Vorratsdatenspeicherung: Staat bleibt dran

Von 18. April 2007

Unser Privatleben geht niemanden etwas an, so glaubten wir bisher. Aber so einfach soll es nicht weitergehen. Wer mit wem und wann und sogar von wo telefoniert hat, das soll in Zukunft für mindestens sechs Monate gespeichert werden. Ob am Telefon, vom Handy, als SMS oder als E-Mail eine Liebeserklärung verschickt wurde, ein Geschäft abgeschlossen wurde oder der Wetterbericht im Internet abgefragt wurde, das soll EU-konform und EU-kompatibel aufgehoben werden. Mit Terroristenfahndung, mit der Zunahme von Internetkriminalität und dem Schritt Halten mit modernen Kommunikationsmethoden wird begründet, dass die Daten aller Bürger, die auch niemals mit kriminellen Machenschaften in Berührung kommen, für Monate gespeichert werden.

Es geht um die Umsetzung einer EU-Richtlinie vom 3. Februar 2006, gegen die inzwischen Irland und die Slowakei beim Europäischen Gerichtshof Einspruch erhoben haben.

Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, wies darauf hin, dass alle Bürger gleichermaßen von der Vorratsdatenspeicherung betroffen sein werden: „Jegliche Form der Telekommunikation wird für die Sicherheitsbehörden zukünftig nachvollziehbar sein.“ Allein die Möglichkeit der Überwachung „wird bei den Menschen dazu führen, dass sie sich nicht mehr so äußern, wie sie es eigentlich tun würden. Mehr Überwachung führt nicht zu mehr Sicherheit“, warnte Schaar bei einer Podiumsdiskussion im Haus der Presse in Berlin am 20. März.

In Deutschland laufen Datenschutzbeauftragte gemeinsam mit Journalisten-, Medien-, Verbraucher- und Wirtschaftsverbänden seit Wochen Sturm gegen die Pläne der Bundesregierung, die Kommunikationsdatenspeicherung noch dieses Jahr umzusetzen. „Eine derart weit reichende Registrierung des Verhaltens der Menschen in Deutschland halten wir für inakzeptabel“, heißt es in einer Gemeinsamen Erklärung vom Januar. Die Verbände verlangen, die Pläne zumindest bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Rechtmäßigkeit der Richtlinie auf Eis zu legen. Heute berät das Bundekabinett über die einführung der EU-Richtlinie.

„Eine demokratische Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass nicht der Staat die Bürger, sondern die Bürger den Staat kontrollieren“, so vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller, Bundesverband der Verbraucherzentralen. Eine verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung bedeute den Einstieg in eine flächendeckende Überwachung der Nutzer digitaler Kommunikation. Das Prinzip der informationellen Selbstbestimmung drohe zunehmend zu einem Grundsatz der informationellen Fremdbestimmung zu werden.

Bundesjustizministerin Zypries sieht keinen Grund zur Aufregung, schließlich sei ein richterlicher Beschluss erforderlich, um die Daten für Ermittlungen zu nutzen.

Verfassungsbeschwerde in Vorbereitung

„Daten kann man nicht wirklich schützen“, sagt dazu Meinhard Starostik, Anwalt in Berlin, der sich der rechtlichen Seite der der Verteidigung vor der Vorratsdatenspeicherung angenommen hat. Diese Datenmengen werfen nicht nur Kapazitätsprobleme bei der Speicherung auf, sondern auch bei Zugangsmöglichkeiten, die kein System wirklich sichern kann. „Der Bürger muss auf jeden Fall selber entscheiden können, was und wem er etwas sagen will“, so der Jurist im Interview mit TV Berlin im Dezember 2006. „Falls das Gesetz beschlossen wird, werden wir vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde dagegen einlegen.“ Unter www.vorratsdatenspeicherung.de kann sich Jedermann und Frau darüber informieren und eintragen. Über 3.300 haben schon eine Vollmacht erteilt.

Als „ungehörig“ bezeichnen manche ältere Mitstreiter die Schnüffelvorbereitungen des Staates, sollen doch nicht nur zum den Zweck der Abrechnung wie bisher die Verbindungen aufgelistet werden, sondern auch der Ort, von wo etwa mit einem Handy telefoniert wurde.

Das gleich gilt für jedwede E-Mails, die dann allen denkbaren Suchfunktionen ausgeliefert sein können. Bei ihnen müssen auch die IP-Adressen, die zur Identifikation dienen, gespeichert werden. Das kann leicht Begehrlichkeiten wecken von Finanzverwaltungen bis hin zur Musikindustrie, die unerlaubten Downloads auf die Spur kommen möchte und das dann via Strafantrag auch könnte.

Misstrauen statt Kommunikation

Anwälte, Ärzte und Journalisten fürchten, dass vertrauliche Mitteilungen nicht mehr den Weg über Faxe, Telefone oder E-Mails zu ihnen finden werden und eine normale Kommunikation erschwert und von Misstrauen belastet werde. Kriminelle werden jedoch die Speicherung eher leicht umgehen mit der Benutzung von Telefonzellen, Internetcafes oder Anonymisierungsdiensten. Computer-Cracks suchen schon nach neuen Wegen der Geheimhaltung und bieten sie im Internet an. Im Netz der Vorratsdatenspeicherung bleibt dann die Masse unbescholtener Bürgerinnen und Bürger, in deren beruflicher oder privater Sphäre geschnüffelt werden kann, wenn die Eu-Richtlinie in Deutschland zum Gesetz wird.



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