Willy Wimmer im Gespräch mit Alexander Sosnowski über „Die spalterische Politik“

Alexander Sosnowski, Herausgeber von World Economy, im Gespräch mit Willi Wimmer, Staatssekretär a.D. im Bundesverteidigungsministerium, über die Situation nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen.
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Willy Wimmer, Staatssekretär a.D. im Bundesverteidigungsministerium.Foto: Twitter/Screenshot
Von 4. September 2019

WORLD ECONOMY: Nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen haben wir mehrere Dinge gesehen. Die AfD ist in beiden Bundesländern zweitstärkste Kraft geworden, einige Parteien – allen voran die SPD, aber auch die Linke – wurden aus der ersten Reihe verdrängt. Ist das das Ende der Sozialdemokratie und der Linken in Deutschland?

Willy Wimmer: Das kann es sehr gut sein. Der Leidensprozess der Sozialdemokraten geht ja nun schon seit den 2000er Jahren, als Gerhard Schröder die Agenda 2010 aufgelegt und den Sozialdemokraten damit in Bezug auf ihre sozialpolitische Ausrichtung das ideologische Rückgrat gebrochen hat. Was die Linke anbetrifft, dann ist das sogar noch deutlicher. Dazu gibt es drei Dinge zu sagen.

Als Erstes: Die in ganz Deutschland als rationale Politikerin bekannte Sahra Wagenknecht ist von der Linken dermaßen gemobbt worden, dass sie das politische Schlachtfeld in führender Position verlassen hat.

Das Zweite: In Anbetracht der Probleme, die durch die Migration geschaffen worden sind, haben sich die Menschen in Ostdeutschland durch die Linke überhaupt nicht mehr verstanden gefühlt und haben sie dafür abgestraft.

Und das Dritte ist, dass die Linke in Ostdeutschland, aber auch auf Bundesebene zu einem Wurmfortsatz der NATO-Politik geworden ist. Diese drei Dinge sind für die Linke tödlich, das sehen wir jetzt an dem Wahlausgang.

WE: Sprechen wir noch mal kurz über die Sozialdemokraten. Parallel zu den Landtagswahlen fand am 01. September die Gedenkveranstaltung an den Überfall von Nazi-Deutschland auf Polen statt. Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, einer von den „großen“ bei den Sozialdemokraten, bat in seiner Rede um Vergebung und mimte damit auf eine gewisse Weise Willy Brandt. Er sprach dabei nur von der deutschen Schuld und dem Verdienst der West-Alliierten und erwähnte mit keinem Wort die Sowjetunion. Ist diese neue Erinnerungskultur womöglich auch ein Fehler?

Willy Wimmer:

Das muss man in diesem Zusammenhang wohl sagen. Und wir beide haben in unserem Buch „Und immer wieder Versailles“ deutlich gemacht, wie die historischen Abläufe eigentlich gewesen sind. Die Sozialdemokraten machen jetzt den großen Fehler, die eigene politische Existenz an Vorgänge in Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg zu knüpfen, die von ihnen nun anders dargestellt werden als sie eigentlich abgelaufen sind.

Dabei meine ich vor allen Dingen die Vorgänge um den kurzzeitigen bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner, der praktisch am Anfang der unhaltbaren Zuschreibung steht, Deutschland trage alleine die Verantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die Sozialdemokraten sind nicht in der Lage sich in Übereinstimmung mit den vorhandenen historischen Gegebenheiten zu äußern.

Das mündet dann in einem so verhängnisvollen Auftreten, wie dem des Deutschen Präsidenten in Warschau. Was in Zusammenhang mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zu sagen gewesen wäre, das hätte man bei einer Gedenkveranstaltung in Versailles am 28. Juni diesen Jahres machen können, aber Frank-Walter Steinmeier hat diese historische Möglichkeit, die uns alle in die Lage versetzen würde; die Dinge fairer und korrekter darzustellen, sträflich missachtet. Und genau so war auch sein Auftritt in Warschau.

WE: Andererseits steht es um die Christdemokraten auch nicht wirklich gut, obwohl sie als stärkste Kraft aus dem Wahlkampf hervorgingen. Gibt es Konsequenzen für die Partei und auch für die Kanzlerin persönlich?

Willy Wimmer:

Davon gehe ich aus, weil das Wahlergebnis sehr zwiespältig und auf der anderen Seite sehr aussagekräftig ist. Der noch im Amt befindliche sächsische Ministerpräsident Kretschmer hat damit seinen Kopf nicht aus der Schlinge gezogen, sondern nur das Seil verlängert und damit eine Galgenfrist bekommen.

In Zusammenhang mit dem Wahlergebnis für Sachsen ist feststellbar, dass ihm eins geholfen hat: er hat die berühmte russische Karte gezogen. Indem er dem Lebensgefühl der Sachsen in Zusammenhang mit der ökonomischen aber auch menschlichen Kooperation mit Russland und den Russen entsprach. Er hat sich damit klar abgesetzt – von der Bundeskanzlerin, was die Sanktionsfrage angeht und von Annegret Kramp-Karrenbauer in Bezug auf die NordStream-2. Mit dieser Absetzbewegung hat Kretschmer im Wesentlichen dazu beigetragen, dass die sächsische CDU noch ein mal von der Grabeskante zurück springen konnte.

Die große Frage wird jetzt sein, ob es nur eine Luftnummer im Landtagswahlkampf war und er damit die Wähler getäuscht hat oder liefert er auch den sächsischen Beitrag, in Zusammenhang mit einer anderen Politik Richtung Moskau, oder lässt er sich von der Berliner Politik wieder unterbuttern, wie vorher schon oft geschehen. Die Sachsen sind selbstbewusst genug, um eine eigene Rolle spielen zu können. Die Frage ist daher nur, ob Kretschmer diese Rolle auch spielt oder das ganze ein Wahlbetrug genannt werden muss.

WE: Sprechen wir über die AfD. Die Wahlergebnisse werden jetzt medial verarbeitet und eine große deutsche Tageszeitung nannte die AfD gar „anti-deutsch“. Wohin führt eine solche Rhetorik bei den politischen Debatten?

Willy Wimmer:

Das sieht man schon seit geraumer Zeit, dass Debatten dieser Art in eine politische Vergiftung des Klimas in einem Land führen, das dann nachher nicht mehr geheilt werden kann.

Man muss auch in Zusammenhang mit der Verteufelung der AfD sagen, dass, wie der frühere Verteidigungsminister Rupert Scholz es bereits formuliert hat, die offenen Grenzen und die ungehinderte Migration nach Deutschland einen fortdauernden Verfassungsbruch durch die Bundesregierung – insbesondere durch die Bundeskanzlerin – darstellen.

Diesen Verfassungsbruch kann man nur aufrechterhalten und weiter führen, wenn man alle Menschen, die dagegen Aufstehen zu Nazis erklärt. Das ist die spalterische Politik, die durch die Bundeskanzlerin und die sie tragenden Parteien, die übrigens weit über die Große Koalition hinaus gehen – das schließt die Grünen, Linken etc. mit ein, betrieben wird und woraus das die Folgen sind.

Vor diesem Hintergrund gehen wir schlimmen Zeiten entgegen. Die Mitglieder und die Wähler der AfD sind in weiten Teilen, das sagen alle Umfragen, aus den Christdemokraten, Sozialdemokraten, den Linken, der FDP und den anderen Parteien dazu gekommen. Dann müssen das ja alles Sammelbecken von Nationalsozialisten gewesen sein, wenn man heute die AfD, aus politisch durchsichtigen Gründen, mit diesem Verdikt belegt.

Der Artikel erschien zuerst auf WORLD ECONOMY

Willy Wimmer war 33 Jahre lang Bundestagsabgeordneter der CDU und zwischenzeitlich Parlamentarischer Staatssekretär im Kabinett Kohl. Von 1994 bis 2000 fungierte er als Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.

Alexander Sosnowski ist Gründer und Herausgeben von WORLD ECONOMY

 



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