Countdown zum Superstau

Sommer, Sonne, Blechlawine: Die Urlaubssaison beginnt - und mit ihr das Chaos auf den Straßen. Es gibt viele Baustellen. Und es sind immer mehr Urlauber, die per Auto in die Ferien starten. Nicht nur die Fahrer sind entnervt, wenn die schönste Zeit des Jahres beginnt.
Titelbild
Lastwagen stauen sich auf der Autobahn 8 bei Rosenheim.Foto: Josef Reisner/dpa
Epoch Times28. Juni 2018

Die Autobahn als Schicksalsgemeinschaft: Mit dem Höhepunkt der Feriensaison beginnt das nervige Stop-and-go auf den Fernstraßen. Blechlawinen schieben sich den Urlaubsregionen entgegen.

Voriges Wochenende begann die schulfreie Zeit in Rheinland-Pfalz, Hessen und im Saarland, dieser Tage starten Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Die sommerliche Welle rollt gen Norden Richtung Ostsee und Nordsee oder Dänemark. Und gen Süden, wo Berge, Seen und südliches Dolce Vita an Italiens Stränden locken.

„Es wird wieder ein schlimmer Sommer für die Autofahrer werden, weil es viele Baustellen gibt – und weil sich das geänderte Reiseverhalten eher verstärkt hat“, sagt Stefan Dorner vom ADAC Südbayern. Viele Flugziele sind nicht mehr so gefragt – die politische Lage und Terror schrecken viele ab. So steigen immer mehr Urlauber ins eigene Auto.

Schon im vergangenen Jahr registrierte der ADAC auf deutschen Autobahnen rund 723.000 Staus, mehr als je zuvor (2016: 694.000). Die Karawanen summierten sich auf eine Gesamtlänge von 1,45 Millionen Kilometern, das entspricht einer Strecke von 36 Mal rund um die Erde.

Oberbayern – Ferienziel und zugleich Transitregion auf dem Weg in den Süden – bekam 2017 das meiste ab: Etwa 11 Prozent aller Staumeldungen (rund 76.500) wie auch aller Staukilometer (rund 162.300) zählte der Autoclub auf den Autobahnen hier. Das bei Feriengästen bundesweit beliebte Urlaubsparadies wird also regelmäßig auch zur Stauhölle.

Weniger Behinderungen als im Vorjahr sind dieses Jahr nicht zu erwarten – eher mehr. Die Fahrleistung je Auto steigt, zumindest nahm sie 2017 zu: Der ADAC meldete unter Berufung auf die Bundesanstalt für das Straßenwesen ein Plus von 1,3 Prozent gegenüber 2016.

An 571 Stellen soll an Autobahnen bis 23. September vier Tage oder länger gebaut werden. Das sind immerhin weniger als im Vorjahr, da waren es 713. Nur in unbedingt notwendigen Fällen werde während der Sommerferien gebaut, verspricht Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Der Bund investiere 2018 eine Rekordsumme von 8,6 Milliarden Euro, fast eine Milliarde mehr als im Vorjahr. „Mehr Autobahnen bedeuten mehr Mobilität für Deutschland.“ Nicht zuletzt soll die Baustelle von heute die stressfreie Fahrt morgen bringen.

Doch erstmal wird es eng zwischen Kiel und Garmisch-Partenkirchen. Vor allem in den Ballungsräumen ist die Staugefahr hoch: Rund um Berlin, Leipzig, Dresden, Nürnberg, Hannover, nördlich von Hamburg und im Raum um Düsseldorf und Köln. Nordrhein-Westfalen war in der ADAC-Bilanz 2017 bundesweit mit 35 Prozent der Staumeldungen Spitzenreiter. Die Behinderungen entstehen hier zwar laut ADAC das ganze Jahr über durch Pendler. Wer aber im Urlaub nach Holland oder Belgien oder südlich nach Frankreich will, muss durch das Nadelöhr.

Ferienregionen stöhnen unter dem Verkehr. Lärm, Abgase und volle Straßen schon bei der Fahrt zur Arbeit und Einkaufen: Leben wo andere Urlaub machen – das ist für manchen Einheimischen fast eine Drohung.

Usedom zum Beispiel. Die Ostsee-Insel versinkt allsommerlich im Verkehrschaos. Dorthin strömen zahlreiche Erholungssuchende aus dem Osten Deutschlands, aus Berlin und Hamburg. Wegen schlechter Zugverbindungen reisen die meisten mit dem Auto an. Just in diesem Sommer behindert eine Baustelle die Zufahrt vom Westen: An der A20 bei Tribsees wird noch gebaut, nachdem im Herbst ein Autobahnstück im moorigen Boden versunken war. Die Usedomer plagt schon die nächste Sorge: Polen plant einen Tunnel vom Hafen Swinemünde nach Westen – dann könnten viele Lastwagen durch das Ferienparadies donnern, denn das wäre dann die direkte Verbindung Richtung Hamburg.

Auch tausend Kilometer südlich in Garmisch-Partenkirchen klagen die Menschen über den Verkehr. Der Ort am Fuß der Zugspitze hat wie der ganze Süden Bayerns auch im Winter keine Ruhe: Dann kommen die Wintersportler. Nicht nur Feriengäste im Ort, sondern auch Reisende und Fernfahrer, die weiter wollen nach Österreich, schlängeln sich durch die Ortskerne von Garmisch oder Partenkirchen. Die Einwohner hoffen auf Tunnellösungen. Damit soll es zumindest für den Ortsteil Garmisch bald weitergehen. „Wir hoffen, dass das schnellstmöglich umgesetzt wird“, sagt Martin Bader aus der Hauptverwaltung.

Freitag und Samstag ist es am schlimmsten – da drängen Urlauber und Tagesausflügler auf die Straßen. „Man überlegt, ob man am Wochenende noch rausfährt“, sagt eine Frau aus Irschenberg, für die der Stau vor der Haustür auf der A8 zum Alltag gehört. „Durch Bayern muss fast jeder durch, wenn er nach Süden will, nach Italien, Kroatien oder in die Balkanstaaten“, sagt Stefan Dorner vom ADAC. Um den Verkehr zu entzerren, wird teils nachts gebaut oder die wird Standspur geöffnet. Dennoch braucht es auch heimwärts wieder Geduld: Bei Kiefersfelden, Salzburg und Passau müssen Urlauber dann durch die Grenzkontrollen.

Lastwagenfahrer René Horst hat den Stau berufsmäßig, nicht zuletzt wegen der Lkw-Blockabfertigungen der Tiroler. Urlaub mache er zuhause in Niederbayern, sagt er. Mit dem Wohnwagen, im Umkreis von einer Autostunde – bloß nicht wieder im Stau landen. (dpa)



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