Energie über Menschenrechte: Baerbock will „grünen Wasserstoff“ von Kasachstan

Außenministerin Baerbock blickt mit Kasachstan in eine gemeinsame nachhaltige Zukunft. Doch der Transport birgt Risiken. Ebenso bestehen Probleme mit der Einhaltung von Menschenrechten.
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Am Kaspischen Meer, in der Region Mangghystau, soll grüner Wasserstoff produziert werden.Foto: istock/ekipaj
Von 30. November 2022

Auf der Suche nach neuen Partnern, die Deutschland die Energieversorgung sichern, ist Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) offenbar in Kasachstan fündig geworden. Bei ihrem Besuch in dem zentralasiatischen Land Ende Oktober hat sie ihrem kasachischen Amtskollegen Muchtar Tleuberdi angeboten, die Wirtschaftskooperation beider Länder zu intensivieren. „Fair, auf Augenhöhe, ohne Knebelkredite und ohne versteckte Agenda“, versprach sie dabei, berichtete das Nachrichtenportal „hintergrund“. Um sich von Russland in Sachen Energieversorgung unabhängig zu machen, sucht die Bundesregierung derzeit quasi weltweit nach neuen Quellen. Erst am Dienstag, 29. November, informierte das Energieministerium über einen abgeschlossenen Gaslieferungsvertrag mit Katar.

Präsident ins Amt „gehievt“

Die Vorteile beider Länder: Sie sind reich an Energieträgern und Bodenschätzen. Ein Nachteil, der beide Länder vereint: Sie nehmen es mit den Menschenrechten nicht besonders genau. Amnesty International kritisierte Katar im Jahresbericht 2021 wegen der eingeschränkten Meinungs- und Versammlungsfreiheit, der prekären Situation der Arbeitsmigranten sowie der Diskriminierung von Frauen und Mädchen.

Starke Kritik an Kasachstan ging beispielsweise auch aus einer Studie hervor, die die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) 2019 veröffentlichte. Die SWP berät die Bundesregierung in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik bzw. der internationalen Politik.

Der amtierende Präsident Kasachstans Qassym Schomart-Toqajew wird in der Studie als loyaler Gefolgsmann des im März 2019 zurückgetretenen Nursultan Nasarbajew bezeichnet. Er sei ohne eigene politische Basis ins Präsidentenamt „gehievt“ worden.

Autoritäre Herrschaft statt Demokratie

Die Partizipationspolitik des Landes nennen die Autoren der Studie bedenklich, „weil sie zu Las­ten von Menschenrechten geht und zu mehr Über­wachung führt. Anders als zuweilen behauptet, läuft sie nicht auf Demokratisierung hinaus, sondern soll vielmehr die autoritäre Herrschaft langfristig sichern“.

Die Organisation „Human Rights Watch“ führt eine lange Liste an Menschenrechtsverletzungen in ihrem Weltbericht 2021 auf. Dazu gehört etwa die Verfolgung, Schikane und Verhaftung von kritischen Journalisten oder Regimekritikern. Die Todesstrafe schaffte die Regierung erst Ende 2021 ab.

Russland hatte Baerbock beim Ausbruch des Ukraine-Krieges die Verletzung von Menschenrechten vorgeworfen. Die Umstände in Kasachstan sollten ihr bekannt sein. Sie hindern sie aber nicht, große Pläne für die deutsche Versorgung mit „grünem Wasserstoff“ zu schmieden.

Windpark von der Größe Brandenburgs

Wie „hintergrund“ weiter berichtet, soll Kasachstan sein „enormes Potenzial“ für die Produktion erneuerbarer Energien nutzen. Mit deutscher Unterstützung und Mitteln der Europäischen Union (EU) könne das Land zu einem führenden Produzenten von grünem Wasserstoff werden.

Für die „gemeinsame nachhaltige Zukunft“ möchte sie ein Projekt am Kaspischen Meer realisieren. Ab 2030 sollen dort durch Elektrolyse des Meerwassers drei Millionen Tonnen grüner Wasserstoff produziert werden. Die dafür benötigte Energie soll ein Windpark liefern, der die Größe ihrer Heimat Brandenburg hat.

Den Auftrag für die Entwicklung habe sich bereits ein deutsches Unternehmen gesichert. Die Grünen-Politikerin möchte so die saubere Energieversorgung Deutschlands sichern, doch gibt es Zweifel an der Umsetzbarkeit. Schon der Transport wäre ein großes Problem, sagt der Energiemarktanalyst Sergej Smirnow in einer Talkshow des kasachischen Senders „ZonaKZ“.

Analyst: EU kann sich das Projekt nicht leisten

Während Flüssiggas bei minus 163 Grad transportiert werden muss, müsse die Temperatur bei grünem Wasserstoff bei minus 253 Grad liegen. Derzeit gebe es auf der Welt keine einzige Pipeline dafür. Zudem sei das Risiko eines Lecks über diese lange Distanz groß. Wird die Leitung undicht, kondensiert Sauerstoff. Ein Transport per Schiff über das Kaspische Meer sei auch nicht ungefährlich. Für den gesunden Menschenverstand gebe es keine vernünftige Erklärung für ein solches Vorhaben, so Smirnow weiter. Es sei denn, man wolle Russland eins auswischen. Aus seiner Sicht könne sich die EU ein solches Projekt derzeit finanziell auch gar nicht leisten.

Meerwasser aufwendig entsalzen

Die Herstellung von grünem Wasserstoff verbrauche zudem zu viel Wasser und Energie. Daher würden weltweit nur zwei Prozent des Wasserstoffs auf diese Weise gewonnen. Die Vorstellungen Baerbocks, die Produktionsmenge des grünen Wasserstoffs allein in Kasachstan um 20 Prozent zu erhöhen, harmoniere nicht mit den kasachischen Produktions- und Umweltbedingungen.

Smirnow wies außerdem darauf hin, dass die Herstellung von einer Tonne grünem Wasserstoff 18 Tonnen Süßwasser verbrauche. Das Werk solle in Mangghystau im Westen des Landes entstehen. Dort müsse das Wasser des Kaspischen Meeres verwendet und erst aufwendig entsalzen werden. Die Energie dafür und für die Elektrolyse komme dann aus dem benachbarten Windpark.

Teuer und umweltschädlich

Daher sei das Projekt nicht nur aufwendig und teuer, sondern auch umweltschädlich. Der Meeresspiegel des Kaspischen Meeres sinke ohnehin, sagte Smirnow. Zudem verschandelten die Windkraftanlagen die Landschaft und bedrohten den Lebensraum zahlreicher Tiere und Vögel.

Moderator Wladislaw Jurizin fragte, wie kasachische Beamte auf solche Utopien eingehen könnten. Kasachstan habe schon viel versprochen, sagte Analyst Smirnow. Er erinnerte daran, dass die Regierung Europa mit kasachischem Honig und Kumys (vergorene Stutenmilch) habe „fluten“ wollen. China sollte 60.000 Tonnen Fleisch geliefert bekommen.

Doch von all diesen Ideen habe die Regierung nichts umgesetzt. Für das „Megaprojekt“ am Kaspischen Meer sehe er ein ähnliches Schicksal voraus.



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