„Verzweiflungstat“, „Eingeständnis eigener Ohnmacht“: Merkels Corona-Appell stößt auf Skepsis
In ihrem Video-Podcast vom Samstag (17.10.) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Bürger des Landes dazu aufgerufen, freiwillig ihre sozialen Kontakte deutlich einzuschränken und auf nicht zwingend notwendige Reisen und Feiern zu verzichten. In den kommenden Tagen und Wochen werde sich entscheiden, welche Entwicklung es im Winter gäbe. Neben Mindestabstand, Hygieneregeln und der Verwendung des Mund-Nasen-Schutzes seien deshalb die von Merkel angesprochenen Kontakt-Empfehlungen entscheidend.
Nicht überall in der Bevölkerung hat Merkels Appell Anklang gefunden. In Hamburg feierten, wie die „Bild“-Zeitung berichtete, am Samstagabend etwa 9.000 Personen auf der Partymeile im Rotlichtviertel. Die Sperrstundenvorgabe von 23 Uhr wurde von den Gaststätten- und Club-Betreibern jedoch weitgehend eingehalten. In vielen Lokalen trugen die Gäste auch mehrheitlich Maske. Die Polizei kontrollierte mit einem großen Aufgebot.
Auch in Berlin waren die Ausgehlokale stark frequentiert, in einem Club mussten Gäste am Eingang ihre Smartphone-Kameras abkleben. Die „Bild“ geht davon aus, dass dadurch das Dokumentieren von Verstößen gegen die Corona-Maßnahmen erschwert werden sollte. In den Clubs trugen viele Gäste Masken, allerdings wurden häufig Sicherheitsabstände missachtet.
Kubicki: Einbindung des Parlaments wichtiger als Appelle
In der „Welt“ äußerten mehrere Politiker Skepsis bezüglich der Strategie Merkels in der Corona-Krise. Das Blatt diagnostiziert, dass die deutsche Bevölkerung durchaus bereit sei, Vorsicht an den Tag zu legen, ein kompletter Lockdown würde jedoch keine Billigung finden.
Der Aufruf der Kanzlerin, Kontakte und Reisen weitestmöglich zu drosseln, sei eine „Verzweiflungstat“ und eine Aufforderung zum „freiwilligen Lockdown“, erklärte FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki. Er forderte Merkel dazu auf, das Parlament in die Lösungsfindung einzubinden, statt sich mit emotionalen Appellen an die Öffentlichkeit zu wenden. Nicht nur die Exekutive in Bund und Ländern, auch der Bundestag müsse Mitsprache bezüglich des weiteren Vorgehens in der Corona-Krise haben.
Auch SPD-Rechtsexperte Florian Post äußerte sich in dieser Richtung. Gegenüber der „Bild“ erklärte er, dass die Exekutive seit März „Verordnungen, die in einer noch nie dagewesenen Art und Weise im Nachkriegsdeutschland die Freiheiten der Menschen beschränken“, erlasse, ohne dass auch nur einmal ein gewähltes Parlament darüber abgestimmt habe. Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann erklärte ebenfalls, das Parlament müsse „wieder selbstbewusster seine Rolle als Gesetzgeber einfordern und dann aber auch ausfüllen“.
Lindner: Nicht nur auf Infektionszahlen starren
Kubicki erklärte zudem, die Bundeskanzlerin sei „nicht diejenige, die einfach anordnen kann, wie wir uns verhalten sollen“. Jeder, der das Gefühl habe, er müsse diesen Worten folgen, solle das tun. Aber „jeder, der das Gefühl hat, er kann auch anders weiterleben, sollte dies auch tun“, so der FDP-Vize.
Parteichef Christian Lindner forderte unterdessen einen differenzierten Blick auf die Corona-Entwicklung. Gegenüber „Bericht aus Berlin“ (ARD) erklärte er, die Infektionszahlen allein seien kein tauglicher Maßstab, um die Situation insgesamt zu beurteilen. Es sollten auch andere Parameter wie die Lage in den Arztpraxen oder Krankenhäusern ausgewertet werden. Es sei immerhin derzeit vorwiegend ein anderes Publikum betroffen als im Frühjahr, nämlich jüngere Menschen.
„Insofern rate ich zur Vorsicht, wir sollten aber auch nicht überdramatisieren“, so Lindner. Eine Ausgangssperre wäre völlig unverhältnismäßig. Zudem sei es nicht angemessen, wenn „bei einer kleinen privaten Feier von zehn Leuten plötzlich die Polizei klingelt, weil Nachbarn sich plötzlich denunziatorisch betätigen“.
„Politik muss Prinzip der Angemessenheit beachten“
In der „Bild“-Zeitung warnt der Gründer des Isar-Klinikums München, Prof. Eckhard Alt, vor „Hysterie“ im Zusammenhang mit der steigenden Zahl an positiven Testergebnissen. Die seien auch die Folge einer größeren Anzahl von Tests. Über 90 Prozent der Corona-Positiven erkrankten nicht ernsthaft, und auch die Zahl der Todesfälle bleibe verhältnismäßig gering:
Jeder Einzelfall ist tragisch, aber für ein Land, in dem jeden Tag 2.750 Menschen an anderen Ursachen sterben, sind null bis 30 Corona-Todesfälle pro Tag relativ wenig. Angesichts von über 25.000 Intensivbetten sind wir von einer Überlastung des Gesundheitssystems noch deutlich entfernt.“
In Medien und Politik wird der dringliche Appell der Bundeskanzlerin Angela Merkel, im Angesicht der Corona-Fallzahlen Kontakte und Reisen zu vermeiden, als Eingeständnis der Grenzen der Politik gewertet. Zudem pocht das Parlament auf mehr Mitsprache bei Maßnahmen.
Man wisse mittlerweile besser, wie der COVID-19-Infektion mit Medikationen beizukommen sei, Hysterie und dadurch bedingte Überreaktionen im kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben führten zu „unzähligen menschlichen Tragödien“. Deshalb müsse aber auch in der Politik das Prinzip der Angemessenheit gewahrt bleiben.
Süddeutsche: Merkel setzt „angespartes Kapital ihrer Autorität ein“
Die „Süddeutsche Zeitung“ sieht in Merkels Videobotschaft „unausgesprochen auch das Eingeständnis der eigenen Ohnmacht“. Dabei schiebt das Blatt den Ministerpräsidenten die Verantwortung zu, die sich von Merkel nicht überzeugen ließen. Deshalb appelliere die Kanzlerin nun „an Bürgerinnen und Bürger, sich stärker einzuschränken, als es der Staat verordnen und kontrollieren kann“.
Merkel müsse sich „mit den Grenzen arrangieren, die das föderale System setzt“. Der Kampf gegen die globale Pandemie sei in Deutschland Ländersache. In dieser Lage habe Merkel sich „entschlossen, jenes Kapital einzusetzen, das sie in den Jahren zuvor angespart hat“. Merkel regiere in der Corona-Krise „präsidentiell – nicht mit formaler Macht, sondern mit der Kraft ihrer Autorität“. Diese jedoch erwachse „aus der Art und Weise, wie Merkel das Land bisher durch die Krisen navigiert hat“.
FAZ: Streit zwischen Merkel und Länderchefs ist „beruhigend“
Die „Süddeutsche“ wies auch darauf hin, dass die Videobotschaft auch ausdrücklich an Menschen mit Migrationshintergrund gerichtet gewesen sei. Deshalb habe Regierungssprecher Steffen Seibert auch Versionen der Ansprache sowohl mit türkischen als auch arabischen Untertiteln verbreiten lassen, um „unabhängig von Sprachkenntnissen wirklich alle zu erreichen“. Zuletzt hatte die Regierung den Podcast im Juni ins Türkische und Arabische übersetzen lassen. Anlass war damals die Einführung der Corona-App.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) verteidigte den Streit um die Corona-Maßnahmen, der eine Konsequenz des in Deutschland in der Verfassung verankerten Föderalismus sei.
Schuldzuweisungen angesichts des Umstandes, dass Merkel nicht alle Ministerpräsidenten überzeugen konnte, seien unangebracht. Unterschiedliche Ausgangslagen vor Ort könnten unterschiedliche Lösungsansätze rechtfertigen, dass auch die Kanzlerin dabei an Grenzen stoße, sei kein Manko, sondern ein Qualitätsmerkmal einer Demokratie: „Es ist beruhigend, dass unsere Politiker da verschiedener Meinung sind. Ohne Streit geht es vielleicht in China, aber nicht in Deutschland.“
(Mit Material von afp)
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