RSF-Ranking: Weniger Pressefreiheit in Deutschland – und weniger Vertrauen in die Medien

Der aktuellen Rangliste von „Reporter ohne Grenzen“ zufolge ist Deutschland im Bereich der Pressefreiheit abgestiegen. Die Begründung mag überraschen.
Die Ausrüstung eines Kamerateams liegt nach einem Übergriff zwischen Alexanderplatz und Hackescher Markt auf dem Boden.
Die Ausrüstung eines Kamerateams liegt nach einem Übergriff zwischen Alexanderplatz und Hackescher Markt auf dem Boden.Foto: Christoph Soeder/dpa/Archiv
Von 3. Mai 2023

Anlässlich des internationalen „Tags der Pressefreiheit“ hat die NGO „Reporter ohne Grenzen“ (RSF) am Mittwoch, 3. Mai, in Berlin eine Erklärung veröffentlicht. Dieser zufolge ist Deutschland im aktuellen Ranking für 2023 um fünf Plätze auf Rang 21 zurückgefallen. Diese Verschlechterung sei „vor allem mit dem Vorbeiziehen anderer Länder zu erklären, die sich stark verbessert haben“, heißt es vonseiten der Organisation.

RSF: „Pressefreiheit durch gewalttätige Demonstranten in Gefahr“

Es sind jedoch nicht Aspekte wie das EU-weite Verbot ausländischer Medien – wie der russischen Sender RT und Sputnik –, die RSF Sorgen bereiten. Auch die Meinungsmacht der gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Medien oder die Konzentration des Marktes auf wenige Verlage hat das Ranking nicht beeinflusst.

Nach Auffassung von RSF geht die Bedrohung der Pressefreiheit in Deutschland nicht von der Regierung aus, sondern vor allem von Regierungsgegnern. Demnach sei die Anzahl physischer Angriffe auf Journalisten vor allem im Umfeld von Demonstrationen deutlich angestiegen:

Mit 103 physischen Angriffen dokumentiert RSF den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2015.“

Bereits 2021 sei deren Anzahl von 65 auf 80 angestiegen – im Regelfall „in verschwörungsideologischen, antisemitischen und extrem rechten Kontexten“. Gemeint sind damit offenbar Kundgebungen von Gegnern der Corona-Maßnahmen.

Auch wenn diese mittlerweile aufgehoben seien, hätten sich Übergriffe auch am Rande von Demonstrationen zu anderen Themen ereignet. Zwei Drittel der Vorfälle seien dabei in Ostdeutschland geschehen.

Sinkendes Vertrauen in deutsche Medien

Der MDR hat in diesem Zusammenhang 29.000 Personen in seinem Sendegebiet befragt. Von diesen teilen zwei Drittel die Einschätzung, die Gewaltbereitschaft von Demonstranten könnte sich negativ auf den freien Journalismus auswirken. Fast die Hälfte der Befragten bewertete den Zustand der Pressefreiheit in Deutschland als schlecht.

Allerdings zeigt sich unter den Befragten auch ein differenzierteres Bild hinsichtlich der Gründe für die Entwicklung. So ist das Vertrauen in die Medien im Verlauf des Vorjahres weiter gesunken. 50 Prozent der Befragten erklärten, Vertrauen in die deutschen Medien zu haben. Im Jahr zuvor waren es noch 60 Prozent.

Vor allem die Berichterstattung zur Corona-Krise und zum Ukrainekrieg nehmen 56 beziehungsweise 55 Prozent der Befragten als unausgewogen und einseitig wahr. Zu den genannten Kritikpunkten gehörte unter anderem, dass diese durch Ideologie und Stigmatisierung abweichender Positionen bestimmt sei. Dies würde die Spaltung der Bevölkerung vergrößern.

Die öffentlich-rechtlichen Medien empfinden zwar 55 Prozent der Befragten noch als weitgehend glaubwürdig. Gegenüber dem Vorjahr war dies jedoch ein Minus von neun Prozentpunkten. Auch bei den Verlagsprodukten ist die Glaubwürdigkeitseinschätzung von 37 auf 31 Prozent zurückgegangen.

Nordkorea und KP-China auf den letzten Plätzen

International belegen Nordkorea auf Platz 180 und das vom KP-Regime totalitär regierte China auf Platz 179 die letzten Plätze im Ranking. Aktuell säßen in China mindestens 100 Journalisten im Gefängnis, heißt es bei RSF:

Mehr als zehn von ihnen könnten im Gefängnis sterben, wenn sie nicht sofort freigelassen werden.“

Auch in Vietnam (Platz 178) befänden sich zahlreiche Journalisten in Haft. Die Bedingungen seien dabei besorgniserregend: Es komme zu Misshandlung und Isolation der Betroffenen, zudem verweigere man ihnen die ärztliche Versorgung.

Auch die Anzahl der Inhaftierten Journalisten habe zugenommen und befinde sich auf einem Rekordhoch, erklärte Geschäftsführer Christian Mihr. Die meisten Morde an Journalisten ereigneten sich in Mexiko, das größte Verhaftungsrisiko bestehe in Ländern wie Vietnam, Myanmar und Belarus. Die Anzahl der Demokratien, die Pressefreiheit achteten, sei weltweit rückläufig.

RSF attestiert Ukraine Fortschritte im Bereich der Pressefreiheit

Umso überraschender mag es erscheinen, dass die Ukraine sich im Ranking von RSF von Platz 106 auf Platz 79 verbessert hat – und damit sogar noch vor dem EU-Mitgliedstaat Griechenland liegt. Dabei hat die Führung in Kiew im Zusammenhang mit dem Krieg weitere oppositionelle Medien und Parteien untersagt. Gleichzeitig versucht diese sogar, auf die Berichterstattung ausländischer Medien Einfluss zu nehmen. So erhielten Berichten zufolge serbische Zeitungen „Handreichungen“, in denen sie angehalten wurden, Formulierungen zu wählen, die ukrainischen Interessen gerecht würden.

Für einen Mordanschlag auf den Militärblogger Wladlen Tatarski in Sankt Petersburg wird der ukrainische Geheimdienst verantwortlich gemacht. Aber auch bereits vor dem Beginn der russischen Militäroperation im Februar 2022 mussten Journalisten in der Ukraine um ihre Freiheit und ihr Leben fürchten. Im März 2023 berichtete etwa Kirill Wyschinski über seine 16 Monate andauernde Inhaftierung in den Jahren 2018 und 2019. Sein „Verbrechen“ bestand darin, Korrespondent der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA zu sein. Im Rahmen eines Gefangenenaustausches kam er schließlich frei.

Mehrere Jahre in Haft mussten seit 2014 auch Journalisten wie Ruslan Kotsaba, Dmitri Wassilez und Wassili Murawizki verbringen. Der Antikriegsblogger Oles Busina wurde 2015 mutmaßlich von Neonazis ermordet – eine Anklage gibt es bis heute nicht.

RSF bescheinigt der Ukraine demgegenüber, dass unabhängige Medien sich wirtschaftlich stabilisiert hätten und der Einfluss sogenannter Oligarchen zurückgegangen sei. Zudem ist lediglich die Rede von behaupteten „russischen Kriegsverbrechen gegen Medienschaffende“.

Julian Assange nach wie vor in Auslieferungshaft

Nach Norwegen, das zum siebten Mal in Folge den ersten Platz im Ranking einnahm, verbesserte sich Irland auf Platz 2. Dies, obwohl sich bereits ein Gesetz gegen sogenannte Hassrede in der Vorbereitung befand, das zu den unbestimmtesten und weitreichendsten Gesetzen weltweit gehört.

Auch die baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland finden sich weit vorn auf den Plätzen 7, 8 und 16 wieder. Lettland habe sich dabei um mehrere Plätze verbessert – obwohl es im Vorjahr beispielsweise zur Inhaftierung des russischen Journalisten Marat Kasem und der Bloggerin Tatjana Andriez gekommen war.

Kritische Erwähnung fand immerhin die anhaltende Inhaftierung des „Wikileaks“-Gründers Julian Assange. Der Investigativjournalist befindet sich nach wie vor in britischer Auslieferungshaft. Ihn erwartet in den USA eine Anklage nach dem „Espionage Act“. Assange hatte Dokumente veröffentlicht, die auf mögliche Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan hinweisen. Die USA werfen ihm vor, dadurch Quellen von US-Geheimdiensten enttarnt und diese damit gefährdet zu haben.

(Mit Material von dpa)



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