Vilseck in der Oberpfalz stark vom US-Truppenabzug betroffen – Die Stadt droht, „sich in eine Geisterstadt zu verwandeln“

Der angekündigte Truppenabzug amerikanischer Soldaten aus Deutschland erschütterte die deutsche Politik, aber auch die betroffenen Städte leiden unter der Entscheidung. In Vilseck wird befürchtet, dass die Stadt sich in eine „Geisterstadt“ verwandeln werde. Andere hätten sich gewünscht, dass die Stadt schon früher nach Alternativen gesucht hätte.
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Die US-Flagge auf einer Soldatenuniform.Foto: CHRISTOF STACHE/AFP über Getty Images
Von 11. August 2020

Der Truppenabzug von amerikanischen Soldaten aus Deutschland hinterlässt nicht nur in der Politik Lücken und Fragen. Das bayerische Städtchen Vilseck hat in den letzten Jahrzehnten sehr viel von der amerikanischen Präsenz profitiert – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch menschlich, wie Bewohner gegenüber „Politico“ bestätigen.

„Es läuft wirklich gut mit den Amerikanern“, sagte Sabine Kederer, Inhaberin des jahrhundertealten Hotels Angerer in Vilseck. Die beste Freundin ihrer 9-jährigen Tochter ist Amerikanerin. Sie seien nicht nur „unzertrennlich“, sagte sie, sondern profitierten auch von den Sprachkenntnissen der anderen, berichtet sie dem Brüsseler Blatt.

70 Jahre lang hat Vilseck US-Soldaten und deren Familienangehörigen beheimatet

Vilseck liegt in der Oberpfalz und beheimatet seit den 1950er-Jahren Tausende US-Soldaten und -Zivilisten. Die 70 Jahre gehen nicht spurlos an dem Ort vorbei, die amerikanische Präsenz zeigt sich in allen Bereichen.

Viele Etablissements in der Stadt richten sich zum Beispiel speziell an Amerikaner. Ein Restaurant hat sogar ein 1-Kilogramm-Steak, welches „selbst die Grenzen der fleischlichen Küche Bayerns sprengt“, schreibt „Politico“.

Deswegen trifft die Bewohner die Entscheidung hart, dass aus Vilseck 4.500 Soldaten abgezogen werden. Eine der Befürchtungen von Bürgermeister Hans-Martin Schertl sei, dass die Kaserne in einigen Jahren leer stehen könnte. „Die wirtschaftliche Kraft der Truppenübungsplätze hier und im nahe gelegenen Grafenwöhr zusammengenommen wird auf rund 650 Millionen Euro jährlich geschätzt“, sagte er wenige Tage nach der Ankündigung der USA.

Wenn Tausende von Amerikanern gehen müssen, „werden die Immobilienpreise sicherlich sinken, weil die Nachfrage unmöglich so groß sein kann wie das Angebot“, sagte Schertl.

In den vergangenen Jahren hat sich eine stabile Infrastruktur in der Stadt entwickelt, Amerikaner haben von den Einwohnern Häuser gemietet – nun soll all das plötzlich wegfallen.

Die Stadt hätte sich schon vor Jahren Alternativen überlegen sollen

Hotel-Inhaberin Kederer meint, Vilseck hätte schon vor Jahren damit beginnen müssen, alternative Geschäftsmodells zu entwickeln, welche nicht so sehr von der US-Präsenz abhängen. Ihr Vorschlag bewegt sich in zwei Richtungen: Tourismus und Alternativen für Stadtbewohner.

Die Stadt ist ruhig, die Gegend satt grün, das solle man nutzen und ein Konzept als Touristenort ausbauen. Außerdem, so Kederer, biete die Stadt eine gute Alternative zum Stadtleben – mit erschwinglichen Mietpreisen. Ohne solche Strategien, sagt die Hotel-Inhaberin in der 14. Generation, werde der Truppenabzug einen schweren Schlag für die lokale Wirtschaft bedeuten.

„Das wird sich dramatisch auf das Gebiet auswirken“, sagte auch Bobby Grassick, Geschäftsführer eines Militär-Autovertriebs. Die Immobilienpreise und die Mieten in der Gegend erhalten durch die amerikanische Präsenz einen künstlichen Schub, sagte er zu „Politico“.

Vilseck liegt zwar ruhig, ist aber zu weit von Nürnberg oder Regensburg entfernt – so spielt die Stadt keine Rolle in der urbanen Ausdehnung beider Städte. „All diese Häuser, die Sie hier sehen – oder sagen wir, viele von ihnen – sie sind für amerikanische Familien gebaut“, sagte Grassick. Die deutschen Einwohner werden „auf diesen leeren Häusern sitzen bleiben, wenn die Amerikaner weg sind, weil sie von den Deutschen vor Ort nie die Mieten bekommen werden, welche sie brauchen, weil sie sich diese [Preise] nicht leisten können.“

„Ich habe früher als Sicherheitsaufseher im Schulbus gearbeitet“, sagte Brigitte Trummer im Ruhestand. Sie sagte, dass die deutschen und amerikanischen Kinder der Stadt sich immer gut verstanden haben. „Ich bin traurig, die Amerikaner gehen zu sehen … Vilseck wird sich in eine Geisterstadt verwandeln“, fügte Trummer hinzu.

Die benachbarte Grafenwöhr ist vorerst nicht betroffen

Die Befürchtungen der Einwohner Vilsecks bestätigte auch Pfarrer André Fischer aus dem benachbarten Grafenwöhr. Er sprach mit der Online-Redaktion von „Evangelisch.de“. „In Grafenwöhr sitzt der Schock jedenfalls erst einmal tief“, sagte er im Interview.

Grafenwöhr soll zwar weiterhin bestehen bleiben, da es sich hier um den größten und modernsten Truppenübungsplatz in Europa handelt, allerdings sollte man sich nicht in Sicherheit wiegen, so der Pfarrer, denn „das dachten auch die Menschen in Stuttgart, wo sich die Kommandozentrale der US-Truppen befindet, die aber nun ins belgische Mons verlegt werden soll“.

Aber vielleicht hat der Verbleib auch etwas damit zu tun, dass Elvis Presley im November und Dezember 1958 die kleine bayerische Stadt besuchte und „für mächtig Wirbel in der Oberpfalz sorgte“.



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