Medialer Gegenwind: Stellt das „Manifest für Frieden“ unrealistische Forderungen?
Am 10. Februar veröffentlichten die Publizistin Alice Schwarzer und die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht ihr „Manifest für Frieden“ – eine Petition gegen weitere Waffenlieferungen in die Ukraine. Die Petition findet großen Anklang: Innerhalb von vier Tagen haben über 450.000 Menschen die Petition unterschrieben. In den Medien stoßen die Forderungen allerdings auf große Kritik.
Seit nunmehr fast einem Jahr herrscht Krieg in der Ukraine. „Frauen wurden vergewaltigt, Kinder verängstigt, ein ganzes Volk traumatisiert. Wenn die Kämpfe so weitergehen, ist die Ukraine bald ein entvölkertes, zerstörtes Land“, steht in der Petition. Um das Leid zu beenden, fordern sie den Bundeskanzler auf, die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen und Friedensverhandlungen zu führen. Für den 25. Februar 2023 um 14 Uhr haben sie eine Kundgebung am Brandenburger Tor angekündigt.
Kritik an Petition
Die Petition wird in den Medien heiß diskutiert und stößt auf starken Gegenwind. Bei der Talkshow „Maischberger“ gibt es am 14. Februar keinen Experten, der diplomatische Lösungen betont.
Der Politikwissenschaftler Carlo Masala sagte, dass in dem Manifest die Schuld fast einseitig der Ukraine gegeben werde – schließlich, so steht es in dem Manifest, fordere Selenskyj weitere Waffen. Für unrealistisch hält er außerdem gegenseitige Eingeständnisse im Krieg. Russland habe nämlich die Ukraine angegriffen. Das Manifest bezeichnet er als „übelsten Nationalpazifismus“.
Der ehemalige deutsche Diplomat Rüdiger von Frisch spricht ebenfalls von unrealistischen Zielen des Manifestes. Besonders betont er aber, dass mit Putin keine Gespräche möglich seien. Die Ukraine müsse entschlossen und geschlossen unterstützt werden, damit „bei einem Waffenstillstand auf Augenhöhe ein gerechter Frieden“ hergestellt werden kann.
Auch die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt kritisiert das Manifest auf Twitter und unterstellt den Verfasserinnen Verlogenheit: „Das #ManifestfürFrieden tut so, als ob da zwei in eine Rauferei geraten sind und man müsste nur mal sagen: ‚So geht das nicht.‘ Es tut so, als ob nicht seit 2014 Krieg herrscht. Es tut so, als ob Russland nicht die Ukraine überfallen hätte und besetzt hält. Das ist unehrlich.“
Stimmen für das Manifest
Der Politiker Oskar Lafontaine unterzeichnete das Manifest für Frieden und unterhielt sich mit der Moderatorin und Journalistin Milena Preradovic über die kommende Demonstration in Berlin. Jeder sei willkommen, stellt er klar. „Alle sind eingeladen, die wirklich ehrlichen Herzens Frieden wollen.“
Bei Maischberger verteidigte der Journalist Franz Alt, der den Zweiten Weltkrieg erlebte, am Mittwochabend die Intention des Manifestes: Es soll mehr über Frieden geredet werden, als über Waffen. Das bedeute nicht, dass sich die Ukraine „einfach ergibt und aufgibt“. Es müsse vielmehr eine Doppelstrategie „nach den Waffen und neben den Waffen“ gefahren werden. Denn: „Wenn ich Frieden will, muss ich über mehr nachdenken, als immer weiter Waffen eskalieren zu lassen und zu liefern“.
Inhalte des Manifestes
Schwarzer und Wagenknecht betonen auf Twitter in einem Video, dass „endlich Schluss sein muss mit der Zerstörung und dem Sterben in der Ukraine.“ Das erreiche man nur, wenn man verhandelt, „und nicht, wenn man noch mehr Waffen liefert.“ Das bedeute nicht automatisch, dass die Ukraine kapitulieren solle. Ihr Ziel sind Verhandlungen und Kompromisse auf beiden Seiten. Ansonsten sehen sie eine dunkle Zukunft für die Ukraine: sie könne den Krieg nicht gewinnen – besonders nicht gegen die größte Atommacht der Welt.
In dem Manifest fragen die Frauen nach dem Ziel des Krieges – wo ist die „rote Linie“? Besonders nachdem die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in einer parlamentarischen Versammlung des Europarates sagte, dass „wir einen Krieg gegen Russland kämpfen“, gewinnen diese Fragen an Bedeutung.
Lieferungen von Kampfjets und Bodentruppen werden von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bisher zwar ausgeschlossen, Ende Januar wurden der Ukraine jedoch Lieferungen von Leopard-Kampfpanzern aus Deutschland zugesichert. Daher fragen die Verfasserinnen, was passieren muss, damit es von Putin zu einem maximalen Gegenschlag kommt und wir uns in einem Welt- oder Atomkrieg befinden?
Zu den ersten Unterzeichnern der Petition gehörten unter anderem Holger Friedrich, der Verleger der Berliner Zeitung, die Schauspielerin Jutta Speidel sowie die Politikwissenschaftler Prof. Dr. Hajo Funke und Prof. Dr. Ulrike Guérot.
Wagenknecht und Schwarzer werden mit ihrem Manifest einem Großteil der Bürger in Deutschland gerecht: Die absolute Mehrheit befürwortet diplomatische Lösungen für die Ukraine. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA stellte fest, dass 53 der Befragten den Ukraine-Krieg durch diplomatische Bemühungen beenden wollen. Einen militärischen Sieg der Ukraine wollen 33 Prozent (21 Prozent ohne Hilfe von NATO-Truppen, 12 Prozent mithilfe von NATO-Truppen). Der Rest wünscht sich einen militärischen Sieg Russlands oder macht keine Angaben.
Die Demonstration am 25. Februar wird die Epoch Times begleiten und Teilnehmer direkt zu ihrer persönlichen Meinung befragen.
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