Franche-Comté: Sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen …

Titelbild
1.Von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt: die Königliche Saline von Arc-et-Senans. Der avantgardistische Architekt Claude-Nicolas Ledoux hat elf Gebäude in einem weitläufigen Halbkreis angeordnet und mit dorischen Säulen geschmückt. (Foto: Elke Backert)
Von 18. Juli 2008

Es gruselt einen schon ein wenig, erklimmt man die Todesleitern bei Charquemont. Ob dort, in den Bergen des Jura, an der Grenze von Frankreich zur Schweiz, jemand zu Tode kam, ist allerdings nicht belegt. Fest steht, dass es sich um Baumstämme handelte, von Schmugglerbanden an den Berg gelehnt, um sich unbemerkt den Weg über die grüne Grenze zu bahnen.

Auf dass heutige Touristen den Nervenkitzel nachvollziehen können, ersetzte man die morsch gewordenen Holzstämme durch trittsichere Leitern. Fast senkrecht zwar und bedenklich schwankend steigt der neugierige Besucher in schwindelerregende Höhen – um der Aussicht und der frischen Luft willen. Tief unten in der Schlucht glitzert der Doubs, der auf 400 Kilometer die Freigrafschaft, die Franche-Comté, durchfließt. Oben auf etwa tausend Metern öffnen sich Wanderwege voll seltener Flora und Fauna. Kaum zu glauben, dass hier im Winter Temperaturen von bis zu minus 40 Grad herrschen. Nichtsdestotrotz wagen sich auch dann Mutige auf die „Échelles de la Mort“ (www.charquemont.org).

Keinen Mut braucht es, sich von der jungen Laure Berline in perfektem Deutsch durch das Château de Joux führen zu lassen. Vom französischen Festungsbaumeister Vauban (1633-1707) für Ludwig XIV. 1.000 Meter hoch über Pontarlier erbaut, gilt die gigantische Zitadelle als Meisterwerk der Militärarchitektur. Doch obwohl sie fünf bis zu vier Meter dicke Befestigungsmauern, drei Zugbrücken, drei Gräben hat, obwohl sie mit einer „Haha-Verteidigungstreppe“ ausgestattet ist, deren hölzernes Mittelpodest sich öffnen und einen Eindringling hinabstürzen ließ, und mit einer „schlafenden Brücke“, die Ähnliches bewirkte, obwohl sich im Innern der 35 Meter hohen Wendeltreppe ein Essensaufzug befindet und für steten Nahrungsnachschub sorgen konnte, obwohl die Wachposten die unten entlang führende alte Römerstraße, die Salzstraße und den Mont d`Or (1.065 Meter) gut im Blick hatten, wurde die Festung zweimal eingenommen, zuletzt 1940 von den Deutschen. Da nützte auch der 120 Meter tiefe Brunnen nichts mit einem Durchmesser von 3,70 Meter, aus dem zwei Soldaten, in einer Art Hamsterrad laufend, in 20 Minuten 300 Liter Wasser nach oben beförderten. Im Gefängnis waren so bedeutende Persönlichkeiten eingesperrt wie der Präsident der französischen Nationalversammlung (1791), Graf Mirabeau. Er soll zwei Frauen verführt und Spielschulden gehabt haben.

Der große Innenhof wird im Sommer für Open-Air-Veranstaltungen genutzt.

Auf den genialen Baumeister Vauban, den die Franche-Comté 2007 zu seinem 300. Todestag mit einem Vauban-Jahr ehrte, wird man in der Region häufiger stoßen. 150 Festungen soll er gebaut haben. Eine davon, aus dem Jahre 1670, thront über Belfort, dem „schönen Fort“. Hier aber ist es der sphinxähnliche stolze Löwe des Bildhauers Bartholdi (1834-1904), Schöpfer der New Yorker Freiheitsstatue, der die Blicke der Besucher auf sich lenkt und überlebensgroß über die farbenprächtigen Häuser im Pariser Haussmann-Stil (1809-1891) mit Kuppeln und Erkern wacht. Wer sich umsieht, entdeckt noch 100 andere Löwen in der Stadt. Auch auf der Flagge der Franche-Comté ist er lebendig. Der leckerste aus purer Schokolade steht in Belfort im Schaufenster eines Chocolatiers.

Wieder war es Vauban, der auch zum Schutze von Besanςon, herrlich in die Schleife des Doubs eingebettet, eine Festung erbaute. Sie ist heute das Wahrzeichen der Hauptstadt, deren mächtige Kathedrale und alte Bürgerhäuser mit den Freitreppen und verschwiegenen Innenhöfen es zu entdecken gilt.

Ein herausragendes Beispiel industrieller Bauweise des 18. Jahrhunderts ist die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte Königliche Saline von Arc-et-Senans, unweit der schönen Thermalstadt Salins-les-Bains, die das Salz lieferte. Der avantgardistische Architekt Claude-Nicolas Ledoux hatte die Idee, elf Gebäude der ehemaligen Salzfabrik in einem weitläufigen Halbkreis anzuordnen und sie mit dorischen Säulen zu schmücken. In der Tat ein ergreifendes Ensemble. Wie sehr Ledoux seiner Zeit voraus war – 2006 beging man den 200. Todestag -, zeigt die Sammlung von über 60 Modellen, die jedoch nicht alle verwirklicht wurden.

Realisiert hatte Le Corbusier seine visionäre Idee, als er, ein Lutheraner, 1955 die Kapelle Notre-Dame de Ronchamp auf einen Hügel mitten in die Landschaft einer katholisch geprägten Gegend setzte. Da jedes Jahr am 15. August, zu Maria Himmelfahrt, und am 8. September Tausende Wallfahrer das alte Pilgerhaus auf dem Gelände aufsuchten, baute er das Gotteshaus so, dass es doppelt nutzbar ist. Er gab ihm einen Altar und eine Kanzel sowohl im Innern als auch an der Außenwand. Den Bedürfnissen angepasst ist die Marienstatue. Sie dreht sich je nach Bedarf. Mal nicht im Turm versteckt sind die drei Glocken, sie schwingen frei in der Natur unter schattigen Bäumen.

Tief im Felsgestein einer Höhle liegt die Kapelle von Remonot. Hier betet man an einer Holzstatue die Jungfrau Maria, diein Form einer Holzstatue aus dem 15. Jahrhundert .

Höhlenfans sind in der prähistorischen Grotte von Osselle am richtigen Ort, südlich von Besanςon. Im 13. Jahrhundert entdeckt, kann man sie seit 1504 besichtigen. Damit ist sie neben der auf der griechischen Kykladeninsel Antiparos die älteste touristisch erschlossene Höhle. Sie hat nicht nur beeindruckende Tropfsteingebilde hervorgebracht, sie diente auch Bären als Lebensraum. Man fand vollständig erhaltene Skelette.

Es ist in der Tat ein Vergnügen, die südlich ans Elsass und östlich an die Schweiz angrenzende Franche-Comté zu bereisen. Zwischen den Bergmassiven der Vogesen und des Jura befinden sich dichte Wälder und die Hochebene der Mille Étangs, der Tausend Seen. Sie sieht man am besten vom Flugzeug aus. Ein 20-Minuten-Flug kostet rund 20 Euro. Blumengeschmückte saubere Dörfer und Städte, Kirchlein am Wegesrand und auf Anhöhen, auf den Weiden die weißen Montbéliard-Kühe, deren Milch den Comté-Käse liefert, pyramidenförmige Schornsteine auf den Häusern, in denen Schinken und die hier typische Morteau-Wurst geräuchert werden. Das ist die Wurst, deren Ende von einem Holzspieß gehalten und die zwei Stunden in Wasser gekocht wird, bevor sie die „Assiette Franc-Comtoise“ bereichert: einen Teller mit grünem Salat, darauf Kartoffelstücke, die Morteau in Scheiben und das Ganze mit Cancaillotte übergossen, einem wie für ein Käse-Fondue mit Weißwein flüssig gemachten Rohmilchkäse.

Dank der Weinberge und Winzer des Jura schenkt man hier exklusive Weine aus, die ihresgleichen suchen. Da ist der Vin Jaune, der Gelbwein, der an das Bouquet und Aroma von trockenem Sherry heranreicht. Der Lieblingswein des französischen Chemikers Louis Pasteur (1822-1895), dem „Vater der Önologie“, reift über sechs Jahre im Eichenfass und wird – als einziger weltweit – in bauchige 62-cl-Clavelin-Flaschen abgefüllt.

Hervorzuheben sind die Weine aus Arbois, der Weinmetropole. Alle sind A.O.C.-Weine, also Weine mit Herkunftsbezeichnung. Dort kann man auch das Pasteur-Haus – heute ein Museum – besuche.

Als Aperitif hat man die Wahl zwischen einem perlenden Crémant, jenem Sekt nach Champagner-Methode, oder dem typischen Macvin, einem Likörwein aus Traubensaft und Marc von der Savagnin-Rebe – ein Genuss.

Zum Dessert wird gern der Vin de Paille, der Strohwein, getrunken, ein 17-prozentiger Likörwein, der aus getrockneten Trauben gepresst wird. 100 Kilogramm Trauben ergeben gerade mal acht Liter des Kennertropfens.

Als Rotwein empfehlen sich der Poulsard, auch Ploussard genannt, und der Trousseau, der es mit den Grands Crus der Burgund- und Bordeaux-Weine aufnehmen kann. Auch der Absinth ist wieder in aller Munde. „Die grüne Fee“, die Verlaine, Rimbaud und Toulouse-Lautrec verführte, kommt mit nur noch 45 Prozent ins Glas, wird mit Wasser verdünnt und passt – man mag es kaum glauben – vorzüglich zum Dessert. Milchig-weiß und magisch duftend.

Wer es härter mag, gibt sich dem Gentiane hin, dem Schnaps aus der Wurzel des Gelben Enzians.

Info:

Unterkunft: z. B. Hotel-Restaurant Taillard in F-25470Goumois, Tel. 0033/381/442075, DZ 65-90 Euro, www.hoteltaillard.com; und La Closerie des Capucines, 7, rue de Bourgogne, F-39600 Arbois, www.closeriedescapucines.com; Gästezimmer in einem ehemaligen Kloster mit geschmackvoller Einrichtung, DZ/F ab 95 Euro.

Auskunft: Maison de la France in Frankfurt/Main, Tel. 09001/570025, Fax 009001/599061, E-Mail: [email protected], www.franceguide.com



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