Streit um „plötzliche und unerwartete“ Todesfälle entbrannt

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) haben mit Unverständnis und Kritik auf die Pressekonferenz der AfD zur Analyse von „plötzlichen und unerwarteten“ Todesfällen seit 2021 reagiert. Datenanalyst Tom Lausen geht von Missverständnissen aus – und bietet an, die Datengrundlagen gemeinsam zu bewerten.
Titelbild
Der Datenanalyst Tom Lausen bietet eine gemeinsame Analyse der KBV-Datensätze an.Foto: Getty Images/Privat
Von 14. Dezember 2022


Nach der Vorstellung und Interpretation von offiziellen Datensätzen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) über „plötzliche und unerwartete“ Todesfälle in Deutschland am 12. Dezember durch die AfD hat sich der KBV-Vorstandsvorsitzende, Dr. Andreas Gassen, kritisch zu Wort gemeldet. „Diskussionen und Debatten müssen sein, aber nicht so, indem in Zahlen etwas hinein interpretiert wird, was sie einfach nicht hergeben“, erklärte Gassen in einer Pressemitteilung vom 13. Dezember 2022.

„Pandemiebedingte Übersterblichkeit“

„Aufgrund der von der KBV an die AfD übermittelten Abrechnungsdaten bzw. ICD-10-Codes lassen sich keine Kausalzusammenhänge zwischen COVID-19-Schutzimpfungen und Todesfällen herstellen“, schrieb Gassen. Die KBV gehe davon aus, „dass es sich bei der dargestellten Zunahme der Todesfälle in den Quartalen I-IV 2021 und Quartal I 2022 größtenteils um eine pandemiebedingte Übersterblichkeit“ handele. „Ohne die Impfung wäre die Übersterblichkeit wahrscheinlich weit höher gewesen.“

Lausen und Sichert fordern Aufklärung durch PEI

Am Vortag hatten der Datenanalyst Tom Lausen und der gesundheitspolitische Sprecher der AfD, Martin Sichert, gemeinsam die umstrittenen Datensätze in den Bundestagsräumlichkeiten der AfD präsentiert. [Die Epoch Times berichtete, Video auf YouTube]. Sie basierten auf den Zahlen der KBV – der zentralen und ranghöchsten Datensammelstelle für das deutsche Gesundheitssystem.

Sichert und Lausen betonten dabei mehrfach, nicht sagen zu können, „dass der Anstieg der plötzlichen und unerwarteten Todesfälle direkt von der Impfung“ herrühre. Es bestehe lediglich ein Verdacht, dass dem so sein könnte. Es sei nun die Aufgabe des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), den Sachverhalt näher zu untersuchen. Sichert bezeichnete es als „Skandal“, dass das PEI seiner gesetzlichen Pflicht zur Untersuchung der Daten seit vielen Monaten nicht nachgekommen sei. Bis Klarheit zu den Ursachen der Ausreißer herrsche, müsse die Verabreichung von Corona-Impfstoffen gestoppt werden, so eine der Forderungen Sicherts.

Zi: „Aufregung entbehrt jeglicher Grundlage“

Auch das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) lehnt die Analyse von Lausen und Sichert ab. „Die Aufregung um möglicherweise gestiegene Todesfälle 2021 entbehrt jeder Grundlage“, schrieb der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried in einer Pressemitteilung vom 13. Dezember. „Tatsächlich zeigt die Entwicklung der jährlichen rohen Diagnoseprävalenz nach Auswertung der vollständigen vertragsärztlichen Abrechnungsdaten für die Jahre 2012 bis 2022 im gesamten Zeitraum keine Auffälligkeiten für die einzelnen von der AfD hervorgehobenen Diagnoseschlüssel (ICD-10-Kodierungen R96-R98, I46.1, I46.9).“

Die durch Lausen und Sichert genutzte – und nach Auffassung des Zi fehlinterpretierte – Datenauswahl sei durch insgesamt drei Anfragen des AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Sichert an die KBV zustande gekommen, erläuterte von Stillfried.

  • In Schritt 1 habe Martin Sichert „Daten aller gesetzlich Krankenversicherten gefordert, die 2021 eine ICD-Kodierung zu Impfnebenwirkungen (Kodierungen T88.1, T88.0, U12.9 und Y59.9) erhalten“ hätten. Nach Auskunft der KBV [siehe Grafik unten] waren in diesem „Paket 1″ die Daten von 2.468.531 gesetzlich versicherten Patienten übermittelt worden.
  • In Schritt 2, so Dominik von Stillfried weiter, habe Sichert die Daten des aus Schritt 1 „identifizierten Versichertenkollektivs“ genutzt, um die „Häufigkeiten aller Diagnosekodierungen für den Zeitraum 2016 bis 2021 nach Quartalen“ auflisten zu lassen. [Anm. d. Red.: Dieses „Paket 2″ enthält somit weitere Daten derselben 2.468.531 Versicherten aus „Paket 1″]
  • In Schritt 3 habe sich Sichert „die Häufigkeit aller Diagnosekodierungen für die übrigen gesetzlich Krankenversicherten (abzüglich des unter Schritt 1 fallenden Versichertenkollektivs) für den Zeitraum 2016 bis 2021 nach Quartalen“ geben lassen. Nach Auskunft der KBV waren in diesem „Paket 3“ die entsprechenden Daten von 69.573.152 gesetzlich versicherten Patienten übermittelt worden [siehe Grafik unten].

Der „scheinbare Anstieg der Kodierungen für Todesfälle“, so die Schlussfolgerung Dominik von Stillfrieds, sei „eine logische Konsequenz der Datenauswahl und methodisch als Kohorten-Effekt bekannt“. Von Stillfried weiter: „Bei dem sehr seltenen Auftreten einiger Kodierungen für Todesfälle in vorausgegangenen Jahren kann es sich bei dieser Kohorte hingegen nur um Fehler bei der Eingabe oder Übertragung handeln.“

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung zu den Datenpaketen:

 

 

KBV-Stellungnahme zur Datenanalyse von Tom Lausen (Ausschnitt)

KBV-Stellungnahme zur Datenanalyse von Tom Lausen (Ausschnitt)

 

Lausen für gemeinsame Evaluation

Für Datenanalyst Tom Lausen bestehen nach diesen Darlegungen offenbar „Missverständnisse zwischen KBV und Zi“. „Ich weiß nicht, wieso das Zi zu der Auffassung gelangt ist, dass das Datenpaket 3 nur Versicherte enthält, die 2021 eine Leistung in Anspruch nahmen (also wesentlich weniger als 69,5 Mio.)“, schrieb Lausen auf seinem Telegram-Kanal. Wenn man die Pakete 2 und 3 addiere, erhalte man Daten von rund 72 Millionen gesetzlich versicherten Menschen. Also genau die Menge an Datensätzen, die er in Zusammenarbeit mit Sichert ausgewertet hatte. „Um die Kollektive in den Schritten 2 und 3 vergleichen zu können, muss sich der gesamte Datensatz auf Versicherte beziehen, die im Jahr 2021 mindestens eine ärztliche Leistung in mindestens einem Quartal in Anspruch genommen haben. Auf Basis der ersten Anfrage müssen wir davon ausgehen, dass wir im Paket 69,5 Mio. Versicherte haben, was auch zu den Häufigkeiten in den Daten passt“, schrieb Lausen. „Ich freue mich über Kontakt zum Zi, damit wir gemeinsam die Datengrundlagen evaluieren können“, schrieb Lausen.

Ausreißer bei Diagnosevorkommen

Lausen hatte bereits in der Pressekonferenz am 12. Dezember auf die Website „CORIH.de“ hingewiesen, die er im Auftrag des Medizinischen Behandlungsverbunds GmbH selbst programmiert habe und auf der diverse „Ausreißer bei Diagnosevorkommen in 2021“ zu finden seien. Nicht nur die „plötzlichen und unerwarteten“ Todesfälle seien bemerkenswert, sondern vor allem die Daten über Erkrankungen, die sich anhand der KBV-Datensätze belegen ließen. Einige Beispiele:

ICD-Code R98 (Tod ohne Anwesenheit anderer Personen) habe 496 Treffer zutage gefördert. Das bedeute einen Überhang von 429 Fällen (plus 640 Prozent), wenn man von einem Durchschnittswert der vergangenen Jahre in Höhe von 67 ausgehe.

ICD-Code K57.02 (Divertikulitis des Dünndarmes mit Perforation und Abszess, ohne Angabe einer Blutung) habe 12.823 Treffer erbracht. Das bedeute einen Überhang von 3.393 Fällen (plus 36 Prozent), wenn man von einem Durchschnittswert der vergangenen Jahre in Höhe von 9.430 Fällen ausgehe. Auch die übrigen Diagnosen, die sich zu Divertikelkrankheiten des Darmes gefunden hätten, wiesen dabei Steigerungsraten zwischen 15 und 112 Prozent auf.

ICD-Code 140.1 (Isolierte Myokarditis) habe 1.787 Treffer erbracht. Das bedeute einen Überhang von 412 Fällen – ein Plus von 30 Prozent gegenüber dem Durchschnittswert der vorangegangenen Jahre.

Ein Plus von 60 Prozent habe es beispielsweise bei Fällen von „Sekundärer bösartige Neubildung der Pleura“ (ICD-Code C78.2) gegeben.

Einen Anstieg von 164 Prozent habe es 2021 bei Diagnosefällen von Adulte(s) T-Zell-Lymphom/Leukämie (HTLV-1assoziiert) gegeben (ICD-Code C91.5).

Verdachtsfälle

Nach einem aktuellen Artikel des „Multipolar-Magazins“ hatte das Paul-Ehrlich-Institut bereits 2021 von 2.255 „Verdachtsfällen von Nebenwirkungen mit tödlichem Ausgang“ nach einer Anti-Corona-Impfung gesprochen. Der Regensburger Psychologe Prof. Dr. Christof Kuhbandner habe nach eigenen Untersuchungen im Januar 2022 von einem „zeitlichen Zusammenhang zwischen den COVID-Impfungen und den Todesfällen“ berichtet. Sein Résumé: „Steigt die Anzahl der COVID-Impfungen, so steigt auch die Anzahl der Todesfälle, sinkt die Anzahl der COVID-Impfungen, so sinkt auch die Anzahl der Todesfälle“.

Nach einem Bericht der „Berliner Zeitung“ hatte rund einen Monat später der Krankenkassenchef Andreas Schöfbeck von der BKK ProVita aufgrund der ihm bekannten Datenlage brieflich vor Impfnebenwirkungen gewarnt: Womöglich gebe es zehnmal mehr Impfnebenwirkungen als offiziell zugegeben. Der Verwaltungsrat seines Arbeitgebers sprach ihm die fristlose Kündigung aus, noch bevor Schöfbeck seine Sicht der Dinge vor dem Paul-Ehrlich-Institut darlegen konnte.



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