Das Geheimnis der Ghostwriter – Wie sie Studenten zum Abschluss verhelfen

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Epoch Times19. April 2023

Ein Ghostwriter schreibt im Namen eines anderen – das Gewerbe ist annähernd so alt wie das Schreiben selbst. Schon in der Antike verfassten sogenannte Logografen Verteidigungsreden, mit denen sich zahlungskräftige Beschuldigte vor Gericht verteidigen konnten.

Auch in anderen Bereichen hat Ghostwriting eine lange Tradition, beispielsweise in der Musik. So komponierte Mozart im Namen von wohlhabenden Gönnern, unter anderem für den Adeligen Franz von Walsegg. Heute floriert vor allem eine Form, andere für sich schreiben zu lassen: das akademische Ghostwriting.

Jährlich bis zu 3.000 Abschlussarbeiten vom Ghostwriter

Von der statistischen Auswertung bis hin zur Projektpräsentation – das Portfolio der großen Ghostwriting-Anbieter im deutschsprachigen Raum hat nahezu alles zu bieten, was sich die Dozenten an der Uni von ihren Studenten wünschen. Exakte Zahlen dazu, wie viele Studenten solche Dienstleistungen in Anspruch nehmen und wie oft es sich beim fremd-verfassten Material um eine Abschlussarbeit handelt, gibt es nicht.

Ein Ghostwriter, der für mehrere große Agenturen aktiv ist, gibt uns seine Einschätzung: „Es gibt drei bis vier große Agenturen in Deutschland, die jährlich mehrere Tausend Aufträge vermitteln. Ich würde sagen, dass etwa ein Drittel davon Abschlussarbeiten betrifft, auch wenn es sich oft nur um einzelne Kapitel oder die Überarbeitung abgelehnter Arbeiten handelt. Dazu kommen unzählige kleinere Agenturen, Freelancer, die sich im Internet bewerben, sowie der ‚klassische Zugang‘, also wenn man beispielsweise die Masterarbeit von der Cousine des Mitbewohners schreiben lässt. Ich gehe also davon aus, dass pro Jahr in etwa 3.000 Abschlussarbeiten eingereicht werden, an denen ein Ghostwriter beteiligt war“, so der langjährige akademische Autor Simon Meyer (Name von der Redaktion geändert).

Für die starke Nachfrage nach Ghostwritern lassen sich mehrere Gründe feststellen: Zum einen gab es vor dem digitalen Zeitalter, mit dem elektronische Plagiatsprüfungen an Universitäten Einzug erhielten, einfachere Wege des Schummelns. Haus- und Seminararbeiten wurden häufig eins zu eins abgeschrieben – blieb nur zu hoffen, dass die Quelle dem Seminarleiter unbekannt war.

Auch bei Diplomarbeiten und Dissertationen war es früher keine Seltenheit, seitenweise von anderen abzuschreiben, wie die Welle an Plagiatsskandalen zeigte, die durch die Affäre rund um Karl-Theodor zu Guttenberg losgetreten wurde.

Zum anderen hat sich die Situation vieler Studenten verändert. Duale Studiengänge und berufsbegleitende Bildungswege sind keine Seltenheit mehr, die Studenten haben mehr Geld, aber weniger Zeit. Außerdem bleibt an den unter Personalmangel leidenden Universitäten wenig Zeit für Mentoring, kommerzielle Angebote für akademisches Coaching füllen die Lücke.

„Ghostwriting ist schwer nachzuweisen“

Wie kann es sein, dass Ghostwriting in diesem Ausmaß an den Unis unentdeckt bleibt? Machen sich die Agenturen nicht strafbar, wenn sie ihr Angebot im Internet bewerben? Thomas Nemet, Geschäftsführer der Agentur ACAD WRITE, die seit 2004 Ghostwriter vermittelt, erklärt uns die rechtliche Situation: „Meine Agentur bietet an, wissenschaftliche Arbeiten zu verfassen, was ja vollkommen legal ist. Wir weisen den Kunden auch darauf hin, dass er gegen Universitätsrichtlinien verstößt, wenn er die Arbeit als die eigene ausgibt. Falls er es trotzdem tut, ist das seine Entscheidung.“

Und wie oft werden Kunden erwischt? „Nahezu nie“, sagt Herr Nemet. „Im Gegensatz zu Plagiaten ist Ghostwriting schwer nachzuweisen. Wie kann man beweisen, dass ein Text von jemand anderem verfasst wurde? Das ist nicht einfach.“

An der moralischen Verwerflichkeit, sich mit fremden Federn zu schmücken, ändert das natürlich nichts. Trotzdem scheint akademisches Ghostwriting unter Studenten längst salonfähig zu sein – auch wenn am Campus meist nur darüber geflüstert wird.



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