Die hängenden Weingärten des Lavaux

Titelbild
Die UNESCO erkannte die Einzigartigkeit der Weinterrassen des Lavaux und kürte sie zum Weltkulturerbe der Menschheit. (Elke Backert)
Von 4. August 2008

Ob die sagenhafte assyrische Königin Semiramis heute statt ihrer Gärten zu Babylon die Weinterrassen des Lavaux zu den Sieben Weltwundern zählen würde? Immerhin erkannte die UNESCO ihre Einzigartigkeit und nahm die „Kulturlandschaft“ im Schweizer Kanton Waadt Ende Juni 2007 ins Weltkulturerbe auf. Von den 25 Schweizer Kantonen bauen 23 Wein an. Was also ist an den 840 Hektar Weinbergen über dem Genfer See zwischen Montreux und Lausanne besonders?

Alles begann im 11. Jahrhundert, als Zisterzienser die bis zu 585 Meter hoch aufragenden, extrem steilen Hänge mit Mauern stufenförmig befestigten. Nicht nur die modernen Winzer profitieren von den etwa 10.000 Terrassen und rund 450 Kilometer Steinmauern, auch die Rebstöcke sind geschützt und „tanken“ die Vorteile von „drei Sonnen“ — der vom Himmel strahlenden, der vom See reflektierten und der des Nachts von den warmen Mauern abgegebenen. Entsprechend reicher Ertrag, über fünf Millionen Liter, von qualitativ hochwertigen Weinen ist den Winzern gewiss, sozusagen als Belohnung für die arbeitsintensive manuelle Kultivierung der Rebstöcke.

Acht ausgezeichnete DOC-Weine bringt die Hauptrebsorte des Chasselas hervor, Calamin, Chardonne, Dézaley, Epesses, Lutry, St-Saphorin, Vevey-Montreux und Villette. Neben dem Fendant aus dem Wallis ist der Chasselas einer der bekanntesten Schweizer Weißweine, der zu fast allen Gerichten passt, besonders zu Fisch, aber auch gern als Aperitif serviert wird. Probieren Sie einmal „Filets de perche“, Felchen in Butter, und trinken Sie dazu einen Chasselas. An Rotweinen werden Gamay und Pinot Noir angebaut.

Die romantische Landschaft um Genève und den Lac Léman, wie die Bewohner der Suisse Romande, der Französischen Schweiz, Genf und den See nennen, ist von Klima und Bodenbeschaffenheit prädestiniert für den Weinbau und von ihm geprägt. Mit „Route du Vignoble“ und einer stilisierten Rebe markierte Wege und Straßen führen Wanderer und Autofahrer mitten in die Weinberge, deren Dörfer oft nur aus einer Handvoll Häuser bestehen. Braungebrannte Bikinimädchen und Jungen in knappen Shorts, meist Gastarbeiter, kultivieren die Reben in Handarbeit. Denn bei einer Steigung von bis zu 70 Prozent können Maschinen den Menschen kaum ersetzen. Das wiederum garantiert dem Besucher Ruhe und Beschaulichkeit. Im Mittelpunkt eines jeden Dorfes steht die Kirche, die, wenn sie als so typisch gilt wie die von Féchy im Kanton Waadt, gar eine Briefmarke schmücken darf. Überall erfrischt kühles Brunnenwasser den Durstigen.

Alle Wege durch die terrassierten Rebhänge, in die sich malerisch Winzerdörfer, Weingüter und Châteaux ducken, enden zwangsläufig im Weinkeller, dem Caveau. Denn wer will nicht nach dem Studium des Rebstockes, ob in Blüte stehend, vor und bei der Lese, oder danach ob eines jungen oder hundertjährigen „Korkenziehers“, Zungenfühlung nehmen mit dem Endprodukt.

Die Weinberge des Lavaux lernt man auf viele Arten kennen. Ganz einmalig ist ihre Lage. Ob man vom See hinauf auf die oft kuriosen Formationen schaut, den Blick von oben hinunter über die wie Reisfelder anmutenden Terrassen, den tiefblau glitzernden See und auf die Schneegipfel der Savoyer Alpen genießt, ob man mitten durch die Weinberge wandert oder fährt, ob man sich 13 Minuten auf der acht Kilometer langen Trasse von Vevey nach Puidoux-Chexbres dem gelben Weinbergzug „Train des Vignes“ anvertraut, immer erlauben Stopps den Besuch von Winzerkellern mit Verkostung in urigen Dörfern und einem Uhrenmuseum.

Schiffsfahrten, teils auf nostalgischen Raddampfern, führen quer über den See und sind ein Muss. Vorbei an den „hängenden Weingärten“ des Lavaux und dem Nobelort Montreux schippert man bis zum Schloss von Chillon, das Lord Byron mit seiner Ballade „Der Gefangene von Chillon“ weltbekannt gemacht hat. Es liegt auf einer Felseninsel im See und ist die besterhaltene Burg der Schweiz aus dem 12. bis 14. Jahrhundert.

Zu allen Zeiten zog der Genfer See berühmte Persönlichkeiten an, vor allem aber Vevey, die Kleinstadt am See. Da flirtete der Philosoph Jean-Jacques Rousseau, der von 1730 bis 1731 im heutigen „Café de la Clef“ residierte, mit Madame de Warens, die in einem Palais um die Ecke logierte. Nach Vevey zog es 1868 den russischen Romancier Dostojewski und 1942 die rumänische Pianistin Clara Haskil. Selbst Ernest Hemingway war da. Im Musée Jenisch ist die Kollektion Oskar Kokoschkas untergebracht. Auch der Weltkonzern Nestlé ist in Vevey beheimatet, der dort ein informatives Museum zum Thema Ernährung eingerichtet hat, das Alimentarium. Zur Wahlheimat hatte Charlie Chaplin die Stadt an der „Waadtländer Blumenriviera“ erkoren. Auf dem Friedhof des Nachbardorfs Corsier fand er seine letzte Ruhestätte. Ihm zu Ehren findet jedes zweite Jahr im Oktober das Internationale Komödienfilmfestival statt. Geschützt an der Uferpromenade hat Charlot, wie die Franzosen den Komiker liebevoll nennen, für alle Zeit die Schneegipfel der Savoyer Alpen vor Augen. Zumindest seine Statue, die Verehrer stets mit einer Rose schmücken.

Wer sich dann noch von der Funiculaire, der Standseilbahn, über die Rebhänge auf den tausend Meter hohen Mont-Pèlerin befördern lässt, dem liegen Vevey und der silbrig glänzende See, dessen Uferstrich einer einzigen Kurpromenade gleicht und der deshalb auch Schweizer Riviera genannt wird, in seinem ganzen Zauber zu Füßen. Das hoch oben angesiedelte Hotel „Le Mirador“, heute von Kempinski betrieben, trägt seinen Namen nicht ohne Grund. Denn auch von seiner Aussichtsterrasse genießt man diesen grandiosen Panoramablick.

Info:
Reiseführer: Reiter, Barbara/Wistuba, Michael, Genferseeregion, 256 Seiten, farbig, 15,90 EUR, ISBN 978-3-89953-280-7, www.michael-mueller-verlag.de

Auskunft: Schweiz Tourismus in 60070 Frankfurt, Tel. (00800)10020030, Telefax (00800)10020031 (beide gebührenfrei), E-Mail: [email protected], www.MySwitzerland.com



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