Im Fernsehen stirbt sichs schöner
„Wer im amerikanischen Fernsehen stirbt, ist schöner tot“, sagt Tina Weber. Den Satz kann die Soziologin belegen. Weber untersuchte 13 amerikanische Fernsehserien – von „Six Feet Under“, über „CSI Las Vegas“ und „Dead like me“ bis hin zu „Dexter“. Und fand meistens zum Sterben schöne Leichen: jung, athletisch, gut aussehend.
Alle diese TV-Serien wurden in den letzten 12 Jahren produziert und laufen ausnahmslos zur besten Sendezeit. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wurde die amerikanische Fernsehlandschaft in den USA regelrecht mit TV-Serien, die den Umgang mit dem toten Körper in der Gerichtsmedizin oder im Bestattungsinstitut zeigen, überschwemmt. Tina Weber, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der TU Berlin, analysierte die Serien innerhalb des Forschungsprojektes „Tod und toter Körper“. Gab es in den 1990er-Jahren nur eine Krimi-Serie, in der die Leiche über den Tatort hinaus eine Rolle spielte, Tote aber dennoch niemals gezeigt wurden, wird die Leiche in den neuen US-Serien zu einem zentralen Element im Plot und – sie ist nun auch zu sehen. Doch wie wird sie gezeigt, fragte Tina Weber, und was wird nicht gezeigt und warum.
Bei der Frage nach dem Wie konstatiert Weber unter anderem eine Tendenz zur Ästhetisierung und der sterilen Darstellung der Toten. „Die Leiche wird auf einer sauberen, glänzenden Bahre, in einer penibel aufgeräumten Pathologie als schöner, junger, gut gebauter toter Körper in blauem Licht friedlich schlafend inszeniert“, so Weber.
Was nicht gezeigt wird, sind alte und ältere Menschen, übergewichtige, aufgedunsene und behaarte Körper, Zeichen von Krankheit, grotesk verdrehte Gliedmaßen, verzehrte Gesichter, Blut verschmierte Bahren, Schmutz – kurzum die Realität. Tina Weber hat in der Gerichtsmedizin und im Bestattungsinstitut gearbeitet und weiß, dass genau das aber die Realität ist. „Die meisten Toten in einem Bestattungsinstitut sind glücklicherweise nicht jung“, sagt die 32-Jährige. Dennoch werden Körper, gezeichnet von Alter und Krankheit – also natürlichen Todesursachen – dem TV-Zuschauer nicht zugemutet. „Dass das Fernsehen immer nur Ausschnitte der Realität inszeniert, ist allerdings mitnichten eine neue Erkenntnis“, sagt Weber, „neu aber ist, dass über eine Flut genormter Leichendarstellungen auch derzeitige körperliche Schönheitsideale propagiert werden.“
Die Bildanalyse der „Tatort“-Folgen seit den 1970er-Jahren führte Tina Webers Kollegen Patrick Schubert dagegen zu einem ganz anderen Befund. „In den USA und Deutschland existieren offensichtlich unterschiedliche Darstellungskonventionen in Bezug auf Gewalt und Sexualität, die sich auch anhand von Leichendarstellungen aufzeigen lassen. Die Ästhetisierung des Todes und des toten Körpers finden wir im ‚Tatort‘ kaum“, weiß Tina Weber. Auch seien im „Tatort“ Leichen schon immer gezeigt worden – jüngere genauso wie ältere, Kinderleichen, nackte Leichen, Schmutz und Blut. Im Unterschied zu den US-Serien ist jedoch die invasive Gewalt in Form der Autopsie nicht zu sehen, das Aufschneiden der Haut zum Beispiel oder das Aufbrechen des Brustbeines.
Der Tod als schöne Maskerade
Ab 2005/2006 registriert Weber im „Tatort“ Veränderungen. Die Pathologie von Dr. Börne zum Beispiel im „Tatort“ aus Münster ist nun auch blau ausgeleuchtet und bekommt zunehmend ein Hightech-Ambiente, und die Leichen wirken auch nicht mehr so „lebensnah“. „Das Genuine des ‚Tatort‘ mischt sich mit den Darstellungskonventionen aus den amerikanischen Serien. An der Beschreibung dessen arbeiten wir im Moment“, sagt Weber.
Warum aber wird in den USA der tote Körper als schöne Leiche dargestellt? Tina Weber: „Sicherlich hat es etwas mit dem Bestattungsritus in den USA zu tun. Jede Leiche wird dort zur Aufbahrung einbalsamiert und schön hergerichtet.“ Auch spiele der Zwang in der US-amerikanischen Gesellschaft, fit zu sein, jugendlich und makellos zu erscheinen bei der medialen Darstellung der Toten eine Rolle. Das schöne Äußere soll über den Tod hinaus bewahrt werden. „Es wird eine Vorstellung transportiert, wie man aussehen möchte nach dem Tod“, sagt Tina Weber und zitiert den Kunsthistoriker und Medientheoretiker Hans Belting: „Man verbirgt das, was man nicht sehen will, und setzt an seine Stelle etwas, das man sehen will und von dem man weiß, dass es nicht das ist, von dem man ein Bild hat.“ Der Tod als schöne Maskerade. Und vielleicht sollen die makellosen Bilder von schönen toten Körpern den Tod auf diese Weise etwas erträglicher machen. (sfr/Nitsche-TU Berlin)
Tina Weber, Drop dead gorgeous – Representations of Corpses in American TV Shows, Campus Verlag, 2011, Englisch, 267 Seiten, 29,90 Euro
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