INSA-Umfrage: Mehrheit will diplomatische Lösung für die Ukraine

Boris Pistorius (SPD) reist nach Brüssel, um beim NATO-Treffen für noch mehr Geld und Waffen für den Ukraine-Krieg zu sorgen. Die Mehrheit der Bürger würde eine Lösung am Verhandlungstisch vorziehen.
Protestplakat: „Frieden schaffen ohne Waffen"
Protestplakat zur Kriegspolitik der Bundesregierung: „Frieden schaffen ohne Waffen"Foto: P. Reitler
Von 14. Februar 2023

Während sich die Mehrheit der Menschen in Deutschland längst eine diplomatische Lösung für den Ukraine-Krieg wünscht, diskutieren am 14. Februar Vertreter der Ukraine und ihrer Partner im NATO-Hauptquartier in Brüssel über ein noch stärkeres militärisches Engagement im Kampf gegen Russland.

NATO-Kurs: Aufrüstung statt Friedensbemühungen

Mit dabei ist auch der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Er wird nach Agenturangaben am späten Nachmittag zu den Beratungen der 30 NATO-Staaten und der beiden Beitrittsanwärter Schweden und Finnland stoßen. Bis einschließlich Mittwoch steht das Thema Aufrüstung im Mittelpunkt: Pistorius und die übrigen Militärvertreter werden nach Wegen suchen, die Produktion von militärischen Waffen und die Zielmarken für die jeweiligen Verteidigungsbudgets zu erhöhen.

Bereits am Vormittag wird der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin das NATO-Treffen eröffnen. Es ist davon auszugehen, dass sein ukrainischer Kollege Oleksij Resnikow fordern wird, Kampfflugzeuge zur Verfügung zu stellen. Dafür hatte sich zuletzt auch der polnische Botschafter in Deutschland, Dariusz Pawłoś, stark gemacht.

Rheinmetall wird Gepard-Munition herstellen

Nach Angaben des Nachrichtenportals „n-tv.de“ bestätigte Pistorius bereits am Morgen des 14. Februar, dass Deutschland die Produktion von Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard wieder selbst aufnehmen werde. Die Verträge mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall seien bereits unterschrieben. Pistorius habe die deutsche Rüstungsindustrie zudem aufgefordert, die Kapazitäten für die Produktion hochzufahren.

Der SPD-Verteidigungsminister kann sich nach einer Forsa-Umfrage, die die Zeitschrift „Stern“ in Auftrag gegeben hatte, zurzeit über einen starken Rückhalt in der Bevölkerung freuen: 47 Prozent der Befragten gaben an, zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Lambrecht-Nachfolger zu sein. 35 Prozent konnten oder wollten nichts dazu sagen. 18 Prozent äußerten, sie seien weniger oder gar nicht zufrieden mit Pistorius.

Boris Pistorius in einem Leopard 2 A6 des Panzerbataillons 203 der Bundeswehr.

Verteidigungsminister Boris Pistorius in einem Leopard 2 A6 des Panzerbataillons 203 der Bundeswehr. Foto: Ann-Marie Utz/dpa

Deutsche Mehrheit für mehr diplomatische Anstrengungen

Trotz der Erfahrungen aus den großen Kriegen des 20. Jahrhunderts scheinen bei Pistorius und den übrigen „Falken“ am Brüsseler Konferenztisch diplomatische Bemühungen nicht gerade hoch im Kurs zu stehen. Ungehört bleiben die Slogans der internationalen Protestbewegungen der vergangenen acht Jahrzehnte („Frieden schaffen ohne Waffen“), ignoriert bleibt auch der Wille der deutschen Bevölkerung.

Denn nach einer aktuellen Umfrage des Erfurter Meinungsforschungsinstitut INSA wünschen sich 53 Prozent der 2007 befragten Bürger, dass der Ukraine-Krieg auf dem diplomatischen Parkett beendet werden soll. Die Frauen sehen das sogar zu 60 Prozent so. Unter den Männern setzen 45 Prozent auf eine Verhandlungslösung – mehr als bei jeder anderen von INSA vorgegebenen Option.

Der Journalist Alexander Wallasch geht sogar davon aus, dass „in Wahrheit noch viel mehr“ Menschen für Verhandlungsrunden sein könnten, „denn das Narrativ, wer Diplomatie will, sei ‚Putinversteher‘, wird eine Reihe von Befürwortern davon abgehalten haben, aus ihrem Herzen keine Mördergrube zu machen“. Zu dieser These würde passen, dass bei INSA immerhin acht Prozent der Befragten lieber überhaupt keine Angaben zu ihrer favorisierten Lösung für den Ukraine-Krieg machen wollten.

Gemessen am Alter gilt bei der INSA-Befragung die Faustregel: Je älter die Befragten, desto mehr Diplomatie: Die 60- bis 69-Jährigen wünschen sich zu 63 Prozent eine Beilegung des Interessenkonflikts per Verhandlungslösung, die Gruppe Ü70 zu 61 Prozent. Auch Bürger im Alter von 30 bis 59 Jahren wären mit 51 bis 56 Prozent mehrheitlich für eine diplomatische Beilegung. Die unter 30-Jährigen allerdings würden gegenwärtig nur zu 34 Prozent ein Schweigen aller Waffen akzeptieren.

Kaum Rückhalt für NATO-Truppen in der Ukraine

Einen Ukraine-Sieg mithilfe von NATO-Truppen betrachten durchschnittlich nur zwölf Prozent als die beste Lösung. Während 19 Prozent der unter 30-Jährigen hinter diesem Ansatz stehen, sind es unter den 40- bis 69-Jährigen nur noch höchstens zehn Prozent.

Allerdings definiert die INSA-Frage nicht genau, was mit einem „Sieg der Ukraine mit Hilfe von NATO-Truppen“ gemeint ist: Gehört auch schon die Unterstützung mittels Schusswaffen, Panzern und Munition aus NATO-Beständen dazu? Falls ja, würden Scholz, Pistorius und Co. zurzeit gegen den Willen von 88 Prozent der Menschen in Deutschland handeln.

Dass die INSA-Umfrage durchaus in dieser Richtung verstanden werden könnte, legt der durchschnittliche Umfragewert von 21 Prozent jener Befragten nahe, die einen Sieg der Ukraine alleine aus eigener Kraft favorisieren würden. Auf genau diesen Wert kommt auch die Gruppe U30. Die Altersdekade 30 bis 39 sieht das nur zu 14 Prozent so. Alle anderen Jahrgänge wünschen sich einen Sieg der Ukraine ohne die Unterstützung von NATO-Truppen zu 22 bis 24 Prozent.

Nur wenige drücken Russland die Daumen

Lediglich vier Prozent sähen es am liebsten, wenn Russland die Ukraine auf dem Schlachtfeld besiegen würde. Die unter 30-Jährigen sind bei dieser Antwort mit neun Prozent überrepräsentiert, die AfD-Wähler mit 14 Prozent sogar deutlich.

Dafür stellen die FDP-Wähler die Gruppe jener Bürger, die mit 26 Prozent am liebsten „All-In“ gehen und einen militärischen Sieg der Ukraine mithilfe der NATO am allerliebsten sehen würden. Anhänger anderer Parteien liegen hier nur bei zehn bis 16 Prozent.

Oppositionswähler „diplomatischer“ als Ampel-Wähler

Apropos Parteien: „Alle Wählergruppen plädieren jeweils mehrheitlich für eine diplomatische Beilegung des Kriegs, wobei Wähler der FDP (37 %), der Grünen (46 %) sowie der SPD (48 %) dies jeweils relativ-mehrheitlich und Wähler der Union (54 %), der AfD (57 %) sowie der Linke (68 %) jeweils absolut-mehrheitlich angeben“, heißt es im INSA-Artikel zur Umfrage. Im Klartext: „Ampel-Wähler“ halten im Schnitt etwas weniger von Diplomatie zur Beendigung des Krieges als die Anhänger der Oppositionsparteien.

Ob deswegen auch weniger Wähler der Ampelparteien zur Friedensdemo am 25. Februar den Weg zum Brandenburger Tor in Berlin finden werden als Linke-, Unions- oder AfD-Wähler, sei dahingestellt. Denn in den elf Tagen bis dahin kann noch viel passieren.

Zum öffentlichen Protest aufgerufen hatte die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer. Die beiden hatten auf der Internetplattform „Change.org“  auch ein „Manifest für den Frieden“ zur Unterschrift für jedermann bereitgestellt. Stand 10:00 Uhr am 14. Februar hatten bereits über 400.000 Menschen digital unterschrieben.

ARD-DeutschlandTrend: 58 Prozent für mehr Diplomatie

Auch der ARD-DeutschlandTrend hatte am 3. Februar seine Umfrageergebnisse zur Frage veröffentlicht, wie die Bürger die Reaktionen der deutschen Politik auf den Krieg in der Ukraine bewerten. 58 Prozent der 1.328 Befragten gaben an, dass ihnen die diplomatischen Anstrengungen Deutschlands „nicht weit genug“ gingen. Lediglich vier Prozent fanden, dass es mit der Diplomatie schon zu weit gegangen sei.

Auch wenn die Sanktionsmaßnahmen gegen Russland nicht gerade unerhebliche Auswirkungen auf Deutschland und Europa mit sich bringen, fanden sie 37 Prozent Anfang Februar „angemessen“. Eine beinahe genauso große Gruppe von Befragten (38 Prozent) sagte sogar, dass sie lieber noch mehr Strafmaßnahmen sehen würde. Nur 18 Prozent gingen die Sanktionen gegen Russland zu weit.

Was die Unterstützung der Ukraine mit Waffen angeht, sagten 44 Prozent, dass sie die bisherige Unterstützung der Ukraine mit Waffen seitens der deutschen Bundesregierung für „angemessen“ hielten. 35 Prozent ging das Waffenlieferungsengagement schon damals zu weit, 15 Prozent hätten gerne noch mehr Kriegsmaterial in die Ukraine schicken lassen.

Pistorius und die Sache mit der Diplomatie

Erst am 7. Februar hatte Pistorius angekündigt, neben den 14 modernen Leopard 2-Kampfpanzersystemen bis zum ersten Quartal 2024 auch bis zu 178 ältere Leopard 1-Kampfpanzer mithilfe der NATO-Partner in die Ukraine entsenden zu wollen.

Zugleich aber formulierte er im „ZDF heute journal“ eine Frage, die überraschend auch eine gewisse Bereitschaft zur Diplomatie erkennen ließ: „Wie kommt man an den Punkt, dass man Putin und Russland an den Tisch kriegt?“

Damit stellte sich Pistorius noch vor wenigen Tagen gegen den erklärten Willen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der es schon Anfang Oktober 2022 per Dekret hatte verbieten lassen, überhaupt mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin zu reden. Auch der Rest der deutschen Bundesregierung lehnt eine Vermittlerrolle seit Beginn des Ukraine-Krieges strikt ab.



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