„Plötzliche Todesfälle“: AfD sieht Warnsignal, andere Parteien sehen Populismus

Martin Sichert, der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, hat seinen Standpunkt zur umstrittenen Datenanalyse „plötzlicher und unerwarteter Todesfälle“ im Bundestag dargelegt. Von den übrigen Fraktionen erntete er dafür viel Spott und Verachtung.
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Bundestagsplenum.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 17. Dezember 2022

Während einer Aktuellen Stunde zur 77. und zugleich letzten Sitzung des Bundestags im Jahr 2022 hat der AfD-Gesundheitspolitiker Martin Sichert noch einmal seine Sicht auf die Analyse der Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erläutert, die einen Anstieg „plötzlicher und unerwarteter Todesfälle“ auswiesen.

„Wir sagen weder, dass die massive Zunahme von Herzmuskelentzündungen, noch dass die unerklärte Übersterblichkeit dieses Jahr oder die Steigerung von unerwarteten Todesfällen eindeutig auf die Impfung zurückzuführen ist. Aber wir sagen, dass das deutliche Risikosignale sind, denen sämtliche offizielle Stellen umgehend ergebnisoffen nachgehen müssen“, stellte Sichert klar.

Die Zahl „plötzlicher Tode unbekannter Ursache“ seien 2021 im Vergleich zu den Zahlen der Jahre 2016 bis 2020 um das Zehnfache gestiegen, die Zahl der „Impfreaktionen und Impfnebenwirkungen“ sogar um das 30-Fache. Auch andere Erkrankungen wie verschiedene Krebsarten oder Herzmuskelentzündungen seien 2021 deutlich nach oben gegangen. Zudem habe eine Studie des Pathologen Prof. Peter Schirmacher belegt, „dass bei Obduktionen von bis zu zwei Wochen nach der Impfung Verstorbenen bei 30 bis 40 Prozent die Impfung die Todesursache“ gewesen sei.

„In dieser Woche wurde jedem öffentlich vorgeführt, wie desolat der Umgang öffentlicher Stellen mit den Corona-Impfstoffen ist“, sagte Sichert. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wisse zwar, dass es eine Übersterblichkeit gebe – aber nicht, wie diese zu erklären sei. Nur die Impfung habe aus Sicht der KBV „kategorisch“ nichts damit zu tun, sagte Sichert. Zudem habe es die KBV zwei Jahre lang „entgegen ihrem gesetzlichen Auftrag“ nach § 13, Absatz 5 des Infektionsschutzgesetzes versäumt, ihre Daten an das Robert Koch-Institut (RKI) und an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) weiter zu leiten – „angeblich wegen einer fehlenden Schnittstelle“.

Es schockiere ihn, „wie seitens der offiziellen Stellen mit den Risikosignalen umgegangen“ werde. „Anstatt ergebnisoffen die Daten zu analysieren, übertreffen sich die offiziellen Stellen gegenseitig in Verschleierungstaktik“, kritisierte Sichert. Er forderte Union und FDP auf, gemeinsam mit der AfD dafür zu sorgen, dass „den Ursachen für den Anstieg verschiedener schwerer Erkrankungen und der Übersterblichkeit endlich nachgegangen“ werde.

Der Bundesregierung sei der Schutz der Bevölkerung offensichtlich egal – ebenso wie ihr gesetzlicher Auftrag. Die Regierung habe in zwei Jahren zwar über 200 Milliarden Euro für Impfstoffe, Masken und Werbung ausgegeben, räumte Sichert ein, „ein paar tausend Euro auszugeben, damit ein Programmierer sich ein paar Tage hinsetzt, um eine popelige Schnittstelle zum Datenimport zu programmieren, dazu war die Bundesregierung hingegen nicht bereit.“ Der nicht anwesende Gesundheitsminister Karl Lauterbach habe wohl „mehr Angst vor den Daten zu möglichen Impfnebenwirkungen als vor Corona selbst“, mutmaßte Sichert.

Reaktionen der SPD

Für den SPD-Abgeordneten Matthias David Mieves entbehrte die Konstruktion und Herleitung der Analyse Sicherts „jeglicher Grundlage“. Die AfD habe eine Stichprobe von Leuten „konstruiert“, die 2021 beim Arzt gewesen seien und mit Todesfällen aus dem Jahr 2020 in Beziehung gesetzt. Die Zahlen seien nicht aussagekräftig, die AfD verbreite „Fake News“. Richtig sei, dass es wohl Fehler im KBV-Datensatz gegeben habe. Dies sei kein Wunder bei „hunderten Millionen“ von Eingaben, die im Gesundheitswesen oft „in großer Eile erfasst werden“ müssten.

Sein Parteikollege Dr. Herbert Wollmann bezeichnete den Datenanalysten Tom Lausen, mit dessen Hilfe Sichert die Zahlen untersucht hatte, als „Pseudo-Sachverständigen aus den Reihen der Querdenker“. Es sei „perfide“ von der AfD, zu behaupten, dass die Impfung „nicht nur nutzlos, sondern auch schädlich“ sei. Es gebe keinen einzigen Grund, von den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) abzuweichen.

Die Sozialdemokratin Heike Engelhardt lobte ebenfalls die STIKO. Bei der Impfung sei eine gute Nutzen-Risiko-Abwägung „garantiert“. Die AfD sei der „parlamentarische Arm der Reichsbürger und Nazis“, Lausen ein „Scharlatan“.

Ruppert Stüwe (SPD) berichtete von seinen gemeinsamen Auftritten auf Schulpodien mit der kürzlich festgenommenen früheren AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann. Diese Podiumssitzungen habe er als „bedrohlich“ empfunden. Pro 1.000 Impfungen habe man bislang lediglich 0,3 schwere Nebenwirkungen festgestellt. Die Impfung habe „eine Wirkung, und zwar eine positive für dieses Land“.

Reaktionen der CDU

Emmi Zeulner von der CSU bedankte sich bei der STIKO für ihre ehrenamtliche Arbeit und sprach sich dafür aus, eine Enquete-Kommission einzurichten, um für die Zukunft „Lehren aus Corona ziehen“ zu können.

Ihr Fraktionskollege Erwin Rüddel (CDU) verwies auf die „wissenschaftlich basierten“ Impfempfehlungen der STIKO Impfschutz sei der beste Schutz gegen Infektionskrankheiten. Er halte es allerdings für geboten, den Abbau der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr anzugehen. Andere Länder zeigten, dass trotz Maskenverzicht kein signifikanter Anstieg der Zahlen zu beobachten sei.

Der Christsoziale Stephan Pilsinger beschuldigte die AfD, „seriöse Daten aus seriösen Institutionen missbraucht“ zu haben. Zudem gäben die Daten der KBV keine Auskunft darüber, ob die Verstorbenen geimpft oder ungeimpft gewesen seien. Er halte es für eine „Unverfrorenheit“ der „AfD-Spinner“, am letzten Sitzungstag des Jahres eine solche Aktuelle Stunde beantragt zu haben. Die AfD kenne sich wohl besser mit „altgermanischen als mit christlichen Bräuchen“ aus. Die Unionsfraktion nehme das Leiden der COVID-19- und Long COVID-Erkrankten ernst.

Dr. Georg Kippels (CDU) sagte, bereits im Juni seien die Versuche gescheitert, der AfD den Unterschied zwischen Impfreaktionen und Impfnebenwirkungen zu erklären, weil die AfD nicht bereit sei, sich damit zu beschäftigen. Das Paul-Ehrlich-Institut habe sich „sehr gewissenhaft“ und mit „höchster Transparenz“ damit beschäftigt. Es gebe bisher „keine Hinweise auf Übersterblichkeit aufgrund der Impfung“.

Kippels Parteikollege Tino Sorge nannte den Datenanalysten Tom Lausen einen „Daten-Salafisten“. Die AfD habe „irgendeine Kleinstkohorte extrapoliert“ und dann die „Zahlen, Daten und Fakten“ falsch interpretiert. Impfungen seien „ein Segen für die Menschheit“. Die AfD stehle die Lebenszeit der Parlamentarier.

Reaktionen der Grünen

Linda Heitmann (Grüne) sieht es nicht als Aufgabe der Politik, „Nebenwirkungen von Medikamenten zu erforschen“. Es sei allerdings die Aufgabe der Politik, den Gesundheitszustand der Bevölkerung im Auge zu behalten. Man habe bereits Geld für die Erforschung von Long COVID im Haushalt bereitgestellt. Die AfD betreibe „billigen Populismus“.

Janosch Dahmen, der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, bezeichnete die Aktuelle Stunde als eine „Zumutung für alle Menschen in diesem Land“, besonders für jene Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiteten. Die AfD verbreite mit ihrer „Politik der Verleugnung“ „Schwachsinn“ und „Unfug“, stifte Verunsicherung, kreiere „am laufenden Band neue Skandale“, könne nicht zwischen Abrechnung und medizinischer Dokumentation unterscheiden und habe den Zusammenhang zwischen Korrelation und Kausalität nicht verstanden. Die Wissenschaft habe „eindeutig bewiesen, dass Impfen mehr Nutzen als Schaden“ bringe.

Maria Klein-Schmeink (Grüne) warf der AfD vor, „auf perfideste Art“ Angst zu schüren und „Stimmung gegen den Staat“ zu machen. Sie betonte, wie viele Leben „durch die Impfung gerettet“ worden seien. Die AfD versuche, „politisches Kapital aus der Angst der Menschen zu schlagen“. Es gelte nun, im Rahmen des Versorgungsgesetzes mehr Anstrengungen in Sachen Long COVID und für Impfgeschädigte zu unternehmen.

Reaktionen der FDP

Die Liberale Christine Aschenberg-Dugnus erklärte, dass „hochgradige Impfnebenwirkungen“ noch nie eingetreten wären. Sie sei „fassungslos und wütend“ auf die AfD. Bei 92 Prozent jener 2,5 Millionen Impfnebenwirkungen, die bekannt geworden seien, habe es sich um „Schmerzen an der Einstichstelle“ gehandelt. Bei der Impfung sei die „Risiko-Nutzen-Abschätzung“ entscheidend. Die AfD verbreite „Fake News“ und instrumentalisiere Daten, um „Ängste und Sorgen zu schüren“. Das sei „ein Schlag ins Gesicht von Leuten“, die tatsächlich Impfnebenwirkungen hätten.

Lars Lindemann (FDP) kritisierte die AfD für ihre „Unterstellung“, dass Hunderttausende Ärzte, Medizinstudenten und viele weitere Menschen im Gesundheitswesen nicht in der Lage seien, sich mit einer Impfung auseinanderzusetzen.

Reaktionen der Linken

Kathrin Vogler (Linke) verwies auf Zehntausende Menschen, die an Long COVID litten. Die AfD vergeude „unsere Zeit“, um „gegen die Impfung zu polemisieren und die Bevölkerung zu verunsichern“. Untersuchungen zeigten, dass in Deutschland an Orten, wo die Impfquote besonders hoch ist, die Übersterblichkeit am geringsten sei. Nun gelte es, die Ökonomisierung des Gesundheitswesens und dessen Profit-Orientierung anzugehen. Ihre Partei werde Gesundheitsminister Lauterbach dafür „auf die Finger schauen“, kündigte sie an.

Baum fordert Rücktritt von Lauterbach

Die AfD-Abgeordnete Dr. Christina Baum erinnerte an das „Strategiepapier“ der Bundesregierung vom März 2020, das geschrieben worden sei, um eine „maximale Schockwirkung“ in der Bevölkerung zu erzielen. Diese „systematische Angst- und Panikmache“ habe die Menschen für die Impfung geöffnet.

Inzwischen habe eine Studie der Universität Basel gezeigt, dass bei knapp drei Prozent der Menschen mit Moderna-Impfung Herzmuskelentzündungen festgestellt worden seien, berichtete Baum. Zudem habe eine Studie aus den USA bestätigt, dass das Risiko von Langzeitschäden nach einer erneuten Corona-Infektion auch nach einer Impfung ansteige. Damit sei infolgedessen das Argument vom „Schutz vor schweren Verläufen“ vom Tisch. Neben einer Aussetzung der Impfungen forderte Baum auch eine Rehabilitation maßnahmenkritischer Ärzte, eine juristische Aufarbeitung der bisherigen Verfehlungen und den Rücktritt von Karl Lauterbach.

Hintergrund: Schwere Vorwürfe gegen Paul-Ehrlich-Institut

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) habe sich nach Meinung von Martin Sichert und des Datenanalytikers Tom Lausen schweren Verfehlungen schuldig gemacht. Das PEI sei gesetzlich verpflichtet, die möglichen Ursachen von plötzlichen und unerwarteten Todesfällen nach einer Corona-Impfung zu untersuchen. Das aber habe das PEI bis heute nicht getan, erklärten Sichert und Lausen auf einer Pressekonferenz am 12. Dezember in den Räumlichkeiten der AfD im Bundestag (Video auf YouTube). Seit der Präsentation ist ein Streit zwischen der AfD, den übrigen Fraktionen des Bundestags und den offiziellen Stellen entbrannt.


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