Wachsende Geldsorgen in Deutschland

Was raubt den Deutschen den Schlaf? Nach einer vom Infocenter der R+V-Versicherung in Auftrag gegeben Studie zu den „Ängsten der Deutschen“ waren es im Sommer nicht der Krieg in der Ukraine, die Corona-Krise oder der Klimawandel, sondern die Sorgen ums liebe Geld.
Eine ältere Frau zählt einige Euro und Cents Münzen in der Hand Foto: iStock/Karl-Hendrik Tittel
Eine ältere Frau zählt einige Euro und Cents Münzen in der Hand.Foto: iStock/Karl-Hendrik Tittel
Von 2. Dezember 2022


Die Angst vor den steigenden Lebenshaltungskosten liegt mit 67 Prozent inzwischen klar auf Platz eins aller Ängste der Deutschen. Das berichtet die VdK-Zeitung in ihrer Dezember/Januar-Ausgabe. Die Inflationsangst sei damit um 17 Prozent gegenüber der Umfrage vom Vorjahr gestiegen. „Das gilt für reiche Befragte genauso wie für arme, für Jung und Alt, für Männer wie Frauen und für Anhänger aller Parteien in allen Bundesländern“, erklärte Prof. Dr. Manfred G. Schmidt, Politikwissenschaftler an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, der an der Auswertung der Studie beteiligt war. Einen ähnlich starken Anstieg der Inflationsangst habe man zuletzt 1993 aufgrund der „damaligen Talfahrt der deutschen Wirtschaft“ beobachtet. In den alten Bundesländern habe man sogar Werte von 69 Prozent gemessen – gegenüber „nur“ 59 Prozent in den östlichen Bundesländern.

Krisengebeutelte Wirtschaft

Auf Platz zwei der schlimmsten Sorgen rangiert mit 58 Prozent die Angst, die Kosten für die Wohnung nicht mehr aufbringen zu können. Direkt dahinter (57 Prozent) liegt die Furcht vor einer generellen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland – ebenfalls ein Anstieg um 17 Prozentpunkte. „Der Dreiklang von Corona-Pandemie, Russlands Krieg gegen die Ukraine und Inflation beeinträchtigt die deutsche Wirtschaft – sie droht in eine Rezession abzurutschen“, sagte Schmidt.

Corona-Angst nur auf Rang 19

Auf Rang vier der Liste (52 Prozent) taucht die Corona-Krise auf, die im Vorjahr noch Spitzenreiter im Ranking der größten Befürchtungen war. Allerdings treibt dabei weniger die Angst vor gesundheitlichen Problemen die Menschen um (33 Prozent, Platz 19), sondern schlicht die Befürchtung, dass demnächst Leistungskürzungen oder Steuererhöhungen den Geldbeutel noch weiter belasten könnten. Mit 51 Prozent haben beinahe ebenso viele Menschen offenbar Angst davor, dass sie demnächst für die wachsende Schuldenaufnahme der EU zur Kasse gebeten werden könnten.

Angst vor Wetterextremen, Klima und Krieg

Erst auf den Plätzen sechs bis acht tauchen Themen auf, die weniger mit Geld zu tun haben: Die Angst vor Wetterextremen oder Naturkatastrophen treibt 49 Prozent (2021: 41 Prozent) der Befragten um, der „Klimawandel“ 46 Prozent (2021: 40 Prozent).

47 Prozent machen sich angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine inzwischen Sorgen darüber, dass „autoritäre Herrscher immer mächtiger werden“ könnten, 42 Prozent (plus 26 Prozentpunkte) ängstigen sich vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung.

Flüchtlingskrise

Weniger Sorgen – allerdings noch immer auf hohem Niveau – machen sich die Menschen um eine „Überforderung des Staates durch die Zahl der Geflüchteten“ (45 Prozent) oder um „Spannungen durch Migration“ (37 Prozent). Das Thema beschäftigt die Bürger im Osten der Republik offenbar stärker als jene im Westen: „Konflikte durch den weiteren Zuzug von Ausländerinnen und Ausländern fürchten im Westen 35 Prozent der Befragten (Platz 16), im Osten sind es hingegen 44 Prozent (Platz zwölf)“, so die R+V.

„Angstindex“ gestiegen

„Insgesamt sind die Menschen deutlich sorgenvoller als noch vor einem Jahr“, erklärte Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch. Der sogenannte „Angstindex“, also der Durchschnitt aller abgefragten Sorgen, sei im Vergleich zur Vorjahresstudie um sechs Prozentpunkte gestiegen. Mit 42 Prozent sei somit das höchste Angst-Niveau seit vier Jahren erreicht worden.

VdK für einmalige Vermögensabgabe

VdK-Präsidentin Verena Bentele forderte angesichts der wachsenden Geldsorgen mehr Unterstützung besonders für „Menschen mit kleinen Einkommen und Renten“ und eine sozial gerechte Verteilung der Krisenkosten. Als Ausweg sieht sie „eine einmalige Vermögensabgabe für Personen und Betriebe mit großem Vermögen“. Selbst bewohnte Immobilien allerdings sollten nicht angetastet werden.

Für diese 31. Ausgabe der Studie „Die Ängste der Deutschen“ hatte das Infocenter der R+V-Versicherung zwischen Juni und August mehr als 2.400 Personen ab 14 Jahren befragt. Nach eigenen Angaben handelt es sich um die „bundesweit einzige Langzeitstudie zu den Ängsten der deutschen Bevölkerung“.

Reichtum und Armut

Nach Daten des Statista Research Departments ist das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland zur Jahresmitte 2022 zum zweiten Mal in Folge gesunken: Zum Ende des zweiten Quartals 2022 besaßen die Deutschen demnach nur noch rund 7.496,3 Milliarden Euro an Bargeld, Bankeinlagen, Wertpapieren und Ansprüchen gegenüber Versicherungen und Pensionseinrichtungen. Das bedeute einen Rückgang gegenüber dem ersten Quartal um 98 Milliarden Euro beziehungsweise 1,3 Prozent. Das private Gesamtvermögen, also die Summe aus Geld- und Sachvermögen, hatte laut Statista Ende 2020 bei rund 17 Billionen Euro gelegen.

Schere zwischen Arm und Reich wächst

Generell werden die Reichen offenbar immer reicher, während der Abstand zu den ärmeren Teilen der Bevölkerung immer größer wird. Das spiegelt sich auch in dem sogenannten „Gini-Index“ wider, einem statistischen Maß, das die Abweichung der Verteilung des verfügbaren Einkommens von einer vollkommen gleichen Verteilung darstellt. Ein Gini-Index von null bedeutet eine „absolute Gleichheit“ und 100 eine „absolute Ungleichheit“. In Deutschland lag dieser Wert 2021 laut Statista bei 30,9 – gegenüber 30,5 im Jahr zuvor und 29,7 anno 2019. Der niedrigste Gini-Index der vergangenen zehn Jahre sei 2012 gemessen worden. Damals lag der Wert der Ungleichheit noch bei 28,3.

Ein Zehntel besitzt über die Hälfte

Nach Berechnungen des Online-Portals Cryptomonday hatte der Gini-Index 2020 sogar bei 34,4 gelegen. Im selben Jahr hätten die wohlhabendsten 10 Prozent der Bevölkerung über 56,1 Prozent des Gesamtvermögens in Deutschland besessen. Die ärmere Hälfte der Menschen habe lediglich über 1,3 Prozent des Gesamtvermögens verfügen können. 14,5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland habe 2020 überhaupt kein Privatvermögen besessen, weitere 6,4 Prozent hätten sogar Schulden zu tilgen gehabt.



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