Scheitert die Verlängerung der Energiepreisbremse am Zeitmangel?

Nach Ansicht verschiedener Energieversorgungsverbände wird es nicht gelingen, die geplante Verlängerung der Energiepreisbremse juristisch sauber umzusetzen: Es fehle an Zeit, gesetzlichen Grundlagen und IT-Personal. Zudem sei das Okay aus Brüssel immer noch nicht erfolgt.
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Hat die Bundesregierung mit der Verlängerung der Energiepreisbremse zu lange gewartet? Den Versorgern läuft die Zeit davon, der Endkunde könnte das Nachsehen haben.Foto: iStock
Von 27. Oktober 2023

Um die Verbraucher zu entlasten, will die Bundesregierung ihre Energiepreisbremsen über das Jahresende hinaus bis zum 30. April 2024 verlängern. Einen entsprechenden Referentenentwurf der „Preisbremsenverlängerungsverordnung“ (PBVV) hatte die Bundesregierung bereits am 23. Oktober an die involvierten Verbände der Energiewirtschaft geschickt.

Die ersten Reaktionen der Verbände geben aus Sicht der Verbraucher keineswegs Anlass zum Optimismus: Selbst wenn Berlin es demnächst schaffen sollte, die wettbewerbsrechtlich erforderliche Genehmigung aus Brüssel zu erhalten, könnte das Vorhaben unter anderem am inzwischen arg engen Zeitfenster scheitern, wie die Zeitung „Welt“ berichtet. Endkunden müssten sich deshalb „bereits zum Jahreswechsel auf höhere Strom- und Gaspreise einstellen“.

Zu wenig Informationen, zu wenig Zeit

Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) beispielsweise hält es schon jetzt für unmöglich, seine Endkunden juristisch sauber und fristgemäß über die Konsequenzen einer Preisbremsenverlängerung zu informieren: Es fehle inzwischen einfach an genügend Zeit, um alle nötigen Arbeiten umzusetzen.

Alle Informationen zu den Energiepreisen ab Januar müssten den Unternehmen spätestens Mitte Oktober vorliegen, um die notwendigen Informationen für die Kunden vorzubereiten. Davon sind wir wieder weit entfernt“,

kritisierte der VKU am 25. Oktober in seiner offiziellen Stellungnahme (PDF). Eigenen Angaben zufolge sind mehr als 1.550 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen im VKU organisiert.

Warten auf die EU-Kommission

Nach Angaben von Beate Baron, Pressesprecherin in Robert Habecks Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), darf die Bundesregierung eine Verlängerung ihrer Rabattaktion für die Endverbraucher aber noch nicht einmal im Alleingang durchsetzen: „Das geht nicht ohne beihilferechtliche Grundlage, und über die verhandeln wir mit der Europäischen Kommission“, erklärte Baron am 20. Oktober während der Regierungspressekonferenz. Das BMWK habe gegenüber der EU-Kommission im September „noch einmal die Dringlichkeit deutlich gemacht“. Noch aber liefen die Gespräche weiter.

Erst wenn die EU-Kommission grünes Licht für die „beihilferechtliche Grundlage“ gebe, könne die Verlängerung per gesetzlicher Änderung durch den Bundestag beschlossen werden. „Insofern sind das Entscheidende, das wir jetzt tun, die Gespräche mit der Europäischen Kommission“, betonte Baron (Video auf YouTube).

VKU: „Zeitrahmen zu eng“

Laut Stellungnahme des Stadtwerkeverbands VKU gibt es derzeit allerdings „noch nicht einmal einen offiziellen Zeitrahmen“, innerhalb dessen die EU-Kommission sich festlegen müsse.

Das BMWK habe zwar „angedeutet“, dass „eine entsprechende Positionierung der Europäischen Kommission noch im Oktober erfolgen könnte“, den „befristeten Krisenrahmen“ für Deutschland zu verlängern. Für den VKU aber bleibe der „Zeitrahmen“ damit „trotzdem noch zu eng“. Der Verband moniert:

Selbst wenn die Europäische Kommission eine Verlängerung ohne weitere Bedingungen zulässt, ergeben sich zahlreiche neue Fragen, die mit den bisherigen Energiepreisbremsengesetzen noch nicht beantwortet werden können. Dies gilt noch in gesteigertem Maße, wenn eine Verlängerung nur unter weiteren Bedingungen genehmigt wird.“

Zudem würden im Referentenentwurf zur PBVV noch weitere „wesentliche Regelungen“ fehlen, die bei den betroffenen Dienstleistern für mehr „Klarheit und Rechtssicherheit“ sorgen könnten. Dadurch drohe den VKU-Unternehmen „zum zweiten Mal in Folge eine Umsetzung unklarer und unvollständiger Vorgaben Mitte Dezember“, bemängelte der Verband. Außerdem lasse sich schon jetzt absehen, dass es nicht gelingen werde, die „notwendige flächendeckende Unterstützung durch IT-Dienstleister“ zu beschaffen.

VKU-Vorschlag: Sieben Prozent Umsatzsteuer beibehalten, auf Preisbremse verzichten

Um die Verbraucher dennoch entlasten zu können, schlug der VKU vor, die Energiepreisbremsen zum 31. Dezember zu beenden und stattdessen den schon länger auf sieben Prozent gesenkten Umsatzsteuersatz auf Erdgas und Wärme bis zum 31. März 2024 beizubehalten. Der Umsatzsteuersatz soll nach dem Willen der Bundesregierung nämlich zum Jahresende wieder auf 19 Prozent ansteigen – drei Monate früher als ursprünglich anvisiert.

Nach Angaben der „Welt“ sieht auch der Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) die vorzeitige Rückkehr zu 19 Prozent Steuer für den falschen Weg. Kerstin Andreae, BDEW-Hauptgeschäftsführerin und früher für die Grünen im Bundestag aktiv, empfahl den Abgeordneten, dieses Gesetzesvorhaben noch zu stoppen. Andernfalls nämlich würde für Haushalte „mitten in der Heizsaison“ der Preis für Gas- und Fernwärme um mehr als zehn Prozent steigen, erklärte Andreae in einem „Welt“-Gastbeitrag.

BDEW: „Was sich nicht wiederholen darf …“

Andreae plädierte allerdings dafür, die Energiepreisbremsen bis zum 31. März 2024 zu verlängern. Dass in Sachen Preisbremse noch keine Entscheidung gefallen sei, sei „aus Sicht der Energiewirtschaft […] ein Unding“. Auch Andreae mahnte angesichts der „gesetzlichen Vorgaben und Fristen“ zu mehr Tempo:

Was sich nicht wiederholen darf, ist eine schwierige und hektische Situation wie zum Jahreswechsel 2022/2023, als die Energieversorger zur Umsetzung der hochkomplexen Preisbremsen innerhalb kürzester Zeit durch aufwendige Umstellungen der IT-Systeme Abrechnungsverfahren für über 40 Millionen Haushalte sowie für tausende Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft organisieren mussten.“

Auch der VKU hatte zu bedenken gegeben, dass die „kommunalen Energieversorger“ bereits „im vergangenen Jahr mit der Dezemberhilfe und in diesem Jahr mit den Energiepreisbremsen einen gewaltigen Kraftakt gestemmt“ hätten. Das habe „zu einem hohen administrativen Aufwand und zu zahlreichen Konflikten mit Kunden geführt, weil die Regelungen sehr kurzfristig umgesetzt werden mussten und weil auch fast ein Jahr nach Inkrafttreten noch viele rechtliche Fragen ungeklärt bleiben“. Und weiter:

Es ist für die Unternehmen nicht zumutbar, nunmehr nochmals sehr kurzfristig Regelungen umsetzen zu müssen, deren Umfang und Tragweite im ungünstigsten Fall erst Mitte Dezember klar sein werden.“

Bne: „Verpflichtung zu objektiv unmöglichem Verhalten ist unzulässig“

Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) hält eine „einfache Verlängerung der Preisbremsen im Wege der Verordnung“ allein für „nicht ausreichend, um eine ordnungsgemäße Abwicklung durch die Energiewirtschaft sicherzustellen“. Die Branche brauche vielmehr „eine ausreichende Vorlauffrist“ und „weitere Anpassungen der gesetzlichen Grundlagen“, heißt es in der bne-Stellungnahme (PDF) zum Verordnungsentwurf.

„Bereits eine kurze Sichtung der Rechtslage“ habe „deutlich gemacht, dass eine ganze Reihe der geltenden Vorgaben für eine Verlängerung der Maßnahme bis zum 30.04.2024 anpassungsbedürftig“ seien. Schon jetzt lasse sich aber klar sagen, dass „eine Umsetzung mit Beginn des nächsten Jahres faktisch nicht mehr möglich“ sei, argumentierte der bne im Einklang mit dem VKU. Denn immerhin habe das Bundeswirtschaftsministerium in seinem PBVV-Referentenentwurf „höchstselbst“ festgestellt, dass „eine Verlängerung des zeitlichen Anwendungsbereichs der Regelungen durch Bundesgesetz nicht mehr rechtzeitig vor Ablauf des Jahres 2023 erfolgen“ könne. „Eine Verpflichtung der Unternehmen zu einem objektiv unmöglichen Verhalten“ sei aber „unzulässig“.

Wie geht es weiter?

Nach Angaben der „Welt“ wird das Bundeskabinett erst wieder am 1. November zusammentreten, um die Energiepreisbremsen-Thematik unter Berücksichtigung der verschiedenen Verbandsstellungnahmen zu besprechen und einen gegebenenfalls geänderten Entwurf abzusegnen. Vorausgesetzt die EU-Genehmigung für den „befristeten Krisenrahmen“ werde noch erteilt, könne der Bundestag das Verlängerungsgesetz dann frühestens am 15. Dezember verabschieden.

Das aber würde nach Einschätzung des Energieberatungsunternehmens ISPEX auf jeden Fall „weitere Anpassungen des Strompreisbremsegesetzes und des Erdgas- und Wärmepreisbremsegesetzes notwendig machen“. Und auch dafür könnte es zeitlich eng werden, denn der Bundestag werde sich 2023 nur noch in insgesamt vier Sitzungswochen versammeln.

Was die Kosten für eine Verlängerung angeht, rechne die Bundesregierung laut Gesetzentwurf mit gut 14 Milliarden Euro, nämlich mit 6,4 Milliarden für die Subventionierung von Strom und mit 7,7 Milliarden für Gaszuschüsse. „Die erforderlichen Mittel für die Fortführung der Preisbremsen sollen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfond (WSF) bereitgestellt werden“, so ISPEX.

Preisbremsen aktuell

Nach Angaben des „Spiegel“ liegen die derzeitigen Preisdeckel „für Gas bei zwölf Cent pro Kilowattstunde für Privathaushalte, bei Fernwärme bei 9,5 Cent und bei Strom bei 40 Cent“. Nähere Angaben zur detaillierten Ausgestaltung der „Preisdeckel für Strom, Gas und Wärme“ finden Sie auf den Netzseiten der Bundesregierung.



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