Fan-Vertreter des FC St. Pauli im Gespräch mit Epoch Times

Titelbild
Foto: Steffen Andritzke/The Epoch Times
Von 5. April 2010

Vor dem letzten Heimspiel des FC St. Pauli gegen Hansa Rostock kam es im Stadion zu Spannungen zwischen den ansonsten als friedlich bekannten Fans des FC St. Pauli. Dies ist für die am Millerntor herrschende Atmosphäre eher unüblich und wie sich herausstellte, war dies nur eine Erscheinung, die an der Oberfläche sichtbar war. Die Epoch Times ging dieser Sache einmal nach und sprach mit Justus Peltzer, einem der Fan-Vertreter des FC St. Pauli und Mitarbeiter im Fan-Laden über die Gründe und Ursachen dieser Spannungen.

Epoch Times: Herr Peltzer, vor dem Heimspiel gegen Rostock gab es eine sogenannte Blocksperre. Wer hat da den Block gesperrt und warum? War das nur eine einzelne Gruppe?

Justus Peltzer: Es war nicht nur eine Gruppe, die Ultras St. Pauli, sondern viele verschiedene Fans. Die wollten ein Zeichen setzen, weil Rostocker Fans nicht im Stadion waren. Deshalb wollten sie erst fünf Minuten später reingehen, um Solidarität zu zeigen. Andere St. Pauli-Anhänger haben das nicht verstanden und manche fingen dann sogar an zu pöbeln.

Epoch Times: Es gibt ja viele Spannungen zwischen den Rostockern und den St. Paulianern. Nun setzen sich die St. Pauli-Fans für die Rostocker ein. Wie kann man das verstehen?

Peltzer: Da muss ich etwas ausholen: Ein paar Tage vor dem Spiel haben sich die Präsidien, Fan-Projekte und Fan-Vertreter beider Vereine zusammengesetzt, um zu überlegen, wie man diesen Tag, der in den letzten Jahren immer etwas chaotisch war, besser über die Bühne kriegen kann. Bei diesem Gespräch hatte Hansa Rostock ein sehr gutes Konzept vorgestellt, wie sie hier in Hamburg anreisen wollen. Wir wiederum haben dargestellt, wie wir in unsere Fan-Szene einwirken können, damit es hier nicht eskaliert. Dieses Konzept wurde dann in einer gemeinsamen Presseerklärung von beiden Vereinen herausgegeben und vom Präsidium des FC St. Pauli an die Hamburger Polizei weitergegeben.

Außerdem hatten wir gemeinsam überlegt, wie man reagieren könnte, wenn es allen Gäste-Fans grundsätzlich untersagt werden würde, ins Stadion zu gehen.

Der Polizei hat dieses Konzept, welches ja von allen – vom FC Hansa Rostock und vom FC St. Pauli – getragen wurde, offensichtlich nicht gelangt oder es war ihr nicht stimmig genug – ich weiß nicht, was es letztendlich wirklich war – auf jeden Fall hat sie es abgelehnt und wollte nur 500 Karten für Rostocker Anhänger erlauben. Wir hatten aber für 1.400 Karten plädiert. Das wären sowieso schon 500 weniger gewesen, denn normalerweise hätten die Rostocker 1.900 Tickets bekommen müssen.

Epoch Times: Trotz Ressentiments hat sich der FC St. Pauli und seine Fan-Vetretung dafür stark gemacht, dass die Rostocker das Kontingent bekommen, das ihnen zusteht?

Peltzer: Ich finde, das ist eine übergeordnete Sache. Es kann nicht sein, dass man jemanden etwas weniger mag und der dann deswegen nicht ins Stadion darf. Es geht nicht nur um ein Spiel, sondern es geht um Fan-Rechte. Auch der FC St. Pauli spielt auswärts und wie sieht es aus, wenn wir nächstes Jahr in Rostock spielen? Dürfen dann auch nur 500 Fans mit? Oder was, wenn wir mal wieder in Stellingen spielen würden? Dürfen dann nur 250 mit? Da kann man nicht gucken, gegen wen geht es jetzt und finde ich den Gegener doof. Es kann doch nicht sein, dass alle 1.900 Rostocker doof sind. Da gibt es doch genauso fitte Leute. Rechte gelten nun einmal für alle.

Epoch Times: Von wem ging die Initiative zur Zusammenkunft der Vereine und Fan-Vertreter aus?

Peltzer: Die ging vom ständigen Fan-Ausschuss des FC St. Pauli aus. Wir hatten uns im Vorfeld des Spieles zusammen mit dem Präsidium des FC St. Pauli überlegt, was wir machen könnten, damit es am Spieltag nicht eskaliert und dann kam die Idee, dass wir uns mit Rostock an einen Tisch setzen. Miteinander reden ist doch viel besser als nur übereinander zu reden.

Epoch Times: Das schien dann auch in Rostock durchaus auf offene Ohren zu stoßen…

Peltzer: Genau.

Epoch Times: Wer bestimmt eigentlich, wer in ein Stadion gehen darf und wer nicht? Haben nicht etwa die Vereine ein Hausrecht?

Peltzer: Natürlich hat ein Verein ein Hausrecht und es ist schon sehr speziell, wenn die Polizei eine Verfügung erlässt, dass Leute nicht ins Stadion dürfen oder sogar überhaupt nicht anreisen dürfen. Es müssen immer zehn Prozent der Eintrittskarten an die Gäste gehen. Man kann nicht einfach sagen: ich kriege mein Stadion auch ohne Gäste-Fans voll. Das ist nicht erlaubt. Es gibt jedoch ein paar Ausnahmen bei sogenannten Hochsicherheitsspielen, bei denen aus Sicherheitsaspekten Blöcke zwischen den Fans freigelassen werden. Aus diesem Grund hat Rostock in der vorigen Saison auch nur 1.400 Karten bekommen.

Fan-Vertreter Justus Peltzer spricht über die Vorfälle beim Rostockspiel.Fan-Vertreter Justus Peltzer spricht über die Vorfälle beim Rostockspiel.Foto: Steffen Andritzke/The Epoch Times

Epoch Times: Und wieviele Rostocker waren nun tatsächlich am Spieltag im Stadion?

Peltzer: Sieben. Mehr Rostocker hab ich an diesem Tag nicht gesehen. Es hätten natürlich 500 kommen können – das hatte die Polizei erlaubt. Aber dazu kamen dann noch Auflagen, dass die Rostocker nur Sitzplatzkarten hätten bekommen können und das auch nur unter Angabe ihrer Personalien. Da hat Rostock dann gesagt: Nein, entweder wir kommen mit den 1.400 und wenn wir das nicht dürfen, dann kommen wir aus Protest gar nicht. Das haben das Fan-Projekt und der Verein zusammen beschlossen. Man muss noch einmal deutlich sagen, dass es eine polizeiliche Verfügung war und keine von der DFL oder vom DFB. In diesem Fall kann der Fußball eigentlich nichts dafür. Ich hätte schon gerne gesehen, dass der FC St. Pauli dagegen geklagt hätte, um festzustellen, ob so etwas überhaupt rechtens ist. Ich bin natürlich kein Jurist, aber es interessiert mich schon, ob das so einfach geht.

Epoch Times: Waren Sie als Fan-Vertreter deshalb vom FC St. Pauli enttäuscht?

Peltzer: Ja. Das haben wir unserem Präsidium auch so gesagt: wir sind absolut nicht einverstanden, wie das Präsidium damit umgegegangen ist. Es geht vor allem um das Wort „einvernehmlich“. Das Präsidium hat uns in den Gesprächen gesagt, sie wollen 1.400 Rostocker haben. Dann sagte die Polizei „nein“ und dann kommunizierte der FC St. Pauli, es wäre eine einvernehmliche Entscheidung gewesen.

Am Abend unserer gemeinsamen Gespräche haben wir überlegt, was zu tun sei, wenn die Polizei sagen würde, es dürfen keine Gäste-Fans kommen. Da hat das Präsidium des FC St. Pauli in Aussicht gestellt, dagegen zu klagen. Dieser Fall ist aber nicht eingetreten und die Polizei wollte 500 Karten an die Gäste geben. Wir haben gesagt: „Wenn ihr bei Null klagen wollt, dann klagt doch auch bei 500.“ Das Präsidium war dann der Meinung, dass sie mit 500 das Beste herausgeholt hätten und deswegen wollten sie doch lieber nicht klagen. Ich finde, das ist ein Kompromiss – aber ein fauler Kompromiss. Man hat uns das als Erfolg für die Fan-Rechte verkaufen wollen – und ich glaube, sie selber sehen das so. Aber ich sehe das überhaupt nicht so und das ist auch der allgemeine Tenor in der Fan-Szene.

Es ist nicht so einfach, sich mit den Rostockern und den Präsidien zu treffen und Konzepte zu erarbeiten. Die Rostocker mussten zu diesen Gesprächen nach Hamburg kommen. Wenn das dabei rauskommt, dann fragen sich die Verantwortlichen auch, warum sie sich so viel Arbeit machen, wenn durch Entscheidungen Dritter sowieso etwas ganz anderes passiert.

Epoch Times: Der FC St. Pauli vermarktet sich gerne als „non established“. Und dann gehen sie bei dieser Sache den bequemsten, angepassten Weg?

Peltzer: Ja, genau. Das ist es, was wir bemängeln. Entweder man ist „non established“ und dann muss man auch mal Dinge kritisch hinterfragen. Man sollte die Grenzen erkennen und durchaus vom Gericht einmal prüfen lassen, ob es überhaupt rechtens ist, was man so „aufgedrückt“ bekommt.

Epoch Times: Sehen Sie nach dieser „Blocksperre“ eine Spaltung der St. Pauli-Fans?

Peltzer: Natürlich sind sich nicht alle zu 100 Prozent immer grün. Es wäre auch komisch, wenn alle immer das gleiche wollten. Es gibt natürlich Unterschiede auch zwischen den St. Pauli-Fans, aber das ist gut so. Manche Unterschiede oder Meinungsverschiedenheiten haben sich beim Rostock-Spiel zugespitzt – da hatte sich vielleicht auch etwas aufgestaut.

Epoch Times: Vielen Dank, Herr Peltzer.

Foto: Steffen Andritzke/The Epoch Times


Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion