Berichte: SPD-naher Ex-Lehrer wollte Bayerns Vize-Regierungschef stürzen

Neusten Informationen nach hat ein ehemaliger Deutschlehrer des bayerischen Vize-Regierungschefs Aiwanger die Sache mit dem antisemitischen Flugblatt ins Rollen gebracht. Doch, dass es dabei juristisch stets mit rechten Dingen zuging, wird bezweifelt.
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Symbolbild: Für den Umgang mit Schuldokumenten gelten bestimmte Regeln. Hat sich der „Whistleblower“ in der Flugblattaffäre korrekt verhalten?Foto: Bernd Weissbrod/dpa
Von 2. September 2023

Der ehemalige Deutschlehrer Franz G. von Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger gerät immer mehr ins mediale Rampenlicht, auch wenn er sich seit Bekanntwerden der Flugblattaffäre keinem Pressevertreter gestellt hat.

Mehreren Medienberichten zufolge soll der Pensionär den ganzen Skandal um das antisemitische Flugblatt aus Aiwangers Pennälerzeit losgetreten haben, indem er der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) von der Geschichte erzählte.

Das geht aus „übereinstimmenden Aussagen zahlreicher ehemaliger Mitschüler“ hervor, die in den vergangenen Tagen unter anderem von „Apollo-News“ kontaktiert worden waren. Sie alle waren einst Schüler des Burkhart-Gymnasiums in Mallersdorf-Pfaffenberg, wo auch Franz G. in den 1980er-Jahren unterrichtet hatte.

Affäre zur Unzeit

Die Sache hat sich mittlerweile beinahe zu einer bayerischen Staatskrise ausgewachsen: Falls Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit Aiwangers Antworten auf seine 25 Fragen nicht zufrieden sein sollte, droht das politische Ende des „Freie Wähler“-Chefs in Bayern. Und damit womöglich das Aus für die aktuelle und künftige Regierungskoalition in München. Am 8. Oktober stehen in Bayern Landtagswahlen an.

Nach Recherchen von „Tichys Einblick“ (TE) soll G. sich bereits früher als CSU- und AfD-Gegner geäußert haben. Das gehe aus einem Artikel des „Focus“ aus dem Jahr 2018 hervor. In diesem positioniert sich G. gegen die damaligen Raumfahrtpläne Söders, wobei G. damals noch seinen früheren Schüler Aiwanger zitiert und gleicher Meinung mit ihm ist.

Franz G. besitze „nach eigenen Angaben“ zwar kein SPD-Parteibuch, habe aber bereits „auf kommunaler Ebene für die Partei“ kandidiert und „Vorträge bei der SPD“ gehalten. Außerdem sei er als passionierter Dokumentensammler bekannt, schreiben übereinstimmend TE und der Nachrichtenblog „Alexander Wallasch“ unter Verweis auf einen Artikel des Onlineportals „IDOWA.de“ (Bezahlschranke).

„Es wird Zeit, dass wir diese braune Socke jetzt stürzen“

Nach Informationen des „Focus“ soll der Pädagoge vor rund acht Wochen versucht haben, den Aiwanger-Mitschüler Roman Serlitzky (52) dazu zu überreden, Hubert Aiwanger schriftlich zu beschuldigen, das Flugblatt verfasst zu haben.

Der Lehrer habe dabei gesagt: „Es wird Zeit, dass wir diese braune Socke jetzt stürzen“. Serlitzky habe die Bitte in Unkenntnis des genauen Sachverhalts abgelehnt. Dass Hubert Aiwanger der Verfasser gewesen sein soll, habe er erst aus dem Mund des früheren Lehrers erfahren.

Bei Serlitzky handele es sich um jenen Schüler, der im Schuljahr 1988/89 für einen Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten einen Aufsatz verfasst hatte, in dem das fragliche Flugblatt Eingang gefunden hatte – nämlich als Negativbeispiel für den Umgang mancher Jugendlicher mit der NS-Zeit. Der Name des mutmaßlichen Flugblatt-Verfassers taucht nicht in dem Dokument auf.

Vor 35 Jahren sei es ebenfalls Franz G. gewesen, der Serlitzky dazu geraten habe, das unselige Pamphlet in seinen Aufsatz einzuarbeiten. G. habe den Text Serlitzkys später mit eigenen Formulierungen noch „schärfer“ gestaltet, so der „Focus“. Derselbe Pädagoge sei auch Mitglied jenes Disziplinarausschusses gewesen, der den Schüler Hubert Aiwanger wegen des Flugblattfunds in dessen Schultasche bestraft habe.

Wartete G. auf den richtigen Zeitpunkt?

Nach Recherchen des Onlineportals „Apollo News“  sei G. einer anonymen Schüleraussage zufolge bereits vor „über einem Jahr“ von dem Gedanken beseelt gewesen, „den braunen Sumpf trocken zu legen“. Ehemaligen Schülern gegenüber habe G. immer wieder davon erzählt, im Besitz eines Flugblatts zu sein, dass Aiwanger schaden könne. Das habe er beispielsweise auch auf der „diesjährigen Abitur-Feier der Schule“ angedeutet.

Sollte der Chef der „Freien Wähler“ auch nur „einen Millimeter nach rechts“ schwenken, so habe G. nach Aussage des anonymen Schülers angekündigt, dann werde er die Angelegenheit publik machen. „Die Geschichte wurde in böser Absicht zurückgehalten“ zitiert „Apollo News“ die Aussage eines ehemaligen Klassenkameraden des heutigen Spitzenpolitikers.

Nachdem Aiwanger im Juni 2023 auf einer Erdinger Demonstration mit markigen Worten gegen das grüne Heizungsgesetz gewettert hatte, habe sich G. nach Einschätzung des „Focus“ wohl entschlossen, Nägel mit Köpfen zu machen.

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, sei letztlich „für den Lehrer eine Rede des Schuldirektors Claus Giegl bei einer Abitur-Veranstaltung vor etwas mehr als zwei Monaten gewesen, in der Giegl Aiwanger als ‚schlechtes Beispiel für die Demokratie‘ kritisiert habe“, heißt es beim „Focus“ unter Verweis auf die „SZ“.

War die Lancierung der Story legal?

Für „Tichys Einblick“ stellen sich einige Fragen zur Person Franz G. Zum Beispiel, warum der Lehrer im Schuljahr 1988/89 keine Anzeige gegen den 17-jährigen Schüler Hubert Aiwanger gestellt hatte, obwohl der sich mit dem Flugblatt womöglich strafbar gemacht hatte. Heute wäre die Angelegenheit jedenfalls lange verjährt.

Oder, warum G. vor fünf Jahren gegenüber der Presse noch den Standpunkt des aufstrebenden Politikers Aiwanger geteilt hatte, ohne schon damals dessen angebliche Flugblatt-Vergangenheit zu erwähnen. Und warum er 2023 genau das doch noch getan haben könnte.

Diverse Regelverstöße im Raum

Sollte sich der Verdacht erhärten, dass es auch G. gewesen war, der der „Süddeutschen“ (Bezahlschranke) eine alte Schularbeit Aiwangers zugeschickt hatte, damit der Münchner Enthüllungszeitung ein Vergleichsstück für das Schreibmaschinen-Gutachten zum Flugblatt vorliegen würde, könnte dies nach Ansicht von „Tichy“ ein Verstoß gegen mehrere Vorschriften gewesen sein:

Erstens verstößt es gegen Aufbewahrungsfristen, eine Schularbeit mehr als drei Jahrzehnte zu lagern. Und zweitens verletzt die Weitergabe ohne Aiwangers Einwilligung klar dessen Persönlichkeitsrecht, außerdem die Dienstpflichten eines beamteten Lehrers. […] Denn Dienstpflichten enden nicht mit der aktiven Laufbahn eines Beamten.“

In einem Artikel vom 31. August konkretisiert Autor Roland Tichy seine Einschätzung. Nach Paragraph 14 der bayerischen „Lehrerdienstordnung“ gelte die Verschwiegenheitspflicht einer Lehrkraft „auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses“. Gegenüber der Presse dürften zudem nur „die Schulleiterin oder der Schulleiter oder die von ihr oder ihm beauftragte Lehrkraft“ Auskunft geben.

Bei Verstößen könne das „Bayerische Disziplinargesetz“ (BayDG) greifen. Und das sehe „scharfe Strafen“ vor. Im Fall eines Pensionärs beispielsweise eine Kürzung der „Dienstbezüge“ um bis zu 20 Prozent für fünf Jahre (Artikel 9 BayDG).

Der Rechtsanwalt Dirk Schmitz zog auf Nachfrage des freien Journalisten Alexander Wallasch einen ähnlichen Schluss: In Frage komme etwa ein „Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz“, weil es sich „bei dem Flugblatt im Zusammenhang mit dem schulischen Disziplinarverfahren um personenbezogene Daten“ gehandelt habe. Sollte Hubert Aiwanger gegen den „Whistleblower“ vorgehen wollen, so empfehle sich eine „Anzeige von Aiwanger gegen Unbekannt“.



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