Empörung über „Tabubruch“: CDU-Entscheidung spaltet Deutschland
Mit den Stimmen der CDU, FDP und der AfD hat der Landtag in Thüringen eine Senkung der Grunderwerbssteuer beschlossen – und damit die rot-rot-grüne Minderheitsregierung überstimmt, die gegen diese Absenkung gewesen ist. Den Antrag hatte die CDU-Fraktion eingebracht. Nun schlägt den Christdemokraten landauf, landab eine mächtige Empörungswelle entgegen. Von einem „Tabubruch“ ist die Rede.
Vorwürfe gegen die CDU
Im ARD-„Hauptstadtstudio“ warnte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert davor, dass das Vorgehen der CDU schwere Folgen für den Parlamentarismus haben könnte. Die Abstimmung im Erfurter Landtag sei „kein Unfall“ gewesen. Die CDU habe sich „sehenden Auges darauf eingelassen, eine politische Entscheidung herbeizuführen, die ohne die Stimmen der AfD nicht möglich gewesen wäre“, sagte Kühnert. „Wenn das in der CDU Schule macht, dann wird der Parlamentarismus nach dem heutigen Tag ein anderer sein. Demokraten dürfen die AfD niemals zum parlamentarischen Zünglein an der Waage machen.“
Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion Katja Mast griff die CDU scharf an. „Diese Abstimmung war ein ganz besonderer politischer Tabubruch“, sagte Mast dem „Spiegel“. „Das ist ein schlimmer Abend. Wir reden von einer Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Höcke-AfD.“
Mast betonte weiter, es gehe nicht um die Sache. „Hier wurde von Anfang an mit den Stimmen der AfD geplant. Jede und jeder, der jetzt bei der CDU noch von einer Brandmauer spricht, lügt sich selbst in die Tasche.“ Mast weiter: „Das, was wir hier erleben, ist ein historisches Versagen der CDU. Dafür tragen Friedrich Merz und sein CDU-Vorstand die Verantwortung.“
Sauer sind auch die Grünen. Bundesgeschäftsführerin Emily Büning warf im „Spiegel“ die Frage auf, ob man sich auf das Wort des CDU-Vorsitzenden noch verlassen könne. „Mit dieser Entscheidung geht die CDU Thüringen einen weiteren Schritt zu einer Normalisierung der gesetzgeberischen Zusammenarbeit mit der vom thüringischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD“, so Büning.
Das sei eine „drastische Verschiebung“, die weit über die Landesgrenzen Thüringens hinauswirke. Merz habe dies ganz offenbar geduldet, obwohl er eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD öffentlich immer wieder ausgeschlossen habe.
Aus der Staatskanzlei des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) ist zu hören, dass die CDU mit der AfD Absprachen zur durchgesetzten Steuersenkung getroffen habe.
Staatskanzleichef Hoff von den Linken sagte dem Berliner „Tagesspiegel“, es gebe entsprechende Hinweise. Dazu zählte er eine gemeinsame Beschlussempfehlung im Fachausschuss von CDU, FDP und AfD.
„Schnauze voll von diesen politiktaktischen Spielen“
In den „Tagesthemen“ der ARD rechtfertigte der thüringische Fraktionsvorsitzende, Mario Voigt, das Vorgehen seiner Fraktion. Die Steuersenkung sei eine Maßnahme, um unzufriedene Wähler wieder von der rechtsextremen Partei zurückzugewinnen. „Die Leute haben die Schnauze voll von diesen politiktaktischen Spielen. Sondern was sie wollen, ist, dass man sich tatsächlich um ihre Sorgen kümmert“, sagte Voigt. „Wir müssen mit Inhalten die Menschen überzeugen, dann gewinnen wir sie auch von den Rändern zurück.“
In Richtung der rot-rot-grünen Koalition sprach er von einer Doppelmoral. „Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung hat mehrere Beschlüsse in diesem Parlament nur mit den Stimmen der AfD hinbekommen und hat dadurch die Mehrheit erhalten. Und das zeigt, dass diese Doppelstandards nicht funktionieren.“ Er hätte sich gewünscht, dass auch aus der SPD, von den Grünen oder den Linken eine Unterstützung für den Antrag der CDU gekommen wäre.
Ramelow-Regierung sei gesprächsbereit gewesen
Der Chef der Staatskanzlei, Benjamin-Immanuel Hoff, betonte hingegen im Interview mit dem „Tagesspiegel“ die Gesprächsbereitschaft seiner Regierung, um vor der Abstimmung eine tragfähige Lösung mit der CDU zu finden. So habe es auf Einladung des Ministerpräsidenten ein Gespräch mit Ramelow, den Fraktionsvorsitzenden der Koalition und Finanzministerin Heike Taubert (SPD) gegeben. Einen Tag vor der Abstimmung habe man noch einmal ein Gespräch angeboten. Der Ministerpräsident und die Finanzministerin hätten Mario Voigt „sehr klargemacht“, wie groß das Interesse an einer einvernehmlichen Lösung war.
Auf Vorschläge von Rot-Rot-Grün vergeblich gewartet
CDU-Fraktionschef Mario Voigt hingegen stellt den Vorgang anders dar. Das Gesetz liege seit Langem auf dem Tisch, seine Fraktion habe auf Vorschläge von Rot-Rot-Grün vergeblich gewartet, sagte er in der Debatte im Landtag. „Wir können doch die Lösung von Problemen nicht davon abhängig machen, dass die falsche Seite mit Zustimmung droht. Die Leute draußen erwarten, dass man sich um deren Themen kümmert“, so Voigt weiter. „Wir stimmen hier einen CDU-Gesetzentwurf ab“, sagte Voigt und warb um Stimmen der SPD: „Machen Sie mit, das ist genau das, was Ihre Bauministerin will.“
Der Vizefraktionschef der CDU im Bundestag, Jens Spahn, stellte sich hinter der Argumentation von Voigt. Auf der Plattform X (vormals Twitter), schrieb Spahn: „Mario Voigt hat Recht: Wir können als CDU richtige Positionen nicht aufgeben, nur weil auch die Falschen sie richtig finden.“
Eine niedrigere Grunderwerbsteuer erleichtert den Traum vom Eigenheim. Häuslebauer werden dank der @cdu_thueringen endlich entlastet. @MarioVoigt hat Recht: Wir können als CDU richtige Positionen nicht aufgeben, nur weil auch die Falschen sie richtig finden.
— Jens Spahn (@jensspahn) September 14, 2023
Auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hatte im Vorfeld der Abstimmung das Vorgehen der CDU-Fraktion in Thüringen verteidigt. „Wir machen das, was wir in den Landtagen wie auch im Deutschen Bundestag diskutieren, nicht von anderen Fraktionen abhängig“, hatte Merz am Donnerstagmorgen im Sender RTL gesagt. Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es auf Bundes- und Landesebene nicht geben. „Dabei bleibt es auch.“
Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Karin Prien wies die Vorwürfe, die Brandmauer gegen die AfD in Thüringen eingerissen zu haben, am Freitag im „Deutschlandfunk“ zurück. Es sei „fast schon infam“, der CDU zu unterstellen, eine Nähe zur AfD zeigen oder gar deren Normalisierung zu betreiben, sagte die schleswig-holsteinische Bildungsministerin.
Prien betonte, es habe zu dem Antrag keinerlei Absprachen mit der AfD gegeben. Es wäre Aufgabe der Landesregierung gewesen, mit der CDU in konstruktive Gespräche zu gehen. „Die CDU muss ihr Ding machen“, sagte die CDU-Vizechefin. „Das ist alles sehr unglücklich“, beschrieb Prien den Verlauf des Gesetzesprojektes. Sie habe die klare Erwartung, dass die Minderheitsregierung in Erfurt nun auf die CDU zugehe.
„Orchestrierte Hysterie“ von Linken, Grünen und SPD
Die Schweizer Tageszeitung „Neueste Zürcher Zeitung“ (NZZ) schreibt angesichts der losgetretenen Debatte um die Abstimmung in einem Kommentar von einer „orchestrierten Hysterie“.
Vier Jahre regiere nun schon die rot-rot-grüne Minderheitsregierung. Das habe offensichtlich zu einer „demokratietheoretisch bedenklichen Gewöhnung“ geführt. Es gehöre zu den Vorzügen der Erfurter Entscheidung, dass Ramelows Kabinett daran erinnert wurde, dass es sich nicht auf den Mehrheitswillen des Landtags stützen kann. In aktuellen Umfragen erreichen die drei Parteien eine Zustimmung von insgesamt 37 Prozent, die AfD eine von 32 Prozent.
Insofern sei die „orchestrierte Hysterie von der Linken, den Grünen und der SPD das schlecht camouflierte Schauspiel eigener Machtversessenheit“. Grundsätzlich bestehe der Sinn einer Opposition darin, die Regierung zu kontrollieren, und nicht darin, mit ihr zu kooperieren.
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