Unterwegs in Nicaragua
Nicaragua ist etwas größer als Guatemala (120 000 qkm), hat allerdings weniger Einwohner (1991 waren es noch 3,6 Millionen, heute sind es bereits 5,6 Millionen) und keine reinrassigen Indianer mehr. Der Großteil der Bevölkerung ist wahrscheinlich noch ärmer als in Guatemala.
Auch dieses Land besetzten 1912 die USA, und bis 1925 blieb das Zoll-, Bank- und Transportwesen in US-amerikanischer Hand. Nach sechs Jahren Befreiungskampf unter Führung von A. C. Sandino konnte schließlich 1932 der Abzug des US-Militärs erreicht werden. Die langjährige Diktatur des Somoza-Clans endete 1981 nach einem Bürgerkrieg. Soziale Spannungen allerdings halten bis heute an. 1983 hatte das Land offiziell noch 12 % Analphabeten.
Wir landen in Managua, der Hauptstadt Nicaraguas, in welcher etwa ein Drittel der gesamten Bevölkerung lebt und besichtigen zuerst die Zonen des durch Erdbeben zerstörten ehemaligen Stadtkerns und anschließend das neu erbaute Managua.
Im Laufe der Fahrt zur alten kolonialen Hauptstadt Granada (dort behauptet man, die älteste amerikanische Stadt zu sein, was allerdings auch Cumaná in Venezuela für sich in Anspruch nimmt) besteigen wir den fortwährend grummelnden, rumorenden und dampfenden Vulkan Masaya, welcher zum Glück seit langem nicht mehr in bedrohlicher Weise ausgebrochen ist.
Stadt und Bischofssitz Granada liegen am riesigen Nicaragua-See (18 mal so groß wie der Bodensee), dem einzigen Süßwasser-See, in welchem Haifische, aber auch Sägefische und Blue Marlins leben. Die Armut der Einwohner von Granada ist bedrückend, man merkt, dass Erwachsene und Kinder nicht aus Langeweile oder gar zum Vergnügen betteln. Das soziale Elend breiter Schichten ist mit eine Hinterlassenschaft der menschenverachtenden und zum Teil auch kriminellen Machenschaften des von 1936 bis 1981 mit US-Unterstützung regierenden Somoza-Clans.
Glücklicherweise sind Zeichen von wirtschaftlicher Entwicklung sichtbar. Seit der US-Handelsblockade gegen Kuba beispielsweise exportiert Nicaragua in stetig steigenden Mengen handgefertigte Zigarren aus im Lande angebautem Tabak nach USA und Kanada. Ein geschickter und fleißiger Zigarrenmacher kann in täglichen acht Stunden auf 10,– US $ pro Arbeitstag kommen (ein Grundschullehrer an einer staatlichen Schule bringt es im Durchschnitt allerdings nur auf 80,– US $ im Monat).
Wir verlassen Granada und fahren zur Hafenstadt San Jorge; von dort bringt uns die Fähre auf die Vulkaninsel Ometepe im Nicaragua-See.
Auf dieser Insel stoßen wir an mehreren Orten auf Beispiele von deutscher Entwicklungshilfe, wie kleine Kliniken, Berufsschulen, speziell geförderte landwirtschaftliche Kooperativen. Der mächtige und an seinen Hängen bewaldete Vulkan Maderas überragt die ganze Insel. Mühsam radebrechend, dabei Arme und Hände nutzend, unterhalten wir uns mit Mitgliedern der neu gegründeten Kaffee-Kooperative, welche die schwierige Anfangszeit mit Hilfe von günstigen Krediten der Regierung glücklich überstanden hat. Der angebotene frisch gebrannte und gebrühte Kaffee schmeckt hervorragend! Auf ehemaligem Somoza-Grund arbeiten die Menschen hart, um für sich und ihre vielleicht doch allzu vielen Kinder eine dauerhafte Grundlage für ein auskömmliches Leben zu schaffen. Wir fahren weiter nach Süden in Richtung Costa Rica.
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