Wahlkreis 196: Bundesgrüne initiieren linke Einheitsfront gegen CDU-Politker Maaßen

Der Versuch, von Berlin aus eine linke Einheitsfront gegen den CDU-Bundestagskandidaten Hans-Georg Maaßen im Wahlkreis 196 zu bilden, stieß vor Ort teils auf Zustimmung und, teils auf Widerstand. Warum eine einzelne kleine Stimme aus einem von bundesweit 299 Wahlkreisen derart gefürchtet ist, bleibt indes unklar.
Titelbild
Michael Kellner, Parteisekretär der deutschen Grünen, posiert nach einer Pressekonferenz am 12. Juli 2021 in Berlin mit einem neuen Wahlplakat der Co-Vorsitzenden Annalena Baerbock für die Bundestagswahl 2021.Foto: Filip Singer - Pool/Getty Images
Von 16. September 2021

Warum auch immer einige politische Eliten dem südthüringischen Wahlkreis 196 eine enorme Bedeutung zumessen, es scheint nicht an dessen Größe zu liegen. Der Bundestagswahlkreis setzt sich aus der kreisfreien Stadt Suhl sowie den drei Landkreisen Schmalkalden-Meiningen, Hildburghausen und Sonneberg zusammen und hat etwas über 234.000 Wahlberechtigte.

In dem mittlerweile bundesweit bekannt gewordenen Wahlkreis 196 stehen insgesamt zwölf Kandidaten für die Direktwahl in den Deutschen Bundestag zur Verfügung – und nur einer kann das begehrte Mandat auf diesem Wege gewinnen.

Das wäre alles nichts Besonderes außerhalb dieses Wahlkreises und schon gar nicht von großer Bedeutung im bundesweiten Wahlgeschehen, wenn es sich bei einem der Kandidaten nicht um den ehemaligen Bundesverfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen handeln würde, der offenbar einigen ein Dorn im Auge ist.

Um den CDU-Politiker vom Einzug in den Bundestag abzuhalten, versuchen linke und grüne Aktivisten offenbar gemeinsame Sache zu machen, wie die „Welt“ berichtet. Sogar aus der Berliner Zentrale der Bundesgrünen soll eine entsprechende Direktive herausgegeben worden sein. Allerdings ging der Schuss wohl nach hinten los. Das Fazit der Zeitung: „Die Idee der linken Einheitsfront bewirkt inzwischen aber das Gegenteil: Zwietracht im rot-rot-grünen Milieu.“

Der Kellner-Plan

Maaßen hatte nach seiner 86-Prozent-Nominierung (37/43) durch die Wahlkreis-CDU in Südthüringen Ende April gesagt, dass er zum Abgrenzungsbeschluss der CDU stehe, der eine Zusammenarbeit mit der Linken und der AfD nicht zulasse.

„Ich möchte Menschen, die aus Protest AfD wählen, überzeugen, wieder die CDU zu wählen“, erklärte Maaßen seine Motive. Er stehe auch dafür, vor den Problemen, die Migration mit sich bringe, „nicht die Augen zu verschließen“, berichtete der MDR.

Auch der Thüringer CDU-Landeschef Christian Hirte, ehemals Ostbeauftragter der Bundesregierung, akzeptierte den demokratischen Wahlvorgang. „Ich gratuliere zur Nominierung im Wahlkreis 196. Ich erkenne an, dass Hans-Georg Maaßen die Mehrheit vor Ort von sich überzeugen konnte und respektiere das Votum der Delegierten“, so Hirte. Damit war der Weg für Maaßen als CDU-Direktkandidat im Wahlkreis 196 offen.

Laut Umfragen soll es mittlerweile ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Maaßen und seinem SPD-Mitbewerber, dem ehemaligen Biathleten Frank Ullrich, geben. Offenbar beunruhigte die aktuell enge Wahlkampfsituation im Wahlkreis 196 auch den in Thüringen gebürtigen Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer und Generalsekretär der Grünen in Berlin. Er schmiedete einen Plan, um den demokratischen Wahlprozess zugunsten vom SPD-Kandidaten zu beeinflussen.

Vergangene Woche rief Kellner trotz einer eigenen Grünen-Kandidatin, Stephanie Erben, im Wahlkreis die Wähler dazu auf, den lokalen SPD-Kandidaten Ullrich zu wählen. Auch forderte Kellner im Kampf gegen Maaßen die Kandidaten der Linkspartei und der lokalen Grünen im Wahlkreis 196 zur Unterstützung seines Planes auf. Nach Angaben des MDRs begründete Kellner seinen Aufruf gegenüber der Funke-Mediengruppe mit den Worten: „Ein Votum für ihn schützt die Demokratie und verhindert, dass eine nach rechtsaußen offene Stimme in den Bundestag einzieht.“

Stimmen aus Nr. 196

Die betroffene Grünen-Direktkandidatin Stephanie Erben hält sich nach der Order aus Berlin auf ihrer Internetseite mit einem Aufruf zur Erststimme zurück. Stattdessen schreibt sie: „Als grüne Direktkandidatin in Südthüringen kämpfe ich um jede Zweitstimme“ (für die Partei). Zur Zweitstimme schreibt sie: Sie sei sich sicher, dass die Wähler diese klug vergeben werden.

Grünen-Vorstandsmitglied Alexander Keiner äußerte nach einer Mitgliederversammlung des Regionalverbands Schmalkalden-Meiningen-Suhl Kritik am Vorgehen. Man empfinde das, was die Order der Bundespartei vorgibt, als „klare Einmischung“, über die man nach der Wahl reden müsse.

Auch aus Richtung der lokalen Linken murrt es. Helmut Hellmann, Geschäftsführer des Stadtverbandes der Linken in Suhl, schlug zur Verhinderung Maaßens vor, den Linken-Kandidaten Sandro Witt zu wählen. Witt hatte auch auf den Grünen-Aufruf reagiert, aber wütend.

Auf Twitter schrieb der Bundestagskandidat: „An alle, die sich hier von außerhalb in den #WK196 einmischen. Forderungen stellen. Mich beschimpfen. Mich auffordern, zur Wahl für einen absolut unpolitischen Mitbewerber aufzurufen, der Nazis zur Wahl gratuliert, ist nicht anstrengend, sondern auch Demokratie gefährdend.“

Die „Welt“ vermutet aufgrund von Witts Äußerung, dass dieser offenbar auch aus der eigenen Partei Hinweise bekommen habe, zugunsten Ullrichs zurückzustecken.

Die Thüringer Landes-AfD hingegen will sich nicht an derartigen Polit-Spielchen beteiligen. Sie sehe keinen Grund, zur Wahl eines anderen Kandidaten aufzurufen und werbe für die eigene Partei und den eigenen Kandidaten. Auch deren Kandidat im Wahlkreis 196, Jürgen Treutler aus Sonneberg, zeigte gegenüber der „Welt“ kein Interesse zur Unterstützung von Maaßen: „Das werde ich auf keinen Fall tun!“, sagte Treutler am Montag.

Und Ullrich selbst ist nicht nur Bundestagskandidat, sondern bleibt auch Sportler im Geiste. Er sagt: „Jeder sollte seine Erststimme nach seiner Überzeugung vergeben. Und entschieden wird das hier vor Ort.“



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