Strom aus der Hafenmauer

Wells-Turbinen in Küstenschutzmauern gewinnen Energie aus Wellen und sparen Baukosten
Titelbild
Die oszillierende Wassersäule: Die Wellen steigen in einer Kammer auf und ab und komprimieren und dekomprimieren so die darin befindliche Luft, wodurch eine Wells-Turbine angetrieben wird. (Voith Siemens Hydro Power Generation GmbH & Co. KG)
Von 19. Dezember 2007

Wellen gibt es wie Sand am Meer. Getrieben vom Wind, bewegen sie jeden Tag die Weltmeere und schlagen unaufhörlich an Land. Je stärker der Wind bläst, mit desto mehr Energie prallen die Wogen auf die Küsten. Energie, die dazu ausreichen könnte, bis zu 15 Prozent des weltweiten Strombedarfs zu decken.

Der Internationale Weltenergierat in London (WEC) hat 2004 berechnet, dass aus der Kraft der Wellen doppelt so viel Energie gewonnen werden könnte wie gegenwärtig weltweit von allen Atomkraftwerken erzeugt wird. Und doch bleibt diese Naturenergie bisher weitestgehend ungenutzt, obwohl es unterschiedliche Konzepte zur Energiegewinnung aus Wellen gibt. Wellenkraftwerke mit Betonkonstruktionen zu bauen erschien in der Vergangenheit oft noch nicht lohnend genug, verschlingt der Bau an sich doch bereits einen Großteil der Investitionskosten.

Die Forscher des deutschen Wasserkraftanbieters Voith Siemens Hydro Power Generation und seiner schottischen Tochtergesellschaft Wavegen haben nun eine Technologie entwickelt, die es ermöglicht, die Kosten für die Nutzung von Wellenkraft zu senken: Sie verzichten auf kostspielige Kraftswerksanlagen und integrieren die Turbinen zur Gewinnung der Energie aus dem Meer einfach in geplante Küstenschutzmauern. Bei ihrem Einsatz in einer Hafenstadt ließe sich damit der Nutzen für die Anwohner verdoppeln – neben dem benötigten Schutz profitierten sie auch von der eingefangenen Energie.

„Wenn wir nicht mehr darauf angewiesen sind, eigens teure Beton-Wellenkollektoren an die Küste zu bauen, sondern geplante Küstenbauwerke nutzen können, wird Strom aus Wellenkraft deutlich attraktiver“, so Tom Heath, Chefingenieur der schottischen Voith Siemens Hydro Tochter Wavegen. Voith Siemens Hydro hat sich mit seiner Technologie an guten Standorten Stromgestehungskosten von 10 – 15 Cent zum Ziel gesetzt.

Den Praxistest haben die Turbinen aus dem Hause Wavegen längst bestanden: Bereits seit sechs Jahren versorgt ein Wellenkraftwerk an der Küste der schottischen Insel Islay rund 50 Haushalte mit Strom und ist damit weltweit einzigartig. Die Technologie des Kraftwerks basiert auf dem Prinzip der „oszillierenden Wassersäule“ und besteht aus einem rund 18 Meter hohen und etwa 20 Meter breiten „Wellenkollektor“ mit einer anschließenden 10 Meter langen Turbine. Die ankommenden Wellen rauschen in lange Kammern. Dort komprimieren und dekomprimieren sie durch den Wellengang die im Inneren befindliche Luft. Durch den Luftstrom wird das Kernstück der Anlage in Rotation versetzt – die so genannte Wells-Turbine, benannt nach ihrem Erfinder, dem Schotten Alan Wells. Sie dreht sich unabhängig von der Anströmung immer in die gleiche Richtung und übersetzt die in dem Druckunterschied gespeicherte Energie in Strom.

Um die auf Islay entwickelte Technologie jedoch auch auf dem engen Raum einer Kaimauer nutzbar zu machen, mussten kleinere Turbinen entwickelt werden. Dies ist den Voith-Technikern bereits gelungen: Die neuen Turbinen haben eine Länge von drei Metern, erzeugen rund 18,5 Kilowatt und werden derzeit auf Islay getestet. „Momentan liegt der Wirkungsgrad noch bei 40 Prozent, doch mit der neuen Technologie sind „Ausbeuten“ von bis zu 60 Prozent möglich“, so Heath.

Ein aktuelles Abkommen von Wavegen mit npower renewables, einer britischen RWE-Tochter, soll den Weg für den Bau eines Dreieinhalb-Megawatt-Wellenkraftwerkes an der Küste auf der Hebrideninsel Lewis ebnen. Geplant ist der Einsatz von 35 Wells-Turbinen in einer Küstenschutzmauer. Auch an der baskischen Küste soll eine neu zu errichtende Kaimauer mit 16 Mini-Wells-Turbinen bestückt werden.

Rund 2.000 Haushalte könnten mit dem Wellenstrom versorgt werden, wenn die zwei geplanten Projekte in Spanien und Schottland tatsächlich realisiert würden. (dpa)

www.voithsiemens.com



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