Warum die Pflege des Waldes wichtiger ist, als sich auf der Straße festzukleben

Das „Bergwaldprojekt“ beschäftigt sich seit 35 Jahren mit dem Umbau der Wälder. Naturschützer kritisieren Aktionen der „Letzten Generation“.
Titelbild
Moorlandschaft im Sumpfgebiet Pietzmoor, am Südrand des Naturschutzgebietes Lüneburger Heide.Foto: iStock/utamaria
Von 28. Dezember 2022


Sie leimen sich auf Straßen und Gehwegen oder auch schon mal an einem Orchesterpult der Elbphilharmonie fest. Sie beschädigen Kunstwerke, blockieren mit ihren Aktionen Rettungsdienste und werden auf dem Firmengelände eines Autoherstellers „vergessen“.

Die Rede ist von den Mitgliedern der Gruppierung „Letzte Generation“, auch bekannt geworden unter dem Namen „Klimakleber“.

Die Mitglieder wollen mit ihren Aktionen das Bewusstsein für den Klimawandel und das drohende Ende der Menschheit schärfen. Hingegen ernten sie viel Spott im Netz, es kursieren mittlerweile Unmengen an Cartoons, die die Aktivitäten parodieren. Vereinzelt mussten sich Aktivisten auch vor Gericht verantworten und wurden zu Geldbußen verurteilt.

5.500 Helfer sind 183 Wochen im Einsatz

Wie hingegen konstruktiver Klimaschutz aussehen kann, zeigt das „Bergwaldprojekt“, über das der „Focus“ berichtete. Vor 35 Jahren gründete eine kleine Gruppe Umweltschützer eine Initiative, die sich dem ökologischen Waldumbau verschrieben hatte.

Längst hat sich die einst kleine Gruppierung zu einem bedeutenden Naturschutzverein gemausert. In der Schweiz im Jahr 1987 gegründet, kam der deutsche Ableger im Jahr 1993 hinzu.

In jenem Jahr zählten die Initiatoren 26 Einsatzwochen an 14 Orten. Im Jahr 2023 sollen 5.500 freiwillige Helfer an 83 Orten in allen Bundesländern insgesamt 183 Einsatzwochen absolvieren.

Über 600.000 Baumpflanzungen jährlich

Mittlerweile steht das Projekt für weit mehr als bis zu 600.000 Baumpflanzungen pro Jahr in staatlichen Wäldern. Wer sich in seiner Freizeit für den Verein engagiert und Arbeitskraft spendet, hilft auch dabei, Moore wiederzuvernässen und wertvolle Offenlandbiotope zu pflegen.

„Wir versuchen, alle Schichten zu erreichen“, sagt Sprecher Peter Naumann über die Helfer. Denn das wichtigste Anliegen sei neben dem Erhalt der Ökosysteme, „was in den Köpfen passiert“.

Obwohl die Aktivitäten langfristig dem Klima helfen sollen, spielt das Einsparen von CO₂ eher eine untergeordnete Rolle. So verzichten die Mitglieder des Bergwaldprojekts darauf, zu berechnen, wie viel CO₂ die Baumpflanzungen speichern.

Millionen Bäume könnten den Klimawandel nicht aufhalten, meint Naumann: „Erst nach 40 bis 60 Jahren ist eine Nettokompensation erreicht.“ Erzählungen von kurzfristigen Effekten funktionierten nicht. Denn bis sich die notwendige Humus-Schicht aufgebaut habe, vergingen 25 bis 28 Jahre.

Regenlose Zeit macht Bäume anfälliger

Das „Niederschlagsraster“ habe sich in den vergangenen drei Jahren verändert, hat Naumann beobachtet. Die Auswirkungen des Klimawandels seien auch in deutschen Wäldern deutlich zu beobachten. Überall zeige sich, dass bei bis zu sieben Wochen ohne Regen und Vorwurzelschäden die Bäume anfälliger für Schädlinge seien.

Borkenkäfer, Trockenheit und Stürme hätten bereits 600 Hektar Wald gekostet. Das entspreche fünf Prozent der Gesamtfläche. Allein wegen dieser akuten Bedrohung spiele der CO₂-Aspekt für das Bergwaldprojekt eine geringe Rolle. „Das Ziel ist der Erosions- und Diversitätsschutz“, betont Naumann.

Er ist auch davon überzeugt, dass der Mensch seine Lebensweise ändern müsse, sonst zahle er den Preis dafür. „Wir gehen starr auf zwei Grad zu, die 1,5 Grad haben wir schon gerissen“, sagt er mit Blick auf das Ziel der UN-Klimakonferenz, die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 um nicht mehr als 1,5 Grad ansteigen zu lassen.

Und Naumann blickt sorgenvoll auf die kommenden 20 Jahre: „Wenn wir drei Grad erreichen, bekommen wir massive Probleme in Wäldern.“

Keine intakten Moore mehr vorhanden

Eine wesentlich wichtigere Rolle als die Wälder spielten bei der Speicherung von CO₂ die Moore. Von denen seien in Deutschland aber nur noch zwei Prozent übrig. Und auch sie seien ökologisch nicht mehr intakt.

„Das hat wahnsinnige Ausgasungen an CO₂, Methan und Lachgas zur Folge“, sagt Naumann. Deshalb kümmere sich das Bergwaldprojekt um deren Wiedervernässung. Doch auch deren Erholung brauche Zeit, betont er. Langfristig komme es aber der Biodiversität, dem Wasser-Management und dem Klima zugute.

Kritisch sieht Naumann die Aktivitäten der „Letzen Generation“. Den Ansatz, sich auf die Straße zu kleben, könne er zwar nachvollziehen, sagt Naumann. Mehr bewirken lasse sich jedoch mit Taten und Veränderungen im eigenen Leben.



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