Polen will F16-Kampfjets liefern, wenn die NATO mitzieht

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat sich für die Lieferung von F16-Kampfjets an die Ukraine ausgesprochen. Dazu müsse allerdings eine „Entscheidung der gesamten NATO“ her. Kanzler Scholz sei dafür verantwortlich, dass das Misstrauen gegenüber Deutschland wachse.
Titelbild
Ein polnischer F16-Kampfjet bei einem NATO-Manöver (Archivbild).Foto: DAMIEN SIMONART/AFP/Getty Images
Von 2. Februar 2023


Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat den Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erhöht, Kampfflugzeuge an die Ukraine zu liefern. Er selbst wäre für eine Entsendung von F16-Kampfjets, sofern „dies eine Entscheidung der gesamten NATO wäre“, sagte Morawiecki der „Bild“.

„Misstrauen gegenüber Deutschland“

Die deutsche Bundesregierung sei seiner Ansicht nach dafür verantwortlich, dass in Europa inzwischen zunehmendes Misstrauen gegenüber Deutschland herrsche. „Ich würde sagen, dass es vor einem Jahr viel Vertrauen vieler anderer Länder in Deutschland gab. Und jetzt hat sich dieses Pendel in Richtung Misstrauen bewegt“, so Morawiecki.

„Deutschland hat das Potenzial, viel mehr zu unterstützen, als es bisher getan hat, es hat die Entscheidungsgewalt innerhalb der Europäischen Union, es hat Geld für die Ukraine, es hat die diplomatische Macht.“

Bundeskanzler Scholz scheine allerdings „immer noch daran zu glauben, dass man mit Russland wieder zur Tagesordnung übergehen sollte“, kritisierte der polnische Regierungschef. Er selbst glaube nicht, „dass das mit diesem quasi totalitären Regime jemals möglich sein wird“.

NATO soll gemeinsam entscheiden

Für die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine wäre aus Sicht von Morawiecki das Einverständnis sämtlicher NATO-Staaten nicht erforderlich. Gleichwohl bedürfe es „einer strategischen Überlegung des gesamten Nato-Bündnisses“, was nun gemeinsam zu tun sei. Derzeit seien aus seiner Sicht „weder Polen noch die gesamte NATO“ an dem „sehr ernsten Krieg“ zwischen Russland und der Ukraine „beteiligt“.

Morawiecki geht davon aus, dass Russland einen neuen Großangriff gegen die Ukraine vorbereitet: „Nach allen Informationen, die ich aus der Ukraine habe, weiß ich, dass es eine weitere Offensive der Russen geben wird, wahrscheinlich im März oder April, und das wird eine sehr harte Offensive sein“, sagte Morawiecki der „Bild“. Gespräche mit Putin lehne er als „falsch“ ab.

Scholz: Klares Nein zu Kampfjet-Lieferungen

Ukrainische Politiker und Diplomaten fordern seit Langem, dass die NATO-Länder Kampfjets zur Verfügung stellen sollen. Frankreich und die Niederlande schließen diesen Schritt nicht mehr aus. Bundeskanzler Scholz hatte sich trotz des anhaltenden Drucks klar dagegen positioniert.

In den Vereinigten Staaten ist das Thema nach einem Bericht von „n-tv.de“ vom 27. Januar aber offenbar noch nicht erledigt.

Pistorius will zügig für Leopard-2-Ersatz sorgen

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kümmert sich derweil um die Auslieferung der 14 bereits zugesagten Kampfpanzer des Typs Leopard 2. Am Mittwoch, 1. Februar, besuchte er das Panzerbataillon 203 in der Feldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf (NRW). Dort stehen derzeit noch jene Bundeswehr-Leopards, die in den kommenden Wochen an die Ukraine geliefert werden sollen. Außerdem ist das Panzerbataillon 203 die militärische Heimat von rund 550 Soldaten, die seit August 2022 den Kern des multinationalen NATO-Gefechtsverbands auf litauischem Boden stellen.

„Die Ukraine braucht jede Unterstützung“, sagte Pistorius. „Die Leopard-Panzer, egal ob jetzt diese 2A6 oder andere 2A4, können eine wichtige Rolle in dem Kampf der Ukrainer gegen den Aggressor Russland spielen. Und deswegen versteht am Ende jeder, dass das passieren muss“.

Pistorius versprach, zügig für Ersatz zu sorgen. Dafür habe er bereits am 31. Januar drei „bilaterale Gespräche mit Vertretern der Rüstungsindustrie“ geführt. „Sehr gefreut“ habe er sich „über klare Zusagen und Ankündigungen dessen, was möglich ist und geleistet werden kann“. Er selbst sei bereit, alles dafür zu tun, damit die Bundeswehr „einsatzfähiger“ und „kaltstartfähiger“ werde.

Wehrpflicht derzeit noch kein Thema

Die Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht steht für Pistorius derzeit nicht ganz oben auf seiner To-do-Liste: „Wir haben gerade andere Aufgaben zu stemmen, die viel Geld, Kraft und Zeit kosten. Und die stehen im Vordergrund“, erklärte der Sozialdemokrat.

Er stellte klar, dass er die „Aussetzung der Wehrpflicht“ im Jahr 2011 rückblickend als einen „Fehler“ betrachte. Diesen könne man aber nicht „mal eben so im Handumdrehen“ zurückholen.

Nach Informationen des „Business Insider“ können Wehrpflichtige in Deutschland derzeit nur bei einem „Spannungs- und Verteidigungsfall“ zur Waffe gerufen werden. Dazu müsste „das deutsche Staatsgebiet mit Waffengewalt angegriffen“ werden beziehungsweise so ein Angriff „unmittelbar“ drohen.

Ist Deutschland schon im Krieg?

Deutschland hatte seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn der Kampfhandlungen in der Ukraine, gemeinsam mit der EU diverse Sanktionen gegen Russland verhängt und umgekehrt Hilfsgüter und militärisches Material im Wert von 3,3 Milliarden Euro an die Ukraine geschickt. Neben den jüngst zugesagten 14 Leopard 2-Kampfpanzern sollen auch 40 Schützenpanzer des Typs Marder in die Ukraine rollen.

Ukrainische Soldaten werden in Deutschland bereits seit einigen Tagen am Marder ausgebildet, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtete. Damit könnte Deutschland „den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung“ bereits verlassen haben, wenn man den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages ernst nimmt. Denn der war in seinem Sachstandspapier vom 16. März 2022 über „Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch NATO-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme“ (PDF-Datei) auf Seite 6 zu folgender Einschätzung gelangt:

Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.“

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages bezieht sich dabei auf ein NZZ-Interview mit dem Bochumer Völkerrechtler Pierre Thielbörger vom 13. März 2022. Der hatte gesagt: „An sich sind Waffenlieferungen allein noch keine Kriegshandlung. Es gibt keine Staatenpraxis, die das annimmt. Anders könnte es sein, wenn es eine Beratungsleistung gibt, wie Waffen zu gebrauchen sind. Aber auch hier bleibt die Betrachtung des Einzelfalls ausschlaggebend.“

EU-Kommission in Kiew

Am Donnerstag, 2. Februar, sind EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und weitere 15 Kommissionsvertreter in Kiew zu Gast, um mit der ukrainischen Regierung über die nächsten Schritte zu beraten. Das berichtet unter anderen RTL.

Es solle ausgelotet werden, inwiefern juristische Möglichkeiten zur Ahndung der russischen Aggression bestehen. Außerdem gehe es um Wege, der Ukraine ihren schon lange gehegten Wunsch nach einem EU-Beitritt zu ermöglichen. Das umkämpfte Land hatte im Juni 2022 den Status eines offiziellen Beitrittskandidaten erwirkt. „Wir erwarten Entscheidungen unserer Partner in der Europäischen Union, die […] unserem Fortschritt entsprechen“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach einem Bericht der FAZ.

Am Freitag, 3. Februar, steht der EU-Ukraine-Gipfel mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und EU-Ratspräsident Charles Michel auf der Tagesordnung in Kiew.

[Mit Informationen aus Agenturen]



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