Wald statt Weizen – Aufforstungsprogramm verschlingt Ackerflächen

Wohnen, Erholung, Landwirtschaft. Die Möglichkeit, freie Flächen zu nutzen, ist vielfältig. Nicht immer wird sie vom Bedarf gesteuert, wie ein Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern zeigt.
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Wo früher Acker war, könnte schon bald ein Wald entstehen.Foto: iStock
Von 24. April 2022

Seit dem Ukraine-Krieg ist Mehl eher Mangelware in deutschen Regalen. Für deutsche Bauern ist das eine schwierige Situation, denn einerseits wollen sie die Ernährung des Volkes absichern, andererseits soll ein Teil der landwirtschaftlichen Flächen anderweitig genutzt werden, etwa für Aufforstung.

Das wurde einem Bauern in Mecklenburg-Vorpommern zum Verhängnis. Wie der „Nordkurier“ berichtete, wurde eine Ackerfläche von neun Hektar Größe, auf der ein Landwirt Weizen angesät hatte, im März 2022 umgebrochen und zur Aufforstung vorbereitet. Damit sind 70 Tonnen Weizen pfutsch, die man nach Einschätzung des betroffenen Landwirtes Stefan Wilisch hätte ernten können.

Bereits zum September 2021 war der Pachtvertrag der ertragreichen Fläche, die im Eigentum des Landes MV steht und bis dato von Wilisch bewirtschaftet wurde, gekündigt worden. Laut Unternehmen wurde „versehentlich“ von den Mitarbeitern trotzdem Weizen dort ausgebracht.

Für die Aufforstung seien eigentlich „minderwertige Böden grundsätzlich vorzuziehen“, hieß es aus dem Landwirtschaftsministerium. Bevorzugt würden auch Flächen, die aufgrund ihrer Lage schwieriger zu bewirtschaften sind. Derartige Flächen bot Landwirt Wilisch dem Ministerium an, aber erfolglos.

Doch sämtliche Versuche durch den Landwirtschaftsbetrieb, dem Land gleich große Tauschflächen anzubieten, scheiterten. Die Weizenfläche wurde umgebrochen.

Die landwirtschaftlich genutzte Fläche beträgt in Mecklenburg-Vorpommern rund 1,34 Millionen Hektar und hat sich im Vergleich zu den Vorjahren stetig verringert. 2016 waren es noch rund 1,35 Millionen Hektar, im Jahr 2000 sogar 1,36 Millionen Hektar. Zwischen 1995 und 2000 ist der Anteil der Landwirtschaftsfläche in MV laut Statistischem Landesamt um 0,4 Prozentpunkte, genauer gesagt um 8.140 Hektar gesunken, so der Bauernverband MV.

Begründet wurde dies in erster Linie mit Bebauungen für Wohnen, Verkehr, Handel, Dienstleistung und Erholung sowie der Ausweisung von Naturschutzgebieten.

Jährlich 1.000 ha Aufforstung in MV

Nach Aussage des Bauernverbandes MV will die Landesregierung den Wald jährlich um 1.000 Hektar vermehren, teilte Pressesprecherin Bettina Schipke auf Nachfrage von Epoch Times mit. Dazu sollen in den nächsten zehn Jahren rund 10.000 Hektar Landesflächen, die bislang an Landwirtschaftsbetriebe verpachtet sind, aufgeforstet werden – rund zehn Prozent aller Agrarflächen im Eigentum des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Aus Sicht des Bauernverbandes ist es mit Blick auf Klimawandel, Waldumbau und Biodiversität richtig und wichtig, die Waldfläche in Land zu mehren. „Allerdings gehen mit der Aufforstung rund 10.000 Hektar Ackerland für die Produktion von Nahrungsmitteln verloren“, heißt es weiter.

„Wir fordern das Land auf, durch Maßnahmen wie Flächentausch und Flurneuordnung oder der Koordinierung privater Initiativen diese ökonomischen Effekte zu minimieren“, sagte Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes MV.

Zudem können mit landwirtschaftlichen Konzepten ähnliche Effekte hinsichtlich Klimaschutz und Biodiversität erzielt werden, beispielsweise durch Kurzumtriebsplantagen – auch als Energiewald bezeichnet, also eine Fläche aus schnell wachsenden und ausschlagfähigen Gehölzen wie Weide und Pappel. Auch die Anpflanzung der Energiepflanze „Durchwachsene Silphie“ oder anderen Staudengewächsen zur Biogasnutzung komme in Betracht.

Photovoltaik und Stromgewinnung

Aber nicht nur Wald soll auf ehemaligen Ackerflächen wachsen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat auch beschlossen, dass 5.000 Hektar Acker, die weniger Erträge einbringen, für den Bau von Solarparks genutzt werden können. Für den Bauernverband MV ist klar: „Die Energieerzeugung darf nicht zulasten regionaler Lebensmittelproduktion gehen.“

Wichtigste Aufgabe der Landwirte sei die Produktion hochwertiger Lebensmittel, um so für Ernährungssicherheit zu sorgen. Gleichzeitig sieht der Verband natürlich den Bedarf und die Ansprüche, Flächen auch für andere Maßnahmen zu nutzen, und will sich dem „Energiehunger“ der Gesellschaft nicht verschließen. Daher lehne er nicht prinzipiell Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen ab.

Die Solarstromproduktion bietet auch eine Einkommensalternative oder -ergänzung für landwirtschaftliche Betriebe. Allerdings favorisiert der Bauernverband MV Photovoltaikanlagen auf Dachflächen, Industriebrachen und Konversionsflächen. Da gebe es ein enormes Potenzial.

„Soll tatsächlich Acker für Photovoltaik genutzt werden, [dann] sollten unbedingt ertragsschwache Flächen wie Trockenstandorte mit sehr leichten und sehr sandigen Böden gewählt werden“, fordert der Verband.

Rückbau zur Landwirtschaftsfläche

Gleichzeitig gibt es für die Zukunft Folgendes zu beachten: „Nach der Aufgabe der Photovoltaik-Nutzung muss die Fläche nicht nur wieder landwirtschaftlich bewirtschaftet werden, sondern auch ihren vorherigen Status erhalten“, heißt es vom Bauernverband MV.

Im Allgemeinen sei für Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen ein Konsens wichtig: „Landwirte, Flächeneigentümer und Gemeinden müssen sich hier einig sein.“ Bei der Bewirtschaftung dieser Flächen sollte außerdem die Beweidung durch Schafe als besonders umweltverträgliche und biodiversitätsfördernde Variante bevorzugt werden.

Prioritäten überprüfen

In Anbetracht der aktuellen Situation müssen aus Sicht der Landwirtschaftsbetriebe ganz klar die Prioritäten geprüft werden. Die Landwirte stünden vor einer großen Herausforderung, Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg hätten zu Erschütterungen der Agrarmärkte geführt. „Die Kosten für Betriebsmittel wie Energie, Kraftstoff, Futtermittel und Düngemittel sind extrem angestiegen und können selbst von den aktuell guten Marktpreisen nicht aufgefangen werden“, so der Bauernverband MV.

Hinzu kämen noch die laufenden Verhandlungen zur EU-Agrarpolitik nach 2023. „Vor diesem Hintergrund formulier[en] die Politik und Gesellschaft immer höhere Erwartungen bei Tierwohl und Nachhaltigkeit.“ Gleichzeitig stagniere das Einkommen der Landwirte auf einem im gesellschaftlichen Vergleich niedrigen Niveau – und das schon seit Jahren.

Der Deutsche Bauernverband fordert von den Agrarministern der Länder und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, kurz- und langfristige Maßnahmen zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung sowie zur Kostendämpfung auf den Weg zu bringen.



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