WM-Randerscheinungen:
Heiße Tage in Nürnberg

Titelbild
Fußball und moderne Kunst in Nürnberg (Foto: Klaus Mueller)
Von 18. Juni 2006

Das altehrwürdige Nürnberg fieberte dem Ansturm der englischen Fans etwas zwiegespalten entgegen. Einerseits freute man sich auf die Fans aus „Merry ol´ England“, andererseits gab es an diesem Tag nicht wenige besorgte Stimmen, die etwas Angst vor möglichen Hooligans hatten. Die WM hatte im Vorfeld für erhitzte Diskussionen gesorgt, als das Land noch mit der Kältewelle kämpfte.

Hatte sich doch der Stadtrat erdreistet, eines von Nürnbergs Wahrzeichen, den schönen Brunnen, mit (un-)schönen Stühlen umzufunktionieren, die man aus dem ehemaligen Berliner Olympiastadion holte. Nun, Nürnbergs Bürger waren wenig begeistert, schon Wochen vor der WM versammelten sich Aufgebrachte am Brunnen und schimpften lautstark auf die moderne Kunst. So machte die Runde, dass der Künstler nur unter Polizeischutz arbeiten konnte und ob der massiven Bürgerwehr frühzeitig das Terrain räumen musste, schließlich entnervt vom fränkischen Traditionssinn flüchtete, wodurch das „Dach“ des Kunstwerks nicht fertig werden konnte. Was aber niemandem auffiel, denn unfertige Dächer kennt man in Nürnberg schon aus anderer Zeit…wurde doch das Dach von Hitlers Kongresshalle auch nie fertig, was aber heute auch keinem auffällt.

Der Ansturm am Hauptmarkt war zwar gewaltig, aber die Deutschen schienen anfangs kurzfristig in der Minderzahl zu sein. Dann sah man überall aufgeregte Handynutzer – die wohl als Späher unterwegs waren – ihren daheimgebliebenen Angehörigen und Freunden Meldung machen: „Das musst du erleben, komm schnell her“. Sie meinten die Party, die die beiden Fangruppen auf dem Hauptmarkt schmissen. Und sie kamen schnell und der Hauptmarkt füllte sich auch mit deutschen Trinidad und England-Fans.

Ich nutzte die Gelegenheit zu kleinen Nachfragen, etwa bei einem weiblichen Fan aus Trinidad, wie ihr Deutschland gefiele. Diese Frage konnte ich mir aber wie bei allen anderen an diesem Tag sparen, denn “Germany is wonderfull“ war die Standardantwort.

Bei Fragen über ihr Land meinte sie, das größte Problem sei die ausufernde Kriminalität. Seit drei Jahren würde diese explodieren. Früher hätte man auf Trinidad nicht einmal die Türen abschließen müssen, heute gibt es sogar überall Spezialschlösser. Warum das denn so sei? Die knappe Antwort war, die Welt ist doch außer Rand und Band, was soll´s. Sicherlich seien es die amerikanischen Filme auf dem Kabelfernsehen, die die Jugend verrohen ließen.

Zudem klärte sie mich über die Aussprache von Socca auf, man spricht es SUUKKA, keinesfalls wie Soccer. Ein paar andere Fans antworteten auf die Frage, ob sich denn nur reiche Leute die Reise hierher leisten könnten, das sei nicht so, und wo ein Wille ist, ist immer ein Weg. Es klang für mich jedoch nicht ganz so überzeugend…

„Die Socca Warriors vom Inselstaat Trinidad und Tobago“ in: Die neue Epoche  2006, Ausgabe 7 („Die Socca Warriors vom Inselstaat Trinidad und Tobago“ in: Die neue Epoche 2006, Ausgabe 7 (Foto: Klaus Mueller)

Begeistert waren sie, als sie erfuhren, dass Die Neue Epoche schon im Februar über ihr Team berichtete, sie ließen sich mit der Zeitung fotografieren und die damalige Überschrift übersetzen:„Die Socca Warriors vom Inselstaat Trinidad und Tobago“. Aber einer fragte noch einmal explizit und etwas bestimmt nach, was denn „Die“ heiße. Erst später fiel mir ein, dass es sich im englischen wie „Stirb Socca!“ liest. Ich konnte ihn aufklären und er war beruhigt. Dann fragte ich bei englischen Fans auf einer Brücke nach, wie ihnen denn Deutschland… aber die Antwort hätte mir schon vorher klar sein können, wie romantisch und wunderbar doch diese Brücke und der Ausblick hier sei.

englische Fans auf einer Brücke Nürnbergs (englische Fans auf einer Brücke Nürnbergs (Foto: Klaus Mueller)

Zugegeben, die Erbauer nahmen die Rialtobrücke in Venedig zum Vorbild. Nun, ich fragte die Engländer, was denn in ihrem Land gegenwärtig so das größte Problem sei. Nachdem sie auf einen in ihrer Gruppe als „spokesperson“ verwiesen hatten, kam von ihm: „Unser Premierminister“, noch vor „Steuern“ und „hohen Benzinpreisen“ und alle pflichteten bei. Nun findet man bekanntlich selten Engländer, die etwas Positives über ihren Premier sagen, aber man fragt sich manchmal, wer ihn denn eigentlich gewählt hat.

Begeistert war diese Gruppe vom öffentlichen Nahverkehr in Deutschland. In England wäre es, so ihre Aussage, an so einem Tag unmöglich in die Stadt zu kommen. Als Grund für das Versagen nannten sie die Privatisierung, die alles von Schlecht zu noch Schlechter wandelte.

Dass ihr Team gewinnen würde, war für sie natürlich klar, die Tipps gingen von 1:0 bis 3:0.

Hinter der Brücke kam dann schon der nächste „Karnevalsumzug“, für den die Polizei den Weg frei machen musste, denn allmählich wurde Nürnberg zur Karibik auf Zeit. Ob die anderen Begegnungen das toppen können? Wohl eher nicht, aber schau mer´mal.



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