Vorwärts, zurück zum Verbrenner? – Photoreaktoren auf dem Dach erzeugen E-Fuels

Statt Strom erzeugt eine vom KIT entwickelte „Solarzelle“ Wasserstoff. Auch eine Vielzahl an alternativen Kraftstoffen könnte künftig in Photoreaktoren auf dem eigenen Dach entstehen. – Nur ist kein Dach Deutschlands groß genug.
V-förmige Rinnen leiten das Sonnenlicht optimal zu den Photoreaktoren, egal wie die Sonne steht.
V-förmige Rinnen leiten das Sonnenlicht optimal zu den Photoreaktoren, egal wie die Sonne steht.Foto: Amadeus Bramsiepe, KIT
Von 28. Juni 2023


Trinkwasser, Wasserstoff oder gar alternative Kraftstoffe könnten dank neuartiger Solarzellen bald auf Hausdächern produziert werden. Möglich macht es eine Erfindung von Forschern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), welche die natürliche Photosynthese zum Vorbild hat. Anders als in Photovoltaikanlagen entsteht in ihren Photoreaktoren kein Strom, sondern direkt das gewünschte Endprodukt.

Kernstück ist eine Kombination aus Reflektoren und Reaktionskammern, die das einfallende Sonnenlicht „idealerweise verlustarm […] leiten, egal wo am Himmel die Sonne steht“, erklärt KIT-Forscher und Forschungsleiter Paul Kant. „Das könnte den Einsatz fossiler Energieträger schlichtweg überflüssig machen.“

Doch ganz so einfach ist es nicht, wie das Rechenbeispiel am Ende dieses Artikels zeigt.

Endlich raus aus dem Labor?

Bei der künstlichen Photosynthese werden chemische Reaktionen mithilfe von Sonnenlicht durchgeführt. Wie beim natürlichen Vorbild werden Photonen dabei von einem speziellen Material – dem sogenannten Photokatalysator – so absorbiert, dass ihre Energie direkt eine chemische Reaktion antreibt. „Inzwischen sind unterschiedliche [Stoffe] bekannt“, sagte Kant. „Mit ihnen lässt sich zum Beispiel Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Es lassen sich aber auch klimaneutrale Kraftstoffe aus Wasser und Kohlendioxid herstellen.“

Bislang ist diese Technologie vorwiegend in Laboren zu finden, weil die Produktionskosten von solarem Wasserstoff schlicht zu hoch waren. Mit einem Konzept für hocheffiziente Photoreaktoren, die in kostengünstigen Modulen verbaut werden können, sei der Forschungsgruppe nun ein entscheidender Schritt in Richtung Praxis gelungen. – Allerdings ebenfalls nur im Labormaßstab. Man arbeite derzeit an der Optimierung für den Massenmarkt, berichten die Forscher in ihrer Anfang Juni veröffentlichten Studie.

Den großflächigen Einsatz solcher neuartigen Photoreaktormodule hält Kant für eine der großen technologischen Chancen der Menschheit im Rennen um saubere Energie.

Für die Massenproduktion optimierte Alu-Grillpfanne

Für die praktische Anwendung gibt es im Wesentlichen zwei technische Voraussetzungen. Neben dem Licht benötigt man vor allem einen entsprechenden Photokatalysator, den Stoff, der die Reaktion ermöglicht, sowie ein geeignetes Gefäß, das sowohl Katalysator als auch die Ausgangsstoffe beinhaltet. Im Rahmen der bisherigen Forschung konzentrierten sich die Karlsruher Forscher hauptsächlich auf Letzteres: den Photoreaktor.

Dazu erklärte Kant: „Wichtig ist, dass der Photoreaktor durch seine Struktur und das verwendete Material optimale Betriebsbedingungen für den Photokatalysator gewährleistet, etwa die richtige Temperatur oder die passende Intensität bei der Absorption von Licht am Photokatalysator.“

Dabei entwickelten sie ein Trägermodul aus einfachen Kunststoffen mit v-förmigen Rinnen. In deren tiefstem Punkt liegt ein Glasrohr mit dem Photokatalysator, der von Wasser umströmt wird. Um die Reflexion zu verbessern, beschichteten die Forscher den Träger zudem mit Aluminium. Von Weitem betrachtet ähnelt das Modul einer Alu-Grillpfanne.

Prototyp der neuen Photoreaktoren im KIT-Labor.

Prototyp der neuen Photoreaktoren im KIT-Labor. Foto: Amadeus Bramsiepe, KIT

Die verwendeten Materialien und Formen ermöglichen eine industrielle Fertigung und „etablierten Massenfertigungsverfahren“. Entsprechend seien damit vergleichsweise niedrige Herstellungskosten verbunden. Nach ersten Berechnungen schätzen sie die Materialkosten der Trägermodule auf unter zehn Euro pro Quadratmeter. Unter Einbeziehung eines Katalysators im Wert von einer Million Euro pro Tonne verdoppeln sich die Kosten der Photoreaktoren auf etwa Euro 20 pro Quadratmeter.

Vielfältig aber großflächig

Zukünftige Photoreaktoren könnten laut Aussagen der Forscher zudem „verhältnismäßig einfach“ für unterschiedliche Einsatzzwecke auf maximale Effizienz ausgelegt werden. Damit sei es möglich, die Reaktionen an verschiedene Power-to-X-Verfahren anzupassen und somit verschiedene Stoffe zu produzieren. Gegebenenfalls müssen weitere Verfahrensschritte folgen.

Je nach Wunsch produzieren die Photoreaktoren dann jedoch Wasserstoff, Synthesegas oder auch synthetische Kraftstoffe (E-Fuels). „Unser Konzept und Grunddesign ist auf jedes flüssige, gasförmige oder heterogene multiphasische photokatalytische System anwendbar“, erklären Kant und Kollegen.

Eine hohe Effizienz bei der chemischen Reaktion ist allerdings nur ein Teil der Herausforderung, um die künstliche Photosynthese als eine wirtschaftliche Technologie zu etablieren. Denn für relevante Produktmengen müssen extrem große Flächen mit Photoreaktorpaneelen bedeckt werden, so die Forscher.

In ihrer Studie ist die Rede von einer „geschätzten Jahresproduktion von 870 mol Wasserstoff und 435 mol Sauerstoff“. Das entspricht etwa 877 Gramm, beziehungsweise 9.754 Liter Wasserstoff. Hinzu kommt eine Sauerstofferzeugung von knapp sieben Kilogramm oder 4.870 Liter (weil Sauerstoff etwa 16-mal schwerer ist). Zusammen ergäben sich aus dem Verkauf der Gase Erlöse von etwa sieben Euro pro Quadratmeter und Jahr.

 … sehr großflächig

Zum Vergleich: Um die gleiche Menge nutzbarer Energie wie 1 Liter Benzin zu erhalten, sind rund 12 Kubikmeter  (12.000 Liter) unverdichteter Wasserstoff nötig. Selbst mit einem sparsamen Auto mit einem Verbrauch von 4 Litern pro 100 Kilometer und einer durchschnittlichen Fahrleistung von 10.000 Kilometern im Jahr werden fast 500 Quadratmeter Wasserstoff-Photoreaktoren benötigt – ohne Berücksichtigung von Transport- und Speicherverlusten.

Noch ein Vergleich: Das Kraftfahrtbundesamt geht derzeit von einem Pkw-Bestand von 48,76 Millionen Fahrzeugen aus. Bei analoger Fahrleistung und einem durchaus optimistischen Durchschnittsverbrauch von 6 l/100 km verfahren diese im Jahr 29,258 Milliarden Liter Benzin. Um diesen durch Wasserstoff aus den KIT-Reaktoren zu ersetzen, sind rechnerisch 35.995 Quadratkilometer Fläche nötig.

Das ist fast 1,5-mal mehr als die versiegelte Fläche in Deutschland und etwa mehr als zehn Prozent der gesamten Landesfläche. Sprich, auch wenn auf jedem Gebäude, vom Rathaus bis zur Gartenlaube, jeder Straße, jedem Parkplatz und jedem Gehweg derartige Reaktoren liegen, reicht das noch nicht einmal für die Pkw-Flotte, geschweige denn für Busse, Lkw und Industrie.

Dabei haben die Forscher um Kant bereits eine deutliche Effizienzsteigerung aufzuweisen. Mit einem etablierten Katalysator erreichten sie einen photokatalytischen Wirkungsgrad von 5,8 Prozent. Aufgrund der verwendeten Materialien und Formen „entspricht das aber 62 Prozent des theoretisch erreichbaren Maximalwerts“, so die Forscher.

Darüber hinaus sei dies gegenüber einfachen Photoreaktoren aus Glaskapillaren eine Steigerung um Faktor vier. Weitere Forschungen konzentrieren sich daher auch auf die Entwicklung eines eigenen Photokatalysators.



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