Ein echter Europäer

Titelbild
Besondere Kennzeichen: Charakteristisch für den Rotmilan sind der gegabelte Schwanz mit der rostbraunen Oberseite und der hellgraue, schwarz-gestrichelte Kopf. (Alan Saunders)
Von 15. Juli 2009

Selbst Menschen, die sich nicht sonderlich für Vögel interessieren, verharren eine Weile fasziniert mit dem Blick gen Himmel, wenn sie einen Greifvogel kreisen sehen. Einer der schönsten in Mitteleuropa ist der Rotmilan (Milvus milvus). Elegant segelt er über Fel­der und Straßen. Die Flügel hält er leicht gewölbt, während er ständig mit drehenden Bewegungen des breit gefächerten Schwanzes seinen Flug lenkt. Beeindruckend ist seine Flügelspannweite von 145 bis 170 Zentimetern. Vom Schnabel bis zur Schwanzspitze misst der habichtartige Vogel stattliche 56 bis 73 Zentimeter. An den großen weißen Flecken auf der Unterseite der Handschwingen kann man ihn gut von anderen Greifvögeln unterscheiden.

Eine besondere Verantwortung für Deutschland

Das Brutareal des Milvus milvus beschränkt sich fast ausschließlich auf Europa. In der Schweiz hat sich der Bestand in den letzen Jahren auf geschätzte 1.200 bis 1.500 Brutpaare verzehnfacht. In Österreich, wo der Rotmilan im 19. Jahrhundert noch in fast allen Bundesländern vorkam, schätzte man den Bestand 2008 nur auf 12 bis 19 Paare. In Deutschland brüten etwa 10.500 bis 13.000 Rotmilan-Paare. Das ist über die Hälfte der Rotmilan-Weltpopulation. Das mag man in Hamburg und an der Nordseeküste kaum glauben, denn hier hält sich der Rotmilan fast gar nicht auf. Die meisten Rotmilan-Paare zählt man im Osten Deutschlands.

Ein faszinierender Greifvogel

Welche Ansprüche der Rotmilan an seinen Lebensraum stellt, erfährt man in dem Buch „Der Rotmilan. Ein faszinierender Greifvogel“ von Adrian Aebischer. Der Biologe geht darin nicht nur akribisch den Bestandsänderungen in den verschiedenen Regionen Europas nach, sondern vermittelt alles, was die Fachwelt derzeit über den schönen rostbraunen Greifvogel weiß: Über den Lebensraum, die Nahrung, Balz, Brut und Entwicklung der Jungen, über die Verbreitung gestern und heute, was ihn gefährdet und wie man den Rotmilan schützen kann.

Beim Futter nicht wählerisch Aebischer nimmt den Leser mit in den Lebensraum des gefiederten Europäers: Auf weite Wiesen am Waldrand von Nordhessen oder auf Müllkippen in Spanien. Der Rotmilan ist ein Fleischfresser, der immer das frisst, was in seiner Region zu haben ist: Auf der Müllkippe findet er Abfälle und Ratten, auf der Straße das Aas von überfahrenen Tieren. Ansonsten fängt er Fische, Frösche, Eidechsen, Vögel, kleine Säugetiere, Regenwürmer und Insekten. Oder er jagt anderen Raubvögeln ihre Beute ab.

Lumpensammler

Die beruflichen Aufstiegschancen für Ornithologen, die sich mit dem Rotmilan beschäftigen, sind –
übertragen gesehen – hoch: Bis zu 40 Meter hoch muss ein Vogelkundler klettern, will er einen Blick in ein Rotmilan-Nest werfen. Das Nest eines Milans erkennt man gut an den Stoff- und Plastikfetzen, mit denen er das Nest auslegt. In einer Tabelle listet Aebischer auf, was man in der Westschweiz in Rotmilan-Nestern fand: unter anderem Socken, Pulloverärmel, einen Slip, Schnüre, Schuhsohlen, Taschentücher aus Stoff und Papier, Windeln und Damenbinden. Auch einen Plüsch-Elefanten und ein Plüsch-Schaf fand man in der „Milan-Kinderstube“. Problematisch sind die wasserundurchlässigen Kunststoffe im Nest, da Eier und Junge nach starken Regen in einer Pfütze liegen und sich unterkühlen können.

Gift in der Landwirtschaft und andere Gefahren

Diese Vogelart hat immer wieder Rückschläge erlitten: Sei es, dass ehemalige Weidelandflächen, in denen der Rotmilan reichlich Hamster und Mäuse fand, zunehmend mit Raps, Getreide und Mais bepflanzt werden. Sei es, dass sie direkt durch Giftköder oder indirekt durch den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft vergiftet wurden. Als Aasfresser nimmt er eben auch die Gifte auf, an denen die toten Tiere gestorben sind. Dazu zählt auch das Bleischrot, mit denen Tiere geschossen wurden.
Durch die große Spannweite kommen Rotmilane auch an Strommasten um. Und jedes Jahr findet man in Deutschland acht bis 22 tote Rotmilane, die an den Rotorblättern von Windkraftanlagen umkamen. Der Abschuss ist eine weitere häufige Todesursache. Mit seinem gemächlichen Flug ist er ein leichtes Ziel.

Adrian Aebischer: Der Rotmilan: Ein faszinierender Greifvogel (Gebundene Ausgabe). Haupt Verlag. EUR 29,90. EUA 30,80. SFR 49,90. 232 Seiten. ISBN 978-3-258-07417-7. 
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'/>Adrian Aebischer: Der Rotmilan: Ein faszinierender Greifvogel (Gebundene Ausgabe). Haupt Verlag. EUR 29,90. EUA 30,80. SFR 49,90. 232 Seiten. ISBN 978-3-258-07417-7.

Vom Laien zum Kenner

„Der Rotmilan. Ein faszinierender Greifvogel“ ist ein sorgfältig zusammengestelltes Buch, reichlich bebildert mit beeindruckenden Fotos von wohl fast jeder Rotmilan-Lebenslage: etwa kurz vorm Beutefang auf der Erde, beim Fischfang an der Wasseroberfläche, beim Verteidigen seines Reviers zur Brutzeit oder im Winter einig versammelt mit zig Artgenossen in Baumkronen, die sie als Schlafplatz gewählt haben. Tabellen, Diagramme und Schaubilder liefern Daten, die nicht nur die Fachwelt auf den neuesten Wissenstand bringt. Auch der Laie, der von der Faszination für den Rotmilan schnell infiziert wird, kann sich nach der Lektüre dieses Buches einen Kenner des Rotmilans nennen – zumindest was das theoretische Wissen betrifft. Denen, die gern weiterforschen wollen, gibt Aebischer mit, wo es noch Wissenslücken zu füllen gibt.

Erschienen in The Epoch Times Deutschland Nr. 26/09

 



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