Den Flussauen ihre natürlichen Überflutungsräume zurückgeben

Ein Leipziger Wissenschaftler findet die Debatte um Ursachen der Flutkatastrophe zu einseitig und fordert "eine gesellschaftliche Debatte über die nachhaltige Nutzung von Auen".
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Auen sind Uferlandschaften von Bächen und Flüssen. Ihre Vegetation und Geländeform wird vom wechselnden Hoch- und Niedrigwasser geprägt.Foto: iStock
Epoch Times3. August 2021

Bei der Ursachenforschung zu der aktuellen Flutkatastrophe im Westen Deutschlands sowie in den angrenzenden Ländern wird vor allem darüber diskutiert, inwieweit menschengemachter Klimawandel und Flächenversiegelung in den Einzugsgebieten die natürlichen Flutprozesse verstärkt.

Prof. Dr. Christoph Zielhofer, Physischer Geograph an der Universität Leipzig, sieht allerdings noch eine andere Gefahr: Bei extremen Hochfluten spielen seiner Ansicht nach die baulichen Veränderungen in den Flussauen eine große Rolle. Dieser Aspekt komme in der Diskussion um die Ursachen der Flutkatastrophen bisher zu kurz.

„Bei extremen Niederschlagsereignissen nimmt die Bedeutung der Flächenversiegelung eher ab, da selbst offenporige Böden ab einem bestimmten Punkt kein Wasser mehr aufnehmen können“, betont er. Auen sind besonders dynamische Landschaften und Kernzonen des Kultur- und Naturerbes Europas.

Auen sind manchmal nicht mehr als solche zu erkennen

Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit sind Auen aber auch Brennpunkte früher menschlicher Eingriffe in den Naturraum. Der Mensch will Land gewinnen, Ressourcen nutzen und das Risiko etwa für Anwohner minimieren. Deshalb hat er die mitteleuropäischen Auen wegen ihrer außergewöhnlich großen Nutzungsmöglichkeiten radikal und grundlegend verändert.

„Diese menschliche Überprägung kann so stark sein, dass Auen nicht mehr als solche erkennbar sind“, warnt Zielhofer. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist das Wirkungsgefüge von Mensch und natürlichen Prozessen in Auenlandschaften.

Stark betroffen von dieser Entwicklung sind Auenlandschaften in der Nähe von Ballungsräumen und Industrieregionen und in Regionen mit Tagebau. So werden die Überflutungsräume durch Deiche eingegrenzt, die Flussläufe begradigt oder verlagert, und die Sande und Kiese der Auen abgebaut. Auch der Braunkohle-Tagebau spielt bei der Verlagerung der Flussläufe eine große Rolle.

„Kommen mehrere dieser menschengemachten Faktoren in den Auen zusammen, sind die natürlichen Abflussverhältnisse oft nicht mehr gegeben. Extreme Hochfluten können dann selbst in den Auen von kleineren Flüssen wie aktuell an der Erft zu großen Schäden führen“, so Christoph Zielhofer.

Am Fluss Erft kam es zu rückschreitender Erosion infolge der Flutung einer Kiesgrube. „Je größer die Höhenunterschiede in der Aue sind und je mehr Wasser fließt, desto stärker wird die rückschreitende Erosion. In natürlichen Auen kommen diese großen Höhenunterschiede so nicht vor“, erläutert Prof. Zielhofer.

Flüsse haben ein langes Gedächtnis

Besonders skeptisch sieht er auch die fortschreitende Bebauung der Auenlandschaften. Dadurch würden diese bei extremen Hochwässern immer schadensanfälliger. „Flüsse haben ein langes Gedächtnis. Bei extremen Hochflutereignissen finden sie häufig wieder zurück in ihren früheren Flusslauf und durchbrechen menschengemachte Barrieren.“

„Ich glaube allerdings nicht, dass wir etwas erreichen, jetzt nach Verantwortlichen vor Ort zu suchen. Vielmehr brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte über die nachhaltige Nutzung von Auen“, fordert der Physische Geograph und Geomorphologe. Dabei müsse es darum gehen, wie wir den Flüssen ihre natürlichen Überflutungsräume zurückgeben und den menschlichen Nutzungsdruck auf die Auenlandschaften reduzieren können. (idw)

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe KW29



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