Wie viel Eigentumsrecht steckt im Immobilieneigentum?

In Krisenzeiten braucht der Staat Geld. Zusätzliche Steuern und Abgaben sind ein Hebel, der Griff an Eigentumsrechte darüber hinaus zwar ein schmaler Grat, aber ein durchaus nicht selten praktizierter. Eine Analyse.
Wie viel Eigentumsrecht steckt im Immobilieneigentum?
Blankenese – ein berühmter Vorort Hamburgs mit engen Fußgängerwegen und Treppen. Im Hintergrund ist die Elbe zu sehen.Foto: iStock
Von 31. Oktober 2022

Viele Immobilieneigentümer fragten sich bereits in den letzten Monaten, welche Zusatzbelastungen möglicherweise auf sie durch die für 2025 anstehende Neuberechnung der Grundsteuer – und die in diesem Jahr durchgeführte und zur Teilnahme verpflichtende Volkszählung, die als Bevölkerungs-, Gebäude- und Wohnungszählung daherkam – zukommen werden.

Krisen begünstigen Zugriff des Staates auf Wohneigentum

Fakt ist, dass insbesondere Immobilieneigentum seit einigen Jahren als Vermögens- und Belastungswert besonders in den Fokus der Politik geraten ist. Denn: In Deutschland wird – gemessen an den Zuzugszahlen der letzten Jahre und bedingt durch unter anderem ungeregelte Migration und Flüchtlinge des Ukraine-Kriegs – zu wenig gebaut, sodass Wohnraum eine zunehmend verknappte und sich verteuernde Ressource darstellt.

Slogans wie ‚Wohnen ist ein Menschenrecht‘, die immer öfter medial wie politisch zu vernehmen sind, lassen sich zwar aus dem UN-Sozialpakt ableiten und werden immer wieder als Kampfansage gegen – in ihren Augen – böse, weil kapitalistische Privatvermieter von Immobilien skandiert.

Allerdings ist die Bereitstellung sozialen Wohnraums primär eine staatliche Aufgabe – eine, der dieser aufgrund stagnierender Baufertigstellungen immer weniger erfolgreich nachkommt. Und das trotz konstruktiver Ansätze wie dem von der Bundesbauministerin initiierten ‚Bündnis bezahlbarer Wohnraum‘, das den jährlichen Bau von 400.000 neuen Wohnungen – davon 100.000 Sozialwohnungen – vorsieht.

Das Thema mangelnder Wohnraum wurde in den vergangenen Jahren zunehmend mit Unterstützung der Medien zur Umverteilungsproblematik umetikettiert. Immer wieder thematisieren Grüne, SPD und Linke die Möglichkeit einer einmaligen Vermögensabgabe sowie die Wiedereinführung der 1997 abgeschafften Vermögenssteuer, um zusätzliche durch Krieg, Pandemie und Klimawandel entstehende Ausgaben zu finanzieren.

Dazu gehört auch immer wieder die Diskussion um Beschlagnahmungen wie Enteignungen von privatem Immobilienbesitz. Ein eigentlich heikles Thema. Ist doch das Recht auf Eigentum vom Grundgesetz garantiert. Zwar erkennen Art. 14, Abs. 2 / 3 GG eine Eigentumsgarantie an, bestimmen aber zugleich, dass „Eigentum verpflichtet und dem Wohle der Allgemeinheit dienen muss“.

Eigentum verpflichtet?

Gleichzeitig heißt es: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen.“

Was darunter zu verstehen ist, ist Auslegungssache und kann nur unmittelbar durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch einen staatlichen Verwaltungsakt erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt.

Enteignungen beruhen meist auf dem Baugesetzbuch oder den Enteignungsgesetzen der Länder. In der Regel geht es bei Enteignungen um Infrastrukturmaßnahmen, wie beispielsweise den Bau von Straßen oder Schienen. Grundsätzlich ist eine Enteignung nur dann zulässig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Nachweis ist gegeben, dass die Liegenschaft dringend für ein öffentliches Vorhaben benötigt wird.
  • Es liegt keine andere Möglichkeit vor, dem Allgemeinwohl auf andere Weise zu entsprechen – die Enteignung entspricht den Vorgaben eines Bundes- oder Landesgesetzes.
  • Bund beziehungsweise Land haben zuvor versucht, die Liegenschaft vom Eigentümer zu erwerben.
  • Dem Eigentümer wird eine Ausgleichszahlung als Entschädigung angeboten, die dem Verkehrswert der Immobilie entspricht.

Enteignung von Grundbesitz hat eine lange Historie

Historisch gesehen kamen Enteignungen für den Eisenbahn- und Schifffahrtskanal- oder auch Fernstraßenbau zur Anwendung. In der Zeit der NS- sowie der DDR-Diktatur trafen staatliche Enteignungsmaßnahmen vor allem auch ‚staatsfeindliche‘ Personen und Organisationen sowie Emigranten, denen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt worden war.

Vielen Immobilienbesitzern ist nicht klar, dass es neben Enteignungsmöglichkeiten im Baugesetzbuch vor allem Landesrecht ist, das diese regelt. Dort sind Enteignungszweck, Gegenstand der Enteignung, Zulässigkeit, Umfang, Art und Maß der Entschädigung sowie das Enteignungsverfahren geregelt und politischen Zielsetzungen unterworfen.

Beschlagnahmung als erster Schritt zur Enteignung

Nicht umsonst waren es mit Blick auf die sogenannte ‚Flüchtlingskrise‘, die ihre erste große Welle 2015/2016 erreichte, insbesondere Bundesländer wie Hamburg, Bremen und Berlin, die auf Rechtsgrundlage des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) Gewerbeimmobilien, Turnhallen und andere für Unterbringungszwecke geeignete Flächen beschlagnahmten und ‚zwangsanmieteten‘.

Sehen Kommunen dringenden Bedarf, sich das Wohnrecht an Immobilien zu beschaffen, kann ein Gebäude zunächst im Sinne einer ‚vorübergehenden Nutzung‘ beschlagnahmt werden, um so zum Beispiel leer stehende Immobilien in Privatbesitz anzumieten. Zwar ist eine Beschlagnahmung noch keine Enteignung – sie kann aber als erster Schritt dem Privatbesitzer das Eigentumsrecht entziehen, um es in der Folge staatlich fortzuführen.

Flüchtlingsunterbringung, Geldwäsche, Russland-Sanktionen

Auch wenn dies politisch immer als ‚Ultima Ratio‘ betont wird, ist doch zu erkennen, dass in rot-grün regierten Bundesländern der Eingriff in das private Eigentumsrecht nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch schneller zur Anwendung kommt.

So beschloss beispielsweise 2015 die Bürgerschaft der Stadt Hamburg das „Gesetz zur Flüchtlingsunterbringung in Einrichtungen“, welches in das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) eine Vorschrift über die Sicherstellung privater Grundstücke und Gebäude zur Flüchtlingsunterbringung integrierte, die es den zuständigen Behörden ermöglicht, Grundstücke und Gebäude zum Zwecke der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerbern sicherzustellen.

Ein relativ neues Feld der Beschlagnahmung von Immobilien bieten die Sanktionen gegen staatsnahe russische Unternehmen und Privatpersonen. Jüngst wurden in einem Präzedenzfall in Bayern die Villen eines russischen Oligarchen sowie Mieteinnahmen aus vermieteten Eigentumswohnungen eines auf der EU-Sanktionsliste stehenden Immobilieneigentümers beschlagnahmt, da diesem Personenkreis weder mittel- noch unmittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen dürfen.

In Berlin führten in den vergangenen Jahren die Ermittlungen gegen kriminelle Clans wegen Geldwäsche aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität zu einer Beschlagnahmung von Immobilien und Mieteinkünften. Seit 2018 wurden so 77 Immobilien im Wert von circa neun Millionen Euro beschlagnahmt, die einst mit Geldern aus Straftaten erworben worden waren.

Soll die Idee von Enteignungen legitimiert werden?

Die strafrechtliche Verwertung allerdings bildet die Ausnahme staatlicher Enteignungsbemühungen.

Weitaus besorgniserregender ist das durch die seit Jahren herrschenden Krisen erzeugte gesellschaftliche Stimmungsbild, Enteignung von Immobilieneigentum als probates Mittel zur Bewältigung staatlicher Finanzengpässe zu legitimieren und heranziehen zu wollen.

Unter dem Motto ‚Keine Rendite mit der Miete‘ will in Berlin die Initiative ‚Deutsche Wohnen & Co enteignen‘ Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Bestandswohnungen vergesellschaften, was in der Konsequenz mehr als 200.000 der insgesamt 1,5 Millionen Wohnungen in der Hauptstadt betreffen würde. Beim dazu aufgesetzten Volksentscheid im September 2021 stimmten mehr als die Hälfte der Berliner – nämlich 56,4 Prozent – dafür.

Auch in anderen Ländern wie der Schweiz und Österreich ist zu erkennen, dass sich linke Parteien zunehmend dafür einsetzen, leerstehenden privaten Wohnraum durch den Staat zu enteignen und Wohnraumbedürftigen zur Verfügung zu stellen.

Stehen wir vor einem neuen Sozialismus mit Blick auf das Eigentumsrecht an Immobilien? Tatsächlich bilden neben der Verknappung von Wohnraum durch weiter steigende Migrationszahlen auch die wachsende Inflation und horrende Energiepreise für viele Menschen ein Druckpotenzial, in der Wohnen zunehmend einen kaum zu bewältigenden Posten ihrer monatlichen Ausgaben bildet.

Mit Blick auf die Corona-Pandemie sagte der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Wir stehen vor einer dramatischen Entwicklung in unserer Wirtschaft. Unsere Eltern und Großeltern haben schon mal eine Lösung finden müssen – die nannten wir ‚Lastenaustausch‘. Darüber muss man dann öffentlich reden“.

Graduelle Enteignung über Lastenausgleich

Das Gesetz über den Lastenausgleich (Lastenausgleichsgesetz, LAG) von 1952 hatte zum Ziel, Deutschen, die infolge des Zweiten Weltkrieges und seiner Nachwirkungen Vermögensschäden oder besondere andere Nachteile erlitten hatten, eine finanzielle Entschädigung zu gewähren.

Die Neuauflage einer Vermögensabgabe über eine neue Art des Lastenausgleichs ist in Anbetracht der aktuell galoppierenden Staatsverschuldung kein abwegiger, sondern naheliegender Gedanke.

Ob über direkte oder indirekte Enteignung in Form eines möglichen Lastenausgleichs – die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass der für die meisten Deutschen wichtigste Vermögenswert, die Immobilie, zunehmend in den Zugriff des Staates zu rücken droht.

Zum Autor

Silke Schröder war unter anderem als Personalleiterin für Deutschlands größtes Universalmaklerhaus tätig, bevor sie ihr eigenes Unternehmen Primobilia in Berlin gründete, das sich auf die Immobilienberatung von Privat- wie Geschäftskunden konzentriert. Darüber hinaus ist sie die Gastgeberin der Talkshow ‚Politicum‘ bei TV Berlin. Weitere Informationen: www.primobilia.de

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 68, vom 29. Oktober 2022.



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