Strafanzeige gegen Bundespräsidenten wegen Äußerung zur Streumunition

Der Berliner „Willy-Brandt-Kreis“ und der Bonner Mathematiker Wolf Göhring sind entschiedene Gegner der Entscheidung von Joe Biden, der Ukraine Streumunition zu liefern. Göhring hat den Bundespräsidenten angezeigt – wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Unbeachtet dessen verwendet die Ukraine mittlerweile Streumunition gegen Russland.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht beim Sommerinterview von «Berlin direkt» mit der ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten zusammen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte im „ZDF-Sommerinterview“ betont, der Regierung Joe Biden bei ihren Streumunitionslieferungen an die Ukraine „nicht in den Arm fallen“ zu wollen. Kritiker sehen das als Bruch des Völkerrechts.Foto: Jann Höfer/ZDF/dpa
Von 21. Juli 2023

Als Bundespräsident ist Frank-Walter Steinmeier (SPD) automatisch immun gegen Strafverfolgung. Trotzdem hat der Bonner Mathematiker Wolf Göhring vor wenigen Tagen Strafanzeige bei seiner örtlichen Staatsanwaltschaft gegen das Staatsoberhaupt gestellt.

Er sieht in Steinmeiers Bemerkung, man solle den USA bei ihren Lieferungen von Streumunition an die Ukraine „nicht in den Arm fallen“, einen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.

Göhring ist sich wohl bewusst, dass die Ermittlungsbehörden höchstwahrscheinlich nicht gegen Steinmeier vorgehen würden, solange der Bundestag nicht dessen Immunität aufhebe. Mit seiner Strafanzeige wolle er vielmehr „eine Debatte zu Steinmeiers Äußerung anstoßen“, erklärte Göhring im Gespräch mit dem Onlineportal „Telepolis.de“.

Dadurch hoffe er, letztlich doch „konkret“ zu erreichen, „dass diese verbotenen Waffen auf keinem Weg in die Ukraine gelangen“. Es sei seiner Ansicht nach notwendig, „die Barbarei dieser Waffen, die Verseuchung weiter Gebiete der Ukraine mit Blindgängern, die Verstöße gegen Recht und Gesetz [zu] verdeutlichen“.

Unterdessen meldet die „Süddeutsche Zeitung“, dass die Ukraine mittlerweile über Streumunition verfüge und diese auch schon im Einsatz sei. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, hat gestern mitgeteilt: „Sie setzen sie angemessen ein, sie setzen sie effektiv ein“. Wo die Streumunition eingesetzt wird, sagte Kirby nicht.

„Wenn’s ernst wird, sollen wir’s nicht ernst nehmen“

Den Standpunkt Steinmeiers nach dem Motto „Wenn’s ernst wird, sollen wir’s nicht ernst nehmen und niemandem in den Arm fallen“, lehne er ab.

Göhring gab zu bedenken, dass die Bundesregierung sich mit der Ratifizierung des „Oslo-Übereinkommens“ (PDF) zum Verbot und zur Ächtung von Streumunition am 8. Juli 2009 selbst dazu verpflichtet habe, sich gegen die Verwendung solcher Waffen einzusetzen. Damit sei automatisch auch das Kriegswaffenkontrollgesetz berührt worden: Der „Umgang mit diesen Waffen“ sei „verboten und mit Haft bedroht“.

Durch das Ratifikationsgesetz wurde aus dem Abkommen ein innerstaatliches Gesetz mit klaren Straftatbeständen. Es ist unsere Sache als mündige Bürger, die Einhaltung eines solchen Gesetzes von jedermann, auch vom Bundespräsidenten, mit den Mitteln innerstaatlichen Rechts einzufordern.“ (Wolf Göhring)

„Auch das Fördern des Umgangs“ mit Streumunitionswaffen sei „verboten“, stellte Göhring fest. Dazu gehöre auch „ein Unterlassen von Maßnahmen […], die den Umgang verhindern würden“. Steinmeier aber, so Göhring, erwecke mit seinen Worten bei ihm den Eindruck, „diese Verbotstafel wegzuräumen“ zu wollen.

In der Tat heißt es schon in Artikel 1 des Osloer Übereinkommens:

Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, unter keinen Umständen jemals
a) Streumunition einzusetzen, […]
c) irgendjemanden zu unterstützen , zu ermutigen oder zu veranlassen, Tätigkeiten vorzunehmen, die einem Vertragsstaat aufgrund dieses Übereinkommens verboten sind.

Und weiter in Artikel 21, Absatz 2:

Jeder Vertragsstaat […] bemüht sich nach besten Kräften, Staaten, die nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, vom Einsatz von Streumunition abzubringen.“ (Hervorhebungen: Epoch Times)

Göhring ist der Meinung, dass „die Bundesregierung den verbotenen Einsatz“ durch die Ukraine dagegen fördere, wenn „aus Geschützen, die die deutsche Bundesregierung an die Ukraine lieferte, Streumunition verschossen werden sollte“. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ wäre dies technisch beispielsweise über das Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesystem „Mars-MLRS aus deutscher Produktion“ möglich. Deutschland hatte solche Geräte bereits im Winter 2022/23 an die Ukraine geliefert.

Göhring meint, dass der Bundesregierung nun das Recht und die Pflicht obliege, entweder diese „Geschütze zurück[zu]beordern“ oder „den Einsatz von Streumunition mit diesen Geschützen [zu] untersagen“. Im letzteren Fall könne man sich ja Garantien zur Einhaltung aushändigen lassen.

Sollte sich die Regierung tatsächlich noch entscheiden, die deutschen Geschütze zurückzubeordern, könne das zwar „peinlich“ werden, „aber das Gesetz ist so“, meint Göhring. Nun sei es die „Sache von Staatsanwälten und Gerichten“, „Klarheit zu finden“.

Den genauen Wortlaut von Göhrings Strafanzeige gegen den Bundespräsidenten finden Sie ebenfalls bei „Telepolis.de“.

Willy-Brandt-Kreis: USA-Entscheidung „völkerrechtlich falsch und politisch folgenreich“

Am 17. Juli hatte auch der Berliner Willy-Brandt-Kreis eine Stellungnahme zur Lieferung von Streumunition durch die Vereinigten Staaten an die Ukraine veröffentlicht (PDF). Ähnlich wie Göhring hält der Verein die Entscheidung der Regierung Joe Biden „für völkerrechtlich falsch und politisch folgenreich“. Das sähen auch „große Teile der Zivilgesellschaft in den USA sowie einige Senatoren im US-Kongress“ so.

Der Willy-Brandt-Kreis verurteilt auch den Einsatz der geächteten Waffen durch Russland und die Ukraine: „Für die Beurteilung des Sachverhalts der Völkerrechtswidrigkeit kann es keine Rolle spielen, dass weder Russland, [sic] noch die USA oder die Ukraine die Konvention ratifiziert haben“.

Beim Willy-Brandt-Kreis handelt es sich um eine Vereinigung, deren Mitglieder sich zur Aufgabe gemacht haben, „Völkerverständigung“ und „Bildungsarbeit“ zu „Fragen der ökonomischen, kulturellen, ökologischen und sozialen Situation“ auf der Grundlage der Ideen des verstorbenen Bundeskanzlers Willy Brandt zu fördern. Dazu veranstaltet der Kreis „Vorträge, Diskussionsveranstaltungen und Seminare“. Derzeit leitet die ehemalige Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) den Verein.

Kein Klartext vonseiten der Bundesregierung und des Ethikrats

Die Epoch Times hatte kürzlich auch beim Deutschen Ethikrat um eine Stellungnahme zur Streumunitionsdebatte gebeten. Der Rat wollte sich aber nicht dazu äußern: „Tagespolitische Äußerungen von Mitgliedern der Bundesregierung oder des Bundestages“ zu kommentieren, gehöre nicht zu den Aufgaben des ehrenamtlichen Gremiums.

Ob die Bundesregierung alles unternommen hatte, um die USA von der Lieferung abzubringen, darüber gab es auch auf der Bundespressekonferenz vom 10. Juli keine eindeutige Antwort vonseiten der Regierungsvertreter.

Immunität kann nur der Bundestag aufheben

Der Bundespräsident genießt nach Artikel 60, Absatz 4 des Grundgesetzes (GG) Immunität. Die Regelung für den Präsidenten entspricht damit jenen Vorschriften aus Artikel 46, Absätze 2 bis 4 GG, die sich auf Abgeordnete des Bundestags beziehen:

(2) Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, dass er bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird.
(3) Die Genehmigung des Bundestages ist ferner bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oder zur Einleitung eines Verfahrens gegen einen Abgeordneten gemäß Artikel 18 erforderlich.
(4) Jedes Strafverfahren und jedes Verfahren gemäß Artikel 18 gegen einen Abgeordneten, jede Haft und jede sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit sind auf Verlangen des Bundestages auszusetzen.

Stichwort Streumunition: Blindgängergefahr

Bei Streumunition handelt es sich um größere Fluggeschosse, die nach einem ähnlichen Prinzip wie Silvesterfeuerwerksraketen oder Schrotkartuschen funktionieren. Im Inneren der Geschosse verstecken sich „kleinere Sprengkörper – sogenannte Submunition – mit jeweils weniger als zwanzig Kilogramm Gewicht“, schreibt das Auswärtige Amt. Im Anflug auf ein Ziel werde die Sprengkörperladung freigesetzt, sodass der kleinteilige Inhalt Zerstörung auf einer relativ großen Fläche anrichten könne.

„Gefährlich ist Streumunition vor allem deshalb, da ein erheblicher Prozentsatz der Submunitionen nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und die Bevölkerung gefährdet“, erklärt das Auswärtige Amt. Es bestehe die Gefahr einer Verwechslung, insbesondere mit Spielzeug. „Dadurch bringt Streumunition besonders die Zivilbevölkerung in Gefahr, nicht nur während des Einsatzes, sondern noch lange nach Beendigung eines militärischen Konflikts.“



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