Wer hat sensible Informationen zum Selenskyj-Besuch veröffentlicht?

Das Berliner Landeskriminalamt ermittelt wegen Geheimnisverrat, nachdem die Zeitung „B.Z.“ über den möglichen Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Berlin berichtete. Die Veröffentlichung der sensiblen Informationen sorgt für Verärgerung in Kiew, und Selenskyj überlegt, die Reise abzusagen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reist nach seinem Besuch im finnischen Helsinki weiter in die Niederlande.
Das Durchstechen von sensiblen Reisedaten an die Medien gefährdet den Deutschlandbesuch Selenskyjs und verärgert Kiew.Foto: Heikki Saukkomaa/Lehtikuva/AP/dpa
Von 5. Mai 2023


Vor dem möglicherweise geplanten Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat das Berliner Landeskriminalamt Ermittlungen wegen Geheimnisverrat aufgenommen.

Hintergrund ist ein Zeitungsbericht der „B.Z.“ vom vergangenen Mittwoch. Mit Berufung auf „Sicherheitskreise“ hatte die Zeitung darüber berichtet, dass der Präsident der Ukraine Mitte Mai im Vorfeld der Entgegennahme des Karlspreises in Aachen die Bundeshauptstadt besuchen möchte. Ein Polizeibeamter wird zitiert, dass Selenskyj zu den vermutlich „am meisten gefährdeten Personen weltweit“ gehört. Entsprechend hoch würden die Sicherheitsmaßnahmen ausfallen: ein massiver Polizeieinsatz mit Absperrungen, Personenkontrollen, Scharfschützen und Sprengstoffhunden.

Auch nennt der Artikel Reiserouten, das Hotel, in dem der Staatsgast vermutlich übernachten wird, und dass er mit einem Helikopter nach Aachen reisen wird. Dort wird er dann den diesjährigen Karlspreis erhalten.

Polizei bestreitet, Details genannt zu haben

Die Berliner Polizei dementierte am Donnerstag auf Anfrage des Fernsehsenders „ntv“, dass sie Details über den Berlinbesuch Selenskyj öffentlich gemacht habe. „Die Polizei Berlin offiziell hat zu keiner Zeit Auskünfte erteilt, welche den Staatsbesuch gefährdet haben“, erklärte die Behörde. Lediglich aufgrund der vorangegangenen medialen Berichterstattung sei seitens der Pressestelle der Polizei der bevorstehende Einsatz bestätigt worden. Angaben zur Einsatzplanung, zu Schutzmaßnahmen oder zum Besuchsablauf seien – wie in solchen Fällen üblich – nicht gemacht worden.

„Ich finde es unerträglich, dass – wenn man dem Artikel in der Zeitung Glauben schenkt – ein einzelner Mitarbeiter das Ansehen der Polizei Berlin auf eine derart beschämende Weise national und international beschädigt“, teilte Polizeipräsidentin Barbara Slowik als Reaktion laut „tagesschau“ mit.

Ermittlungen in „alle Richtungen“

Allerdings bestätigte eine Polizeisprecherin, dass im Moment „in alle Richtungen“ ermittelt werden würde. Während die Polizei Berlin den geplanten Besuch des ukrainischen Präsidenten bestätigte, kommen widersprüchliche Angaben von der Bundesregierung. Eine Anfrage von ntv wurde nicht bestätigt. Sprecher Steffen Hebestreit sagte nur allgemein, zu den Terminen des Bundeskanzlers äußere man sich immer erst am Freitag vor der betreffenden Woche.

Trotz der offensichtlichen Planung eines Besuchs von Präsident Selenskyj in Deutschland ist noch nicht klar, ob das ukrainische Staatsoberhaupt tatsächlich anreisen wird.

Am 14. Mai soll ihm stellvertretend für das ukrainische Volk der Aachener Karlspreis verliehen werden. Noch steht nach Angaben des „Spiegels“ aber nicht fest, ob der Präsident bei der Zeremonie im Krönungssaal des Aachener Rathauses persönlich anwesend sein wird oder per Videotechnik zugeschaltet wird.

Kiew verärgert über Indiskretion

Dass nun Detailinformationen des Besuchs über die Presse durchgesickert sind, hat in Kiew für Verärgerung gesorgt. Man sei „schwer enttäuscht“, dass „anscheinend aus deutschen Quellen bewusst sehr sensible sicherheitspolitische Informationen“ veröffentlicht worden seien, schreibt „t-online“ und beruft sich auf regierungsnahe Kreise in der Ukraine. Dieser Vorgang sei „unverantwortlich“ und könne „einen möglichen Besuch des ukrainischen Präsidenten infrage stellen“. Selenskyj selbst soll nun überlegen, ob er die Reise nach Berlin wieder absagt.

Die „SZ“ schreibt, dass der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew sich inzwischen bei der Bundesregierung über das Leck beschwert habe. Der Vorfall sei als „komplett bescheuert“ und als „unerträgliche Wichtigtuerei“ bezeichnet worden, zitiert die „SZ“ aus Regierungskreisen. Die Informationslücke, so weiter, wird wohl Folgen für den betreffenden Beamten haben.

Aufgrund der Sicherheitslage und der Gefährdung Wolodymyr Selenskyjs wurden bisher Auslandsreisen des Staatschefs bis zur letzten Minute geheim gehalten. So war der Präsident zum Beispiel am Mittwoch überraschend in Finnland aufgetaucht. Medien und Öffentlichkeit wurden darüber erst nach seiner Landung informiert. Auch der Selenskyj Besuch am Donnerstag in den Niederlanden war erst mit Ankunft des Präsidenten der Öffentlichkeit bekannt gemacht worden.



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