Wirtschaftsverband fordert Exitplan: „Heben Sie den Lockdown auf, bevor es zu spät ist!“

Bei der letzten Beratung von Kanzlerin und Ministerpräsidenten waren die Lockerungsschritte eher klein. Größere werden nun für das nächste Treffen am Mittwoch erwartet. Die Wirtschaft fordert klare Signale aus der Politik.
Titelbild
Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder haben weitere Schritte für ihre nächste Beratung angekündigt.Foto: Kay Nietfeld/dpa Pool/dpa/dpa
Epoch Times2. Mai 2020

In der Corona-Krise wächst der Druck auf Bund und Länder, weite Teile des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens wieder hochzufahren. Wirtschaftsverbände trommeln angesichts des Konjunktureinbruchs massiv dafür. Trotz rückläufiger Infektionszahlen, wurden am Freitag noch rund 1500 Neuinfektionen registriert. Die Auswirkungen der ersten Lockerungen sollen erst kommende Woche zu beobachten sein.

Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder hatten bei ihrer Schaltkonferenz am Mittwoch weitere Auflagen gelockert und größere Schritte für ihre nächste Beratung am kommenden Mittwoch angekündigt.

Wirtschaftsverband: Appell Offenen Brief

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) forderte, die Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie noch im Mai zu beenden. In einem Offenen Brief an Merkel heißt es:

„In großer Sorge um die Zukunft dieses Landes und um den Wohlstand seiner Bürger appellieren wir an die Politik: Beenden Sie die einseitige Fixierung auf eine rein virologische Sichtweise und damit das gefährliche Spiel mit den Zukunftschancen dieses Landes. Es geht um das Schicksal des deutschen Mittelstands. Heben Sie den Lockdown auf, bevor es zu spät ist!

Hinter dieser Forderung steht die große Mehrheit der Mitglieder des Verbandes. Laut einer Umfrage aus dieser Woche, an der sich mehr als 2.500 Mitgliedsunternehmen beteiligt haben, fordern 78,8 Prozent eine Beendigung des Lockdown spätestens Ende Mai. Ein Drittel (34,3 Prozent) plädiert sogar für einen sofortigen Exit.

Aus diesen Zahlen spreche die „große Verzweiflung im deutschen Mittelstand“, heißt es in dem Brief. „Wir fordern, dass künftig die Erfordernisse der Wirtschaft in Ihrer Corona-Politik einen deutlich höheren Stellenwert erhalten als bislang.“ Unterzeichnet ist der Brief von BVMW-Präsident Mario Ohoven sowie den Vizepräsidenten Dr. Jochen Leonhardt und Dr. Hans-Michael Pott.

In dem Brief, der in der neuen Ausgabe des Magazins FOCUS veröffentlicht wird, wird es als „verantwortungslos“ kritisiert, dass die Politik noch immer keinen konkreten Exit-Fahrplan vorgelegt hat. Und weiter: „Unser Land steht vor dem größten Konjunktureinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg. Trotz eines staatlichen Rettungspakets von mehr als einer Billion Euro droht eine Pleitewelle unbekannten Ausmaßes, die die Existenz Hunderttausender Menschen binnen weniger Wochen vernichten könnte.“

BDI-Präsident Dieter Kempf warnt vor gravierenden Folgen, sollten die Kontaktsperren in der Coronakrise weiter verlängert werden. „Jede Woche eines Shutdowns kostet die deutsche Volkswirtschaft einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag an Wertschöpfung“, sagte Kempf den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagsausgaben). „Ein derartiger Einschnitt lässt sich nicht über Monate aushalten und erzeugt massive Wohlstandsverluste und dauerhaften Schaden in Wirtschaft und Gesellschaft.“

BDI stellt Ultimatum

Die Politik müsse kontinuierlich daran arbeiten, den Wiedereinstieg so schnell und so verlässlich sicherzustellen, wie es möglich sei, verlangte der Präsident des Industrieverbands – und stellte ein Ultimatum: „Unsere Unternehmen wollen und müssen wissen, in welchen Stufen das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben wieder anlaufen soll – und zwar nach dem Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am 6. Mai.“

Ziel müsse ein verbindlicher Planungshorizont für die Unternehmen sein. Zudem forderte Kempf eine deutliche Ausweitung der Corona-Tests. „Derzeit beträgt die Kapazität rund 900.000 Tests pro Woche. Es ist inakzeptabel, dass in der Phase der anhaltenden Unsicherheit über die Dimension der Corona-Erkrankungen etwa die Hälfte dieser Kapazitäten ungenutzt bleibt“, kritisierte er. „Nur mit verlässlichen Testergebnissen lässt sich wirtschaftliche Aktivität hochfahren.“ Ungefähr zwei Drittel der Arbeitsplätze in der Industrie befänden sich auf dem Land. „Die örtlichen Gesundheitsämter sollten mobile Testeinrichtungen an den Zentren industrieller Aktivität einrichten.“

Schäuble dämpft Hoffnung auf Staatshilfe

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble warnte davor, die Hilfsmöglichkeiten des Staates in der Wirtschaftskrise zu überschätzen. Er habe „die Sorge, dass die Menschen den Eindruck gewinnen, der Staat könne jetzt für alles aufkommen“, sagte der CDU-Politiker der „Mittelbadischen Presse/Offenburger Tageblatt“ (Samstag). „Am Ende können wir aber für Hilfen und Sozialleistungen nur so viel aufwenden, wie erwirtschaftet wird.“ Deshalb müsse man gemeinsam entscheiden, wie sich eine intensive Erholung der Wirtschaft in Deutschland und Europa zustande bringen lasse.

Die Bundesregierung rechnet für das gesamte Jahr 2020 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 6,3 Prozent und damit mit dem stärksten Einbruch seit Gründung der Bundesrepublik.

Die nächsten Schritte

Die ersten Lockerungen – etwa die teilweise Öffnung von Geschäften – hatte es am 20. April gegeben. Am vergangenen Mittwoch hatten die Regierungschefs dann vereinbart, Spielplätze, Zoos, Museen und Ausstellungen zu öffnen und Gottesdienste wieder zu erlauben – allerdings gibt es keinen bundesweit einheitlichen Zeitpunkt. Immer lauter werden inzwischen die Rufe nach klaren Perspektiven auch für Schulen, Kitas, Vereinssport und Fußball-Bundesliga.

Vor allem Merkel und teils auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bremsen. Merkel will die Auswirkungen der ersten Lockerungen abwarten. Diese werden erst kommende Woche erwartet.

Diskutiert wird am kommenden Mittwoch voraussichtlich über:

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN: Zumindest bis zum 10. Mai sollen sie nach den Worten von Kanzleramtschef Helge Braun bestehen bleiben. Bis dahin sollen Bürger in der Öffentlichkeit 1,5 Metern Mindestabstand einhalten und sich dort maximal mit einer weiteren Person oder mit solchen aus der eigenen Wohnung aufhalten.

SCHULEN UND KITAS: Bisherige Schritte waren uneinheitlich. In den meisten Ländern sind nur die obersten Klassenstufen zurückgekehrt, teils folgen am Montag jene, die nächstes Jahr ihren Abschluss machen, und die großen Grundschüler. Doch was ist mit den anderen?

GASTSTÄTTEN UND HOTELS: Die Fachminister sollen erst bis zur übernächsten Bund/Länder-Konferenz Vorschläge für eine Wiederöffnung machen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) will aber schon am Mittwoch über die Gastronomie reden, dämpft aber Hoffnungen auf ein Öffnen im Mai.

LADENÖFFNUNGEN: Das umstrittene Öffnungsverbot für große Geschäfte dürfte weiter Thema sei. Mehrere Landesregierungen kündigten an, auszuscheren und die Beschränkung auf 800 Quadratmeter aufzuheben, teils schon von diesem Samstag an.

FUSSBALL: Fußballfans warten weiter auf eine Entscheidung über eine Fortsetzung der Bundesliga-Saison. Beim Vereinssport wollten einige Länder nicht mehr warten und kündigten Lockerungen an.

In Sachsen-Anhalt berät das Landeskabinett an diesem Samstag über eine neue Landesverordnung. Auch im Saarland will die Landesregierung über weitere Lockerungen informieren. (dpa/dts/sua)



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion