals als „rechtsextremistische Bestrebung“ aufgeführt ist. Die verzögerte Rechtfertigung hatte Kritik unter anderem in der CDU hervorgerufen. Deren Innenpolitiker Raymond Walk meinte, derlei Erkenntnisse lägen „der Öffentlichkeit so im schlechtesten Fall fast zwei Jahre nach dem eigentlichen Ereignis vor“. Er fügte hinzu:

Die Aussagen des Innenministers, dass es sich bei dem Bericht um ein wirkungsvolles Frühwarninstrument handelt, verkommen zur Farce.

AfD zeigt seit Verdachtsfall-Einstufung „keine Mäßigung“

In dem Bericht selbst heißt es, die AfD Thüringen habe auch nach ihrer Einstufung als Verdachtsfall im März 2020 „die Grenzen zum politischen Extremismus mit großer Regelmäßigkeit“ überschritten. Die maßgeblichen Akteure des Landesverbandes zeigten „keine politische Mäßigung in ihren Äußerungen“. Bemühungen, Extremisten durch parteiinterne Verfahren auszuschließen oder zur Mäßigung anzuhalten, seien ausgeblieben.

Die „extremistische Programmatik des Landesverbandes“ habe keine Korrektur erfahren, heißt es in dem Bericht weiter. „Verfassungsfeindliche Positionen, die sich gegen die Menschenwürde, das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip richten“, seien im Landesverband vielmehr vorherrschend.

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Antimuslimischer Rassismus als Bindemittel in der Partei

Ein Vorwurf, der die AfD und ihren Landesverband in Thüringen trifft, ist dabei jener des Rassismus. Die Islamfeindlichkeit der Partei sei vor allem Ausdruck einer „biologisch begründeten und damit irreversiblen Ungleichheitsannahme zwischen einzelnen Menschen und Bevölkerungsgruppen“.

Diese kulturalistisch aufgeladene Form des Ethnonationalismus reduziere das Individuum auf dessen biologisch abgeleitete ethnische Zugehörigkeit. Dies stelle jedoch eine Infragestellung des durch das Grundgesetz garantierten Schutzes der Menschenwürde dar.

Antimuslimischer Rassismus erfülle in der AfD die Funktion eines „Bindemittels innerhalb der Partei über die Tagespolitik hinaus“. Politiker wie Björn Höcke verbänden sie mit extremistischen Theorien wie jene eines „Großen Austauschs“, wie ihn die „Identitäre Bewegung“ vertrete.

„Wohltemperierte Grausamkeit“ vs. „moralische Beißhemmung“

Vorfälle, in die Einwanderer aus islamischen Ländern involviert sind, würde die AfD zum Ausdruck typischer Eigenschaften eines gesamten Kulturkreises hochstilisieren. Höcke unterstelle Muslimen pauschal „religiöse Zerstörungswut“ und dichte ihnen eine „kulturelle Kriegserklärung gegen den Westen“ an.

Im Zusammenhang mit der Debatte über den Umgang mit afghanischen Ortskräften unterscheide die AfD Thüringen zwischen „Deutschen und Muslimen“. Dass auf diese Weise implizit erklärt werde, dass Muslime keine Deutschen sein könnten, unterstreiche die ethnonationalistische Grundlage ihrer Islamfeindlichkeit.

Bereits im Kontext der Einstufung als Verdachtsfall hatte Thüringens Verfassungsschutz der AfD angelastet, die Religionsfreiheit infrage zu stellen. Auch dies sei Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Ausrichtung.

Zudem klinge auch eine verklausulierte Gewaltbejahung aufseiten der AfD an. In Beiträgen beklage man eine „moralische Beißhemmung“ und „andauernde aggressionsferne Prägung“ der Deutschen. Dieser stelle man eine vermeintlich schon im Kern gewaltbereite Einwandererkultur gegenüber. Björn Höcke hatte bereits in seinem Interviewband aus dem Jahr 2019 von der Notwendigkeit einer „wohltemperierten Grausamkeit“ gesprochen. Der Kontext dazu waren seine Überlegungen über eine Neuordnung des Gemeinwesens.

Höcke bezeichnet Briefwahl als Instrument der Wahlmanipulation

Ein weiterer zentraler Vorwurf, den der Verfassungsschutz in Thüringen gegen die AfD erhebt, ist jener des „Verstoßes gegen das Demokratieprinzip“. Die Partei habe demnach insbesondere die Corona-Debatte genutzt, um die Bundesrepublik Deutschland als diktatorisches System darzustellen.

Landeschef Höcke habe zudem versucht, das Vertrauen in die Integrität der Wahlen zu untergraben. Dies sei etwa dadurch geschehen, dass er die Briefwahl als vermeintliches Instrument der Manipulation durch „die Mächtigen“ gezeichnet habe.

Zudem habe Höcke der Regierung im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen vorgeworfen, diese würde mit Absicht Notstandslagen schaffen. Ziel dahinter sei es demnach, einen Vorwand für die Einschränkung von Grundrechten zu konstruieren.

AfD nennt BVG „korrupte, parteinahe Justiz“

Weitere Punkte, die der Verfassungsschutz in Thüringen aufführt, um die Einstufung der dortigen AfD als „rechtsextremistisch“ zu begründen, betreffen den Rechtsstaat und das Geschichtsbild. Aus mehreren Äußerungen thüringischer AfD-Spitzenpolitiker sei ein „Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip“ herauszulesen.

So habe der Verband das Bundesverfassungsgericht (BVG) als „korrupte, parteinahe Justiz“ dargestellt. Das Höchstgericht, so hieß es in einer Erklärung, betreibe „Büttelrechtsprechung“, statt seiner Kontrollfunktion nachzukommen. Generell sei in Thüringens AfD eine Tendenz zu erkennen, deutschen Gerichten ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit abzusprechen. Damit wolle man demokratische Verfahren und Institutionen insgesamt delegitimieren.

Auch der Geschichtsrevisionismus ist nach Einschätzung des Verfassungsschutzes ein wesentlicher Grund für die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“. Beiträge Björn Höckes anlässlich von Gedenktagen seien Ausdruck seiner bereits 2017 geäußerten Forderung nach einer „erinnerungspolitischen 180-Grad-Wende“. Sie relativierten die deutsche Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg und die nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, so die Behörde.



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