Wasserstoff statt Erdgas: Speicher vor neuen Aufgaben

Strom aus Wind und Sonne und damit hergestellter Wasserstoff sollen die tragenden Säulen im Energiesystem der Zukunft sein. Doch wie und wo kann man den Wasserstoff speichern?
Hinweisschild in Sachsen-Anhalt.
Hinweisschild in Sachsen-Anhalt.Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa
Epoch Times22. Mai 2023

Hoffnungsträger Wasserstoff: Künftig soll das leichteste Element eine Schlüsselrolle spielen. CO₂-frei erzeugt, kann es etwa bei Wind- und Sonnenlichtmangel in neuen Gaskraftwerken Strom erzeugen. In Stahlwerken soll es anstatt Kohle dem Eisenerz den Sauerstoff entziehen. Haupt-Abfallprodukt ist H₂O, also Wasser. Es werden große Mengen Wasserstoff gebraucht. Damit immer genug da ist, muss er zwischengespeichert werden. Doch wo? Eignen sich dafür die bisherigen Erdgasspeicher, von denen Deutschland eine ganze Menge hat?

Ja, aber wohl nicht alle. Zu diesem Schluss kommt eine im vergangenen Sommer veröffentlichte Studie von Verbänden der Energiewirtschaft. Demnach sind Kavernenspeicher mit ihren großen Hohlräumen „besonders gut geeignet“, erklärte damals Ingo Forstner, Leiter Speicher & Geothermie beim Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG). Beim anderen Speichertyp, den Porenspeichern, müsse die Eignung im Einzelfall geprüft werden. Die Studie nimmt an, dass nur vier von sechzehn Porenspeichern für die Wasserstoff-Speicherung genutzt werden können.

Verband: 23 Pilotprojekte bekannt

Bei den Betreibern der Erdgasspeicher ist die Wasserstoff-Speicherung ein großes Thema. Dem Branchenverband Ines sind 23 Pilotprojekte bekannt: „Sie befinden sich meist in einem frühen Projektstadium ohne finale Investitionsentscheidung und fassen deutlich kleinere Volumen als für kommerzielle Gasspeicher üblich“, sagt der Geschäftsführer der Initiative Energien Speichern (Ines), Sebastian Bleschke.

Eines der am weitesten fortgeschritten Pilotprojekte entsteht im brandenburgischen Rüdersdorf bei Berlin unter dem Namen HyCAVmobil. Betreiber ist der Energiekonzern EWE. Auf einem Gelände, auf dem EWE bereits zwei Erdgasspeicher hat, wurde bis Anfang März drei Monate lang in einem unterirdischen Salzstock in 1.000 Metern Tiefe ein etwa hausgroßer Hohlraum ausgespült, rund 500 Kubikmeter groß. Mittlerweile wird übertage Technik installiert. Ab dem Spätsommer will EWE den ersten Wasserstoff einfüllen und den Testbetrieb starten.

Ein Fokus liegt dabei auf der Qualität des Wasserstoffs nach dem Ausspeichern: Nahezu 100 Prozent Reinheit ist laut EWE vor allem für Anwendungen im Mobilitätsbereich wichtig. Die Erkenntnisse aus dem Betrieb der kleinen Kaverne will EWE auf große Kavernen mit 1.000-fachem Volumen übertragen.

Auch Deutschlands größter Speicherbetreiber Uniper arbeitet an einer Pilotanlage. Sie soll im niedersächsischen Krummhörn entstehen und 1.000 Kubikmeter groß werden. Laut Uniper läuft dort noch das Genehmigungsverfahren. „Die Errichtung dieser Kaverne ist im Laufe dieses Jahres vorgesehen. Wir wollen Ende des Jahres/Anfang nächsten Jahres mit der ersten Befüllung mit Wasserstoff beginnen“, sagte jüngst Matthias Schnadwinkel, Projektmanager bei Uniper Energy Storage bei einer Veranstaltung des Branchenverbandes Zukunft Gas. Auch Uniper will seine Erfahrungen später auf große Speicher übertragen.

Große Kavernen von Beginn kommerziell nutzen

Am Speicherstandort Bierwang im bayerischen Unterreit will Uniper zusammen mit mehreren Unternehmen die Eignung von Porenspeichern näher untersuchen. Ab Juni sollen in drei Phasen unterschiedliche Methan-Wasserstoff-Gasgemische in eine ehemalige Erdgaslagerstätte eingespeichert und nach einer gewissen Zeit wieder ausgespeichert werden. HyStorage ist der Name des Forschungsprojekts.

Der Energiekonzern RWE will von Anfang an große Kavernen kommerziell nutzen. Dazu sollen im nordrhein-westfälischen Gronau-Epe bis Ende 2026 ein bestehender Erdgas-Kavernenspeicher sowie eine bereits ausgesolte Kaverne fit gemacht werden für Wasserstoff. Das von Kunden nutzbare Speichervolumen soll bei 28 Millionen Kubikmetern Wasserstoff liegen. Der kommerzielle Betrieb sei frühestens 2027 möglich, sagt RWE-Sprecher Olaf Winter. In einer zweiten Baustufe könnte die Kapazität später dann weiter erhöht werden.

„Die Entwicklung unseres Wasserstoffspeichers in Gronau-Epe ist nur ein erster Schritt, dem viele weitere folgen müssen“, sagt Sopna Sury, RWE-Wasserstoff-Vorständin, auf dpa-Anfrage. „Eine Rund-um-die-Uhr-Belieferung industrieller Abnehmer mit grünem Wasserstoff ist nur mit ausreichend großen Speicherkapazitäten möglich.“

Mehr als Verdoppelung der Speicherpotenziale nötig

Doch was heißt „ausreichend groß“? Der Speicherverband Ines verweist auf Langfristszenarien des Bundeswirtschaftsministeriums. Sie gehen davon aus, dass zur Umsetzung der Energiewende im Zieljahr 2045 Wasserstoffspeicher mit einer Kapazität von 72 bis 74 Terawattstunden gebraucht werden. „Unsere Studien haben ergeben, dass aus dem heutigen Bestand an Gasspeichern eine Wasserstoffspeicherkapazität in Höhe von 32 Terawattstunden bereitgestellt werden kann“, sagt Ines-Geschäftsführer Bleschke. „Zur Herstellung dieser Kapazität wäre die Umstellung eines Großteils der heutigen Gasspeicher notwendig.“

Doch das reicht laut Bleschke noch lange nicht: Zur Umsetzung der Energiewende gemäß den Langfristszenarien bedürfe es mehr als einer Verdoppelung der heute für Wasserstoff nutzbaren Speicherpotenziale. „Infrastrukturherausforderung“ nennt Bleschke das und betont: „In Deutschland ist bislang kein einziger kommerzieller Wasserstoffspeicher im Betrieb.“

Entsprechend existierten noch keine abschließenden Erfahrungen mit Planungs-, Genehmigungs- und Realisierungsprozessen. In den vergangenen Jahren seien Speicherkapazitäten eher ab- als aufgebaut worden. „Für die Entwicklung umfangreicher neuer Projekte im Bereich Wasserstoff wird also die komplette Wertschöpfungskette in weiten Teilen neu aufgebaut werden müssen.“ (dpa/mf)



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