„Die Partei, die Partei, die hat immer recht“ – ein Einblick in die Methoden der Stasi

Nicht nur in Chemnitz lernten die Menschen im Laufe ihres Lebens, hinter die Propaganda der Regierenden zu schauen und zwischen den Zeilen zu lesen. Die Stasi und das Leben in der DDR waren eine harte Schule.
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Spionage.Foto: iStock
Von 7. September 2018

In den neuen Bundesländern glauben nur 29 Prozent der Menschen den Medien und nur 33 Prozent der Bundesregierung. Selbst den Gerichten vertrauen im Osten nur 50 Prozent der Menschen. Wie kam es dazu? Mit dieser zweiteiligen Serie nähern wir uns diesem aktuellen Problem an.

Im ersten Teil geht es um die Methoden und die Stasi innerhalb der DDR – im noch folgenden zweiten Teil um ihren Einfluss im Westen, wo etwa 200 verschiedene Diensteinheiten ständig mit eigenen Netzwerken von Mitarbeitern von der DDR aus agierten.

In der DDR hieß es in einem Lied: „Die Partei, die Partei, die hat immer recht“. Wie setzte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die regierende SED, dies durch? Eine Parole dafür gab der 1. Staatsratsvorsitzende der DDR, Walter Ulbricht, an (Quelle: „Was war die Stasi?…“, S. 18):

Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.”

Der „sozialistische Wegweiser“

1950 übergab die sowjetische Geheimpolizei ihr zentrales Untersuchungsgefängnis in Berlin an das „Ministerium für Staatssicherheit“ (MfS), meist nur Stasi genannt. Die Stasi definierte sich selbst als „Schild und Schwert der SED”, sie agierte mit allen verfügbaren Mitteln gegen alle vermeintlichen Feinde im Inneren der DDR – aber auch außerhalb. Die Methoden der Deutschen unterschieden sich nur wenig von denen der Besatzer, man könnte von stalinistischem Terror und Folter sprechen.

Bis zur Mitte der Siebzigerjahre änderte sich daran nur wenig: „Der ‚sozialistische Wegweiser‘, wie der Gummiknüppel von den DDR-Häftlingen genannt wurde, kam zum Einsatz, wann immer man es für notwendig hielt. Bespitzelte Bürger wurden verhaftet, wenn die Staatssicherheit sie für schuldig hielt.“ (ebenda, S. 16)

Die Stasi war kein gewöhnlicher Geheimdienst, sondern eine Geheimpolizei mit eigenen Untersuchungshaftanstalten, eigenem Ermittlungsapparat, mit Vollzugsanstalten und ihr zuarbeitenden Richtern und Staatsanwälten. Hauptaufgabe der Stasi war die Machtsicherung und -erhaltung der SED. Sie war eine politische Geheimpolizei als Terror-Instrument einer totalitären Diktatur. (Quelle: Siegfried Reiprich, „Eroberung und Konsolidierung der Macht – zwei Phasen in der Geschichte der Stasi“, S. 15. Online: http://www.kas.de/wf/doc/kas_17246-544-1-30.pdf)

Bei der Aufarbeitung der Unterlagen. Um 1989 versuchte das Ministerium für Staatssicherheit, einige ihrer Akten über eine Million Vorgänge zu zerstören – auch, um ihre Informellen Mitarbeiter (IM) zu schützen. Foto: Sean Gallup/Getty Images

Ab nach Sibirien

Am 17. Juni 1953 gingen bei Massenprotesten der Arbeiter über eine Million Menschen auf die Straße und russische Panzer fuhren auf, 25.000 sowjetische Soldaten übernahmen Berlin, das Regierungsviertel wurde abgeriegelt und der Ausnahmezustand verhängt.

Es gab über 100 Tote (die Zahl ist umstritten, manche sprechen von bis zu 260 Toten unter den Demonstranten), 19.000 Menschen wurden verhaftet. Anschließend wurden schätzungsweise über 1.600 Menschen verurteilt – wenn jemand durch ein sowjetisches Militärtribunal verurteilt wurde, gab es häufig langjährige Verurteilungen zu Zwangsarbeit in sowjetischen Straflagern, beispielsweise in Workuta,

Am 13. August 1961 ließ die SED die Berliner Mauer bauen und schloss die „Grüne Grenze“ rund um Berlin nach Brandenburg und mittendurch zwischen Westsektoren und dem Ostsektor. Außerdem nach Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Auslöser war ein wachsender Strom von Füchtlingen von Ost nach West. Beabsichtigt war die totale auch informelle Abschottung.

Neue Strategie: Zersetzung, Zurückdrängung, Verunsicherung, Zerschlagung feindlich-negativer Gruppen

Auf der Konferenz von Helsinki 1975 verpflichteten sich die Sowjetunion und die Länder des sozialistischen Blocks (Polen, Ungarn, Tschechien, Slovakei, Rumänien, Bulgarien etc.), auch künftig die Menschenrechte zu beachten. Fortan änderte die Stasi ihre Politik mit der „Richtlinie 1/76“.

Die neue Strategie war eine der „Zersetzung”, „Zurückdrängung”, „Verunsicherung”, „Zerschlagung feindlich-negativer Personenzusammenschlüsse”, man sprach deutlich von „Intrigen, Hinterlist, Falschheit und Verlogenheit”. Mittels „Zersetzung” wollte man jedes menschliche Vertrauen zerstören, Neid und Missgunst schüren, Angst und Misstrauen herstellen.

Nur wenige wurden offen verhaftet, aber alle sollten Angst haben

Ein Beispiel (Siegfried Reiprich, „Eroberung und Konsolidierung der Macht – zwei Phasen in der Geschichte der Stasi“, S. 19):

„Ein paar junge Leute werden verdächtigt, verbotene Literatur oder Schallplatten von unerwünschten Künstlern einzuschmuggeln, sie wollen sich zu Ostern in der Tschechoslowakei mit Freunden aus dem Westen treffen. Man wendet das uralte Prinzip ‚teile und herrsche‘ an. Die einen müssen ihren Personalausweis abgeben und bekommen einen diskriminierenden ‚Ersatzausweis PM12‘. Sie können nicht fahren. Die anderen lässt man in Ruhe, obwohl sie vielleicht als noch gefährlicher eingestuft werden. Woraufhin die erste Gruppe misstrauisch wird – ist mein Kumpel vielleicht ein Spitzel geworden? … Gleichzeitig sorgt die Stasi dafür, dass die Glücklichen, die fahren dürfen, von den Grenzpolizisten besonders gründlich gefilzt werden. Vielleicht findet man was bei der Leibesvisitation …“

Die Stasi setzte zur Angsterzeugung und „Zersetzung“ nicht nur Verhaftungen und geheimen Terror ein, sondern auch sogenannte „weiche“ Formen der Verfolgung und Maßnahmen. Gleichzeitig experimentierte sie auch mit dem „neuesten Stand der Technik“ – mit Gift und Radioaktivität („Projektgruppe Strahlen“, TOXDAT-Studie, www.welt.de und www.scribd.com).

Ein Blick in die „Schätze“ der Stasi-Untersuchungsbehörde. Im Jahr 2012 wurden sie in einem alten Warenhaus von Magdeburg aufbewahrt. Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut wird eine Software entwickelt, um die Dokumente zügiger wieder zusammenzupuzzlen. Foto: Sean Gallup/Getty Images

Einige der „weichen Formen“ der Angsterzeugung waren damals:

Diese Sammlung wurde erstellt von Hubertus Knabe, „Zersetzungsmassnahmen“, in: „Was war die Stasi? Einblicke in das Ministerium für Staatssicherheit der DDR“, Karsten Dümmel / Melanie Piepenschneider (Hrsg.), 2014, Konrad-Adenauer-Stiftung, online, S. 30 ff.

  • systematische, teilweise auch demonstrative Überwachung und Bespitzelung, Abhörmaßnahmen und totale Postkontrolle,
  • bewusstes Gewähren von Vergünstigungen wie West-Reisen, Urlaubsplätzen, Auszeichnungen, Möglichkeiten des beruflichen Aufstieg,
  • Zuteilung einer großzügigen Wohnung etc. – die so Begünstigten wurden fortan verdächtigt, mit dem Staat zusammenzuarbeiten
  • systematisches Verbot und Unterbindung von Kontakten, Ein- oder Ausreiseverbote,
  • Zurückhaltung oder Beschlagnahme von Postsendungen, Störung von Telefongesprächen
  • bewusste Erzeugung von beruflichen, politischen und persönlichen Misserfolgen, um die Betroffenen zu verunsichern, zu entmutigen und ihr Selbstvertrauen zu untergraben
  • gezielte Zerstörung von der SED-nicht gefallenden Überzeugungen und Aktivitäten durch massive Einsätze von Inoffiziellen Mitarbeitern, Demontage von Vorbildern, Entpolitisierung
  • Verhinderung von gemeinsamen Stellungnahmen, Bindung durch andere Arbeiten
  • gezielte Förderung und Eskalierung von Konflikten aller Art, von Misstrauen – um Gruppen zu spalten, unerwünschte Aktivitäten einzuschränken, eine Tendenz zur Beschäftigung „mit sich selbst” auszulösen, Lähmungen oder Resignation zu verursachen
  • gezieltes Ausstreuen von Gerüchten zur Isolierung und Kompromittierung der Menschen durch Unterstellungen wie „berufliches Versagen, Homosexualität, ‚unmoralische‘ Lebensweise, pornografische Interessen, Ehebruch, Geldgier, Alkoholismus, kriminelle Handlungen, Charakterschwächen, Kontakte zu rechtsextremen Kreisen, ‚unsaubere‘ Vergangenheit, Verbindungen zu westlichen Geheimdiensten oder – bezeichnend genug und besonders häufig – Spitzeltätigkeit für das MfS“
  • Psychoterror wie „anonyme oder pseudonyme Briefe, regelmäßige (nächtliche) Telefonanrufe, Drohungen und Beschimpfungen
  • Zerstörung von Liebes- oder Familienbeziehungen durch Organisierung von Misstrauen, Konflikten und Entfremdung, Vortäuschen außerehelicher Verhältnisse
  • massenhafte Aufgabe fiktiver, z.T. diskreditierender Annoncen und Bestellungen,
  • „Erzeugung hysterischer und anderer depressiver Verhaltensweisen bei Personen, die psychisch relativ leicht zu beeinflussen sind“
  • Disziplinierung durch Maßnahmen wie Vorladungen durch Vorgesetzte, Schulen, SED-Gremien, der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ), Aussprachen mit den Behörden,
  • negative Sanktionen im Bildungsbereich, im Beruf oder bei Reisen (Nichtzulassung zu Schulen und Studium, Exmatrikulation
  • Verhinderung des beruflichen Aufstiegs, Publikationsverbot, Berufsverbot, Ablehnung von Reiseanträgen
  • Einberufung zum Wehrdienst oder zu Übungen als Reservist, Parteiausschluss, Ausschluss aus Massenorganisationen
  • Disziplinierung durch Maßnahmen wie Ermittlungen durch die Polizei oder das MfS, Hausdurchsuchungen, Vernehmungen, Beschlagnahmungen,
  • Arbeitsplatzbindung, Entzug des Fahrzeugs, Zuweisung weit entfernter Arbeitsplätze, Verhängung von Ordnungsstrafen, Ausstellung eines behelfsmäßigen Personalausweises (PM 12)
  • angedrohter und manchmal durchgesetzter Entzug des Erziehungsrechtes für die eigenen Kinder
  • Kriminalisierung der Menschen wegen unpolitischer Dinge wie Zoll- oder Steuervergehen, „asoziales Verhalten“, Verführung Minderjähriger etc.
  • Einschüchterung oder auch gezielte Ausschaltung durch vorsätzliche Beschädigungen am Fahrzeug
  • Inszenierung krimineller Handlungen wie Raub, Einbrüchen oder Überfällen,
  • falsche ärztliche Behandlung, körperliche Gewalt, Vergiftung von Lebensmitteln,
  • Förderung der Bereitschaft zum Suizid.

Die Menschen in Ostdeutschland durchschauten diese Methoden zu Zeiten der DDR ebenfalls nur teilweise. Viele waren entsetzt, als sie im Nachhinein erfuhren, was die Stasi ihnen angetan hatte. Manchem wurde nun klar, warum er beruflich nicht vorwärtsgekommen war oder wieso er im Krankenhaus erst so richtig krank wurde – statt gesund.

Berlin, Bernauer Straße – so sah es jahrelang an der Grenze von Ost- und Westberlin aus. Zwischen 500 und 700 Menschen starben an der innerdeutschen Grenze. Foto: Sean Gallup/Getty Images

Geplante Isolierungslager für Tausende Menschen für den „Tag X“

Im Juli 1967 erließ der Stasi-Minister Erich Mielke eine Direktive zum „Tag X“. Als späte Reaktion auf den Aufstand vom 17. Juni 1953 wurden Isolierungslager für tausende Menschen geplant und vorbereitet. Die im „Vorbeugekomplex” geplanten Isolierungslager wurden durch hunderte Mitarbeiter „tagfertig“ vorbereitet. (Informationen und Zitate aus: Thomas Auerbach, „Geplante Isolierungslager der Stasi“, in: „Was war die Stasi? Einblicke in das Ministerium für Staatssicherheit der DDR“, online, S. 45 ff)

Bis zum Ende der DDR lagen in den Panzerschränken der Stasi-Kreisdienststellen versiegelte Briefumschläge mit der Aufschrift „KZ 4.1.3“ – und akribisch ausgearbeiteten Unterlagen bezüglich der Menschen, die abgeholt werden sollten. Die letzte Befehlsgewalt lag ab 1971 beim Staatsvorsitzenden Erich Honecker.

Im Ernstfall sollten in der DDR insgesamt 35 Internierungslager mit einer Kapazität von 21.000 Personen und einer Maximalkapazität von 26.000 Personen eingerichtet werden.“

„Von der Internierung stets zu unterscheiden sind die im Vorbeugekomplex geplanten Isolierungsmaßnahmen. Letztere richteten sich ausschließlich gegen die eigene Bevölkerung, gegen Bürger, die dem SED-Regime – aus welchen Gründen auch immer – missliebig aufgefallen waren und deshalb im Ernstfall ausgeschaltet werden sollten. Mit Stand vom Dezember 1988 hatte die Stasi 85.939 Personen im Vorbeugekomplex erfasst …“ (ebenda, S. 46)

Dabei wurden die „Grundsätze zur Vorbereitung und Durchführung der Isolierung“ akribisch deutsch festgeschrieben: „Die Lager sollten z. B.‚ mindestens 60 km von der Staatsgrenze zur BRD entfernt‘ – außerhalb geschlossener Ortschaften, ‚aber in vertretbarer Entfernung zum Arbeitseinsatzbetrieb‘ liegen. Im Klartext: Die Isolierungslager sollten, wenn möglich, als Zwangsarbeitslager dienen.“ (ebenda, S. 49)

Mancher mag sagen, dass es diese Lager nicht gegeben hätte – eine unserer Epoch Times Redakteurinnen wurde nach dem Mauerfall zu einem dieser tief im Wald gelegenen Lager geführt und sah den bereits vorhanden Bau in Brandenburg mit eigenen Augen.

Die geplanten Massenverhaftungen fanden im Oktober 1989 letztendlich nicht statt und die geplanten Lager wurden nicht gefüllt. Doch allein die Planungen und Ausführungen des SED-Regimes zeigen den Kampf – und die Angst – vor dem eigenen Volk.

Wie viele Menschen arbeiteten für die Stasi?

Es wird geschätzt, dass 1989 rund 280.000 Menschen für die Stasi tätig waren, davon sind bisher 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter und 189.000 sogenannte „Inoffizielle Mitarbeiter“, die zum größten Teil im Inland tätig waren, nachgewiesen wurden (Quelle: Online, S. 69). Mitarbeiter, die im nicht sozialistischen Ausland tätig waren, wurden offiziell „Kundschafter des Friedens“ genannt.

In jeder Schule fand ab der 7. Klasse die Lenkung der Schüler in mögliche Berufe statt (die Berufswahl war nicht unbedingt als frei zu bezeichnen). Zu diesem Zeitpunkt geschah auch die Vorauswahl geeigneter Jugendlicher für die Stasi. Eine Bedingung dabei war, dass diese keine Westverwandtschaft hatten.

Geht man davon aus, dass zwei Drittel (ca. 184.800) der Stasi-Mitarbeiter innerhalb der DDR agierten, waren bei 16,4 Millionen Einwohnern, die die DDR 1989 hatte, etwa 1,13 Prozent der Bevölkerung für diese tätig – anders gesagt, etwa jeder 90ste im Alter zwischen 0 und 90 Jahren.

Die meisten Stasi-Mitarbeiter waren jedoch Männer im Alter zwischen 25 und 40, der Frauenanteil lag etwa bei 16 bis 19 Prozent. Weiterhin wird von 12.000 bis 17.200 Kinder und Jugendlichen unter einem Alter von 21 Jahren gesprochen, die für das MfS arbeiteten.

Bezogen auf die Zahl von 8,55 Millionen Berufstätigen der DDR 1989 wäre im Inland jeder 46ste von ihnen für die Stasi tätig gewesen.

Neben den Inoffiziellen Mitarbeitern gab es auch Gesellschaftliche Mitarbeiter und Offiziere im Besonderen Dienst.

Gesellschaftliche Mitarbeiter (GMS) wurden im Januar 1968 mit der Richtlinie 1/68 eingeführt und im „Wörterbuch der Staatssicherheit“ von 1985 wie folgt definiert: „Bürger der DDR mit einer auch in der Öffentlichkeit bekannten staatsbewussten Einstellung und Haltung, der sich für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem MfS bereiterklärt und entsprechend seinen Möglichkeiten und Voraussetzungen an der Lösung unterschiedlicher politisch-operativer Aufgaben mitarbeitet. GMS stellen eine wertvolle Ergänzung der operativen Basis, ein Reservoir für die Gewinnung von IM sowie für die Schaffung und Entwicklung von Kadern für das MfS dar.“ (Quelle). Bis 1980 waren GMS-Vorgänge nicht registrierpflichtig.

Beim Zusammensetzen von Dokumenten der Stasi per Hand konnten immerhin schon 280.000 Mitarbeiter der Stasi nachgewiesen werden. Foto: Sean Gallup/Getty Images

Offiziere im besonderen Dienst

Neben den Inoffiziellen Mitarbeitern und den Gesellschaftlichen Mitarbeitern (GMS) für Sicherheit gab es noch eine weitere Art verdeckte Mitarbeiter, die Offiziere im besonderen Einsatz, abgekürzt OibE. Sie wurden in Schlüsselpositionen des Staatsapparates, der Wirtschaft, der Universitäten, der Kirche und anderer gesellschaftlicher Bereiche eingeschleust, ohne dass sie dort als Angestellte des MfS in Erscheinung traten. Sie mussten absolut loyal sein und erhielten eine passende neue Identität.

Im Jahr 1990 wurden insgesamt 3.030 OibE ermittelt. Hier eine alphabetische Liste von OibE: Liste-OIBE-Buchstaben-A-O zum Weiterforschen. Die Buchstaben P bis Z hat die Redaktion nur hier gefunden (Erklärungen zur Legende: Ackermann, Frank … DE bedeutet Diensteinheiten-Schlüssel 96 15 00 = Zentralbereich Hauptverwaltung A – Auswärtige Aufklärung, Die 9 als Anfang des DE besagt IMMER tätig direkt im Ministerium für Staatssicherheit Berlin. Die Zahl 4288/81 bedeutet die Registriernummer/Jahr des Eintritts des OibE. 1092 bezieht sich auf die alte DDR-Postleitzahl.)

Details zu Kanzlerin Merkel – „IM Erika“

Verschiedene Personen und Autoren befassten sich mit der Vergangenheit der heutigen Kanzlerin, die in der DDR aufwuchs und einen eher DDR-untypischen Lebenslauf aufweist. Sie steht im Verdacht, als informelle Mitarbeiterin „IM Erika“ bei der Stasi mitgearbeitet zu haben. Angela Merkel lehnt nach wie vor die Einsicht der Öffentlichkeit in ihre Stasi-Akte ab. Thierry Meyssan (Schweiz) fasst zusammen:

Angela Merkel wurde 1954 in Hamburg geboren, kurz nach ihrer Geburt übersiedelte die Familie – was höchst ungewöhnlich zu dieser Zeit war – nach Ostdeutschland. Ihr Vater war Pfarrer in einer lutheranischen Kirche und genoss viele Privilegien, er hatte unter anderem zwei Autos und reiste oft in den Westen. Pfarrer wurden normalerweise eher drangsaliert.

Jeder DDR-Bürger weiß, dass man als Pastorentochter erhebliche Einschränkungen im Alltag hinnehmen musste – nicht jedoch in dieser Familie. Angela Merkel studierte (ein Studium war nur bei passender Gesinnung möglich) und wurde bei der Jugendorganisation FDJ-Sekretärin der Abteilung für Agitation und Propaganda. Sie reiste oft aus politischen und beruflichen Gründen in die Sowjetunion.

Selbst eine Reise in die Sowjetunion war zu DDR-Zeiten nur für besonders linientreue Menschen möglich – oder für Jugendliche, bei denen der Staat Potenzial sah oder mit denen er etwas vorhatte. Sie war nach dem Physikstudium als Wissenschaftlerin an der Akademie der Wissenschaften in Berlin (Ost) tätig.

Einen Monat nach dem Mauerfall im November 1989 wechselte sie die Seiten und schloss sich dem „Demokratischen Aufbruch“ an, der durch westdeutsche Demokraten inspiriert war. Ihr Arbeitsfeld blieb gleich, der Beruf lautet nun „Pressesprecherin“. Als bekannt wurde, dass der Vorsitzende des Demokratischen Aufbruchs, Wolfgang Schnur, ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter war, teilte sie diese Nachricht der Presse mit – und wurde an seiner Stelle Vorsitzende der Bewegung.

Sie trat nach den letzten Wahlen der DDR in die Regierung Lothar de Maizière ein und wurde deren Sprecherin. Die Familie de Maizière ist eine politische Dynastie in Deutschland, sie dienten Hitler, der DDR, der BRD; Clemens de Maizière, der DDR-Onkel von Thomas de Maizière, war IM der Stasi. Gleichzeitig war Angela Merkel aktiv an den 2+4-Verhandlungen und den Verhandlungen zur Wiedervereinigung beteiligt.

Ganz wie Wolfgang Schäuble und Helmut Kohl es forcierten, plädierte sie für einen sofortigen Eintritt der DDR in die D-Mark-Zone und die Marktwirtschaft. Nachdem der „Demokratische Aufbruch“, der anfangs sozialistische Positionen verfolgte, in die CDU eingegliedert wurde, wurde sie in die Regierung von Helmut Kohl gewählt.

Zeitlich gesehen vergingen 14 Monate zwischen ihrer Tätigkeit als Verantwortliche für kommunistische Propaganda bei der DDR-Jugend zur christdemokratischen Ministerin für Jugend in der Bundesrepublik. Neun Jahre später wurde Angela Merkel Parteivorsitzende der CDU und 2005 Kanzlerin.

Im Berliner Tränenpalast, Ausstellung am 15. September 2011 zur innerdeutschen Grenze. Foto: Sean Gallup/Getty Images

 

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