Wasserstoff-Strategie: Teilstaatliche Netze – aber keine Stadtwerke als Netzbetreiber
Eine der Achillesfersen der deutschen „Energiewende“ ist bislang der unzureichende Ausbau der Stromnetze, um beispielsweise Windenergie vom Norden in den Süden zu transportieren. Von 12.000 Kilometern an Leitungen, die erforderlich wären, sind offenbar erst 2.000 vorhanden.
Um die gleiche Situation im Kontext mit Energie aus Wasserstoff von vornherein zu vermeiden, will der Bund Nägel mit Köpfen machen.
Ampel will Wasserstoffstrategie von 2020 fortschreiben
Am Mittwoch (4.1.) reiste Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nach Norwegen. Dort steht die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung auf dem Programm, die darauf abzielt, bis zum Jahr 2030 die erforderliche Transportinfrastruktur zu schaffen. Anschließend soll das skandinavische Land zu einem der bedeutsamsten Versorger Deutschlands mit Wasserstoff werden.
In der verbleibenden Zeit gilt es jedoch, ein ausreichendes und belastungsfähiges deutsches Wasserstoff-Netz zu schaffen – mit europäischer Anbindung. Dieses Vorhaben war bereits ein zentrales Thema in der „Nationalen Wasserstoffstrategie“, die Habecks Vorgänger Peter Altmaier 2020 vorgelegt hatte. Die Ampelkoalition will diese nun fortschreiben.
Der Wasserstoff gilt als Schlüsselelement zur Sicherstellung der angestrebten „Klimaneutralität“ bis zum Jahr 2045.
EU-Förderprojekt soll 62 deutsche Projekte rund um den Wasserstoff unterstützen
Ein Aspekt des Versorgungsnetzes soll die zeitgerechte Umrüstung bestehender Erdgasleitungen sein. Aus diesem Grund wies der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, jüngst Kritik sogenannter Klimaschutzaktivisten zurück, der derzeit stattfindende Ausbau von LNG-Terminals sei „überdimensioniert“.
Perspektivisch wolle man die Anlagen in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin auf regenerativen Wasserstoff umrüsten, so Müller. Dazu wolle man auch noch Nachbarstaaten wie Österreich und Tschechien an die Netze anbinden, die keinen eigenen Zugang zum Meer haben.
Dazu soll noch ein weiteres überregionales Netz treten, das im Rahmen eines europäischen Förderprojekts entstehen soll. Demnach sollen als „wichtige[s] Projekt im gesamteuropäischen Interesse“ 62 Wasserstoff-Projekte eine sogenannte IPCEI-Förderung erhalten. Von diesen dienen 15 Projekte der Infrastruktur für Transport und Speicherung.
Leitungsinfrastruktur soll 2032 etwa einem Viertel der Gasfernleitungen entsprechen
Die ersten Teilnetze sollen dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge eine Gesamtlänge von 1.800 Kilometern aufweisen. Von der niederländischen Grenze aus sollen diese bedeutsame Industrieregionen bis Hamburg, Salzgitter, Halle/Leipzig, Berlin und Rostock versorgen. Nordrhein-Westfalen und das Saarland sollen an ein grenzüberschreitendes Netz Anschluss finden.
Ein weiteres Pipelinesystem wollen die Fernleitungsnetzbetreiber Gascade, Ontras und Terranets BW unter dem Projektnamen „Flow“ aufbauen. Dieses soll ein Pipelinesystem von der Ostsee bis in den Südwesten Deutschlands umfassen. Unter anderem will man dafür bestehende Erdgasleitungen umrüsten. Das erste Teilnetz soll bis 2025 stehen und Mecklenburg-Vorpommern mit Thüringen verbinden.
Im Jahr 2032 soll eine Leitungsinfrastruktur von bis zu 8.500 Kilometern Gesamtlänge Deutschland überziehen. Derzeit betreiben die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) Erdgasfernleitungen auf einer Gesamtlänge von rund 36.000 Kilometern.
Energiewirtschaft gegen weitreichende Rolle des Staates bei Wasserstoffausbau
Zum Zankapfel droht jedoch die geplante Gründung der Wasserstoff-Netzgesellschaft zu werden, die vorerst für die Detailplanung der Netze zuständig sein soll. Nach dem Konzept der Nationalen Wasserstoffstrategie soll diese zumindest teilstaatlich konzipiert sein. Zur Begründung heißt es:
Durch die staatliche Beteiligung (…) kann die Finanzierung der notwendigen Investitionen zu günstigen Finanzierungsbedingungen sichergestellt werden.“
In weiterer Folge soll diese Gesellschaft auch die zur Veränderung der Nutzung bestimmten Erdgasleitungen erwerben und ausbauen. Derzeit befinde sich das Konzept in der Entwicklungsphase und ein Entwurf in der Ressortabstimmung. Der Nationale Wasserstoffrat, ein Beratungsgremium der Bundesregierung, soll bei der Fortschreibung mitwirken.
Die Energiewirtschaft hält die zentrale staatliche Rolle bei der Planung für kontraproduktiv. Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbandes Zukunft Gas, befürchtet, diese werde „sicher nicht zu einer Beschleunigung führen“. Er fügt hinzu:
Hier sind die etablierten privatwirtschaftlichen Akteure sicher deutlich effizienter und schlagkräftiger aufgestellt, das heutige Erdgasnetz zügig in ein Wasserstoffnetz zu wandeln.“
Auch Katherina Reiche, die Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrats, erklärt, der Bund solle sich darauf beschränken, Anreize für den Ausbau der Infrastruktur zu schaffen. Darüber hinaus jedoch gelte:
Der Bund sollte weder Bau und Betrieb noch die Wartung eines Wasserstoffnetzes übernehmen.“
Gasmarkt-Richtlinie: Auf die Gazprom gezielt – die Stadtwerke getroffen?
Die EU will wiederum einen Entwurf für eine neue Gasmarkt-Richtlinie durchsetzen. Kernstück des Gesetzgebungsaktes soll es sein, dass Wasserstoff-Netzbetreiber nicht gleichzeitig Versorger sein können.
Das bereits 2021 konzipierte Vorhaben war vor allem von früheren Obstruktionen gegen die Gazprom inspiriert. Tatsächlich wären in Deutschland vor allem die Stadtwerke als kommunale Versorger die Leidtragenden. Sie sind meist gleichzeitig Versorger und Betreiber der Verteilnetze.
Die Gaswirtschaft befürchtet, dass mit solch einer Regelung Investitionsanreize für den Aufbau von Wasserstoffnetzen wegfielen. Dennoch ist ein letztes Wort hinsichtlich der letztgültigen Ausgestaltung noch nicht gesprochen: Die Beratungen über die neue Richtlinie dauern weiter an.
(Mit Material der dpa)
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