Rechtsanwalt Dr. Christ: „Jeder Tag, den Ballweg weiter inhaftiert bleibt, ist ein Tag der Freiheitsberaubung“

Querdenken-Gründer Michael Ballweg sitzt auch nach über einem halben Jahr weiter in Untersuchungshaft in Stuttgart-Stammheim. Jetzt wurde überraschend der Haftrichter ausgetauscht. Epoch Times interviewt dazu den Sprecher des Verteidigerteams.
Titelbild
Ein Demonstrant hält sein Plakat mit der Forderung „Freiheit für Michael Ballweg“ in die Kamera.Foto: Epoch Times
Von 28. Januar 2023

Alexander Christ war am 26. Januar in Stammheim, um mit Ballweg das weitere Vorgehen zu besprechen. Der Austausch des Haftrichters ist laut Christ ein ungewöhnlicher Vorgang. Insbesondere, da dieser im zeitlichen Zusammenhang mit einer Beschwerde der Verteidigung gegen den ausgewechselten Richter steht.

Epoch Times: In welcher Funktion waren Sie bei Michael Ballweg?

RA Dr. Alexander Christ: Ich war in meiner Funktion als Verteidiger bei ihm. In der letzten Zeit waren immer die Strafverteidiger bei ihm. Aber jetzt treten wieder Pressethemen in den Vordergrund. Und als Sprecher des Anwaltsteams wollte ich mit Michael Ballweg die weitere Taktik besprechen.

ET: Wie werden die Anwälte in der Justizvollzugsanstalt behandelt? Wie geht man mit ihnen um?

Christ: Inzwischen sehr gut. Am Anfang sind wir – ich sag’s jetzt mal vorsichtig – behindert worden. Ich war damals der Erste, der Ballweg besuchen konnte, davor war es abgelehnt worden, dass Ballweg mit seinen Verteidigern sprechen durfte.

Mittlerweile werden wir sehr zuvorkommend behandelt in der JVA, da kann ich mich nicht beschweren. Ich bin auch extra noch einmal angerufen worden, um bestätigt zu bekommen, dass der Termin auch stattfinden kann, weil er kurzfristig vereinbart worden ist. Also ich kann nur sagen zuvorkommend.

ET: Wie viele Postsäcke bekommt Michael Ballweg pro Tag?

Christ: Pro Tag kann ich es nicht sagen, aber er kriegt in der Woche mitunter 500 bis 600 Briefe.

ET: Werden auch Briefmarken dazugetan, damit Ballweg antworten kann?

Christ: Das macht Sinn. Er darf allerdings auch da nur eine maximale Anzahl in der Zelle haben. Aber das machen die Menschen auch, die legen ihm was bei und auf die Art und Weise kann er dann antworten und das tut er auch jeden Tag.

ET: Wie geht es Michael Ballweg aktuell? Er ist jetzt wie lange inhaftiert?

Christ: Zeitweise konnte ich es in Tagen sagen. Ich habe heute nicht gezählt, aber es ist mehr als ein halbes Jahr. Am 29. Dezember waren es genau sechs Monate. Und jetzt ist der Januar schon fast wieder vorbei.

ET: Und wie geht es Michael Ballweg gesundheitlich?

Christ: Ich finde, er macht heute einen sehr gefestigten und klaren Eindruck. Er hat auf meine Frage geantwortet, es gehe ihm gut. Natürlich muss man immer sagen, den Umständen entsprechend. Besser, wenn er draußen in Freiheit wäre. Aber inzwischen weiß er, dass er es selbst am wenigsten beeinflussen kann.

Die Anwälte haben ihrerseits fast alles getan, was man in so einem Verfahren tun kann. Es wurden mehrere Haftprüfungstermine beantragt. Es wurden Haftbeschwerden eingereicht, es wurden Befangenheitsanträge gestellt. Und insofern haben die Anwälte alles gemacht. Es ist jetzt für Michael Ballweg klar, dass es ein politisches Verfahren ist und er einfach warten muss.

ET: Wenn das eine Untersuchungshaft ist, gibt es da enge Kontakteinschränkungen zu den Mithäftlingen?

Christ: In der Untersuchungshaft ist man nicht in einem Vollzug, den man aus Filmen kennt. Die Haft soll ja nicht sehr lange dauern und deshalb sind es starke Einschränkungen.

In Stammheim gibt es fünf Häuser. Er ist in einem dieser fünf Häuser untergebracht in einer Einzelzelle. Man kann sich das so vorstellen, dass er von den 24 Stunden am Tag 23 Stunden nicht aus der Zelle rauskommt.

ET: Wie viel Quadratmeter hat seine Zelle?

Christ: Er schätzt die Zelle auf acht Quadratmeter, da ist noch die Toilette dabei. Also man könnte vielleicht sagen: Ein sehr billiges Hotel. Ungefähr so sind Zustand und Zimmergröße.

ET: Gibt es Fenster? Kann Ballweg irgendwas sehen? Sieht er den Himmel?

Christ: Er sieht ein bisschen den Himmel, aber es kommt nur durch ein Lochgitter die Luft rein. Es ist wenig Ausblick da.

ET: Jetzt ist aktuell etwas passiert: Der Haftrichter ist ausgetauscht worden. Dazu müsste man den Lesern kurz erklären, was in dem Kontext „Haftrichter“ bedeutet, was dessen Aufgabe ist …

Christ: Jeder Mensch, der in Untersuchungshaft kommt, wird einem gesetzlichen Richter vorgeführt. Das heißt, es gibt einen konkreten Richter, der durch den Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts zuständig ist. Den kann man sich nicht aussuchen. Den soll der Staat auch nicht extra für ein Verfahren einsetzen können, sondern das ist vorher bestimmt, wer das ist.

Und dieser Richter ist nun in eine andere Abteilung versetzt worden – nach dem Geschäftsverteilungsplan in die Zivilabteilung. Er hat aber noch jede Menge Resturlaub und ist deshalb ab sofort nicht mehr zuständig. Ein sehr ungewöhnlicher Fall, kann man sagen. So etwas habe ich als Anwalt so in meiner fast dreißigjährigen Tätigkeit noch nicht erlebt.

Es gibt immer irgendwie andere Umstände, dass so jemand versetzt wird. Das kommt vor. Aber das Ganze ist im zeitlichen Zusammenhang mit dem vom Ballweg-Verteidigerteam eingereichten Befangenheitsantrag sehr, sehr außergewöhnlich.

ET: Das heißt, es gibt offiziell keinen Bezug zu dem Befangenheitsantrag?

Christ: Offiziell natürlich nicht, aber es ist zeitlich doch sehr auffällig. Die Verteidigung stellt einen Befangenheitsantrag und anstatt dass über diesen jetzt entschieden wird, wird der Richter, man könnte fast sagen, vorsorglich in eine andere Abteilung versetzt.

ET: Sind damit Hoffnungen verbunden?

Christ: Man kann eigentlich nicht sagen, dass damit Hoffnungen verbunden sind. Man kann nur feststellen, dass es jetzt ein anderer Richter ist, der über das weitere Schicksal von Michael Ballweg entscheiden wird. Der allerdings – das ist auch sehr ungewöhnlich – erst am 28. Februar sein Amt antritt.

Das heißt, zwischenzeitlich ist wohl eine Vertretung zuständig, wird man vermuten müssen. Aber ob damit Hoffnungen verbunden sein dürfen, das wird sich zeigen. Sicher ist, dass sich der bisherige Haftrichter aus Sicht der Verteidigung mehrere prozessuale Verstöße hat zuschulden kommen lassen, Verstöße, wegen derer andere Richter bereits Verfahren gegen sich erdulden mussten. Und dass das so ist, wollen wir einfach mal so feststellen.

ET: Aber das hat jetzt keine höhere Instanz festgestellt, dass der Richter sich da schuldig gemacht hat?

Christ: Das wissen wir nicht. Aus Sicht der Verteidigung hat der bisherige Haftrichter jedenfalls prozessuale Fehler begangen. Jetzt ist er aus dem Verfahren herausgenommen worden. Die Justiz neigt dazu, sich da auch ein bisschen selbst zu schützen.

ET: Wie sind jetzt die Zukunftsprognosen aus Sicht der Verteidigung?

Christ: Es gibt immer eine Vertretung. Es kann jetzt durchaus sein, dass in der Zwischenzeit die Vertretung die weiteren Entscheidungen trifft. Oder es passiert einfach nichts bis zum 28. Februar. Wir werden das sehen. Aber die Verteidigung wird es nicht abwarten, sondern wir werden weiterhin darauf dringen, dass zügig entschieden wird, denn jeder Tag ist ein Tag der Freiheitsberaubung.

ET: Viele Interessierte stellen sich die Frage, warum man nicht einfach eine Fußfessel bekommt oder etwas Ähnliches. Oder ist das je nach Bundesland unterschiedlich? Ist so etwas beantragt worden? Es geht ja hier, wenn ich es richtig verstanden habe, hauptsächlich um Fluchtgefahr?

Christ: Es geht nur noch um einen minimalen Betrag. Wir sind hier weit nach unten gerutscht, nachdem die Verteidigung weitgehend entkräften konnte, was von der Staatsanwaltschaft da vermutet wurde.

ET: Und welcher Betrag ist das?

Christ: Aktuell sind es noch 146.000 Euro aus Sicht der Verteidigung, die offen sind.

ET: Offen heißt was?

Christ: Ungeklärt. Und auch bezüglich dieses Betrages ist es nicht so, dass belegt ist, dass er versucht haben sollte, diesen Betrag betrügerisch zu behalten.

Und die Ausgangsfrage war ja, hätte man da jetzt nicht die Möglichkeit mit einer Auflage ihn aus der Haft zu entlassen? Das haben wir bereits im allerersten Termin beantragt und seither in jedem weiteren Termin. Der bisher zuständige Richter hat immer abgelehnt, darüber auch nur ansatzweise zu sprechen.

ET: Also wenn Herr Ballweg von Anfang an – sagen wir mal – als Journalist aufgetreten wäre und wenn er auf einer Website jeden Tag einen Artikel geschrieben hätte, dann wäre das mit den Schenkungen alles leichter gewesen?

Christ: (lacht) Ja, wahrscheinlich. Also inzwischen muss man sich tatsächlich fragen, was hier der eigentliche Kern des Vorwurfs der Staatsanwaltschaft ist. Wir sind ja nur noch im Vorwurf eines versuchten Betruges, ein höchst umstrittenes Konstrukt und das dann kombiniert mit der bloßen Behauptung einer Fluchtgefahr, die auch widerlegt ist.

Da bleibt am Ende nicht mehr viel übrig. Und da wäre es wahrscheinlich für jeden anderen einfacher gewesen. Aber hier sitzt derjenige ein, der Querdenken gegründet hat. Und wir dürfen schon davon ausgehen, dass das eine Rolle gespielt hat bei den Entscheidungen der Staatsanwaltschaft.

ET: Man kann sagen, Michael Ballweg ist seit Frühjahr 2020 der prominenteste Streiter der Corona-Maßnahmenkritik. Seit einigen Woche nun machen Vertreter des Corona-Regimes immer mehr Zugeständnisse an die Maßnahmenkritiker, aber Ballweg sitzt immer noch ein. Sind die Kriegsbeile doch noch nicht begraben?

Christ: Das müsste alles nicht sein, wenn die Staatsanwaltschaft schnell arbeiten würde und mit der gebotenen Beschleunigung, mit entsprechendem Einsatz von Kräften das, was sie eben noch ermitteln will, jetzt ermitteln würde.

Wenn man mich jetzt fragen würde, was die Staatsanwaltschaft gestern, vorgestern oder die Wochen davor ermittelt hat und was sie in den nächsten Wochen noch ermitteln will. Ich könnte es nicht beantworten.

ET: Aber da müsste es doch interne Prüfinstanzen geben, dass klar ist, dass hier wirklich gearbeitet wird, immerhin sitzt da ein Mensch im Gefängnis …

Christ: Ich glaube, das stellt man sich von außen ein bisschen zu einfach vor. Der Haftrichter ist relativ autark, die Staatsanwaltschaft allerdings weisungsgebunden. Prüfungsinstanz ist immer die Haftbeschwerde. Verfahrensfehler dürften eigentlich nicht passieren, hier sind sie passiert.

Wir dringen darauf – das ist die Aufgabe der Verteidigung – dass dieser Moment so schnell wie möglich kommt: Entweder kann keine Anklage erhoben werden, weil die Beweise nicht ausreichen oder sich alle in Luft aufgelöst haben. Oder es müsste endlich eine Anklage erhoben werden und dann würde eine Hauptverhandlung stattfinden.

ET: Man darf wohl nüchtern feststellen: Michael Ballweg ist von Anfang an mit seiner Bewegung diffamiert und diskreditiert worden. Mittlerweile allerdings fangen auch prominente Politiker der  Corona-Maßnahmenbefürworter damit an, sich zu relativieren. Eigentlich müsste doch in diesem Zuge auch die Person Ballweg jetzt eine umfängliche Rehabilitierung erfahren. Das alles müsste sich doch auch in irgendeiner Form auf dieses Verfahren auswirken …

Christ: Ganz im Gegenteil, wir sehen, dass offensichtlich ganz besonders langsam gearbeitet werden soll oder gearbeitet wird – das möchte ich mal dahingestellt lassen.

Wir sehen nur den Zeitablauf. Und wenn ich das mit anderen Fällen vergleiche, die nicht diese Prominenz haben, kann ich sagen, da funktioniert die Justiz eben teilweise ganz anders. Und insofern sehe ich also tatsächlich nicht, dass es sich da irgendwas relativiert. Ich sehe, dass es sich für Michael Ballweg nach wie vor um ein sehr zähes Zeitspiel handelt, in dem er nur abwarten kann und noch nicht mal klar ist, wie lang das Ganze dauert.

ET: Gibt es einen politischen Vertreter, wo man sagen kann, der setzt sich jetzt für Michael Ballweg ein? Erinnern Sie sich da an irgendeine Person, die Ihnen spontan einfällt?

Christ: Also bis jetzt hat sich da niemand vernehmbar hervorgetan. Es haben sich mehrere Abgeordnete verschiedener Parlamente gemeldet. Da will ich aber jetzt nicht in die Details gehen.

ET: Wie lange kann Michael Ballweg längstens in Untersuchungshaft behalten werden?

Christ: Da gibt es keine Zeitbegrenzung. Aber auf europäischer Ebene und vor dem Hintergrund der Menschenrechte geht man davon aus, dass das sehr, sehr kurz nur zu halten ist. Und vor dem Hintergrund kann man die sechs Monate, die in Deutschland praktiziert werden, eigentlich schon menschenrechtswidrig nennen.

ET: Ist der Europäische Gerichtshof dahingehend schon in irgendeiner Form angerufen worden?

Christ: Erst muss der Rechtsweg ausgeschöpft werden. Wir arbeiten aber im Moment an einem Antrag zum Bundesverfassungsgericht. Das wird ein Eilantrag werden und es muss erst der nationale Rechtsweg ausgeschöpft sein, bevor man weitergehen kann.

ET: Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Alexander Wallasch.



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