Das Aus für die deutsche Kernenergie

Titelbild
Nikolaus Schneider (EKD): „… dass wir Menschen außerstande sind, für absolute Sicherheit zu sorgen. Und deshalb ist eine Technik, die 100-prozentige Sicherheit braucht, nicht menschengerecht.“Foto: Jörg Sarbach/dapd
Von 4. April 2011

Die Ereignisse in Japan – vor allem um das Kernkraftwerk Fukushima I – überschlagen sich. Wir sehen apokalyptische Bilder, die berechtigte Ängste wecken. Aber dennoch, und trotz der atomaren Katastrophe im Umfeld des Erdbebens und des Tsunami, wollen wir herausstellen, wie klein der Mensch gegenüber den Naturgewalten ist: Häuser, Anlagen, Fabriken, Schiffe, Fahrzeuge und vor allem Menschen – sie wurden von den Wassermassen einfach hinweggetragen. Deshalb sind bei allem politischen Streit um die Bewertung der Kernenergie die Gedanken bei den Betroffenen in Japan, die ihre Angehörigen und in zweiter Linie auch ihre Unterkunft, ihre Wohnungseinrichtungen – kurz ihre Lebensgrundlage – verloren haben.

Nicht menschengerecht

Die mit der Naturkatastrophe verbundene technische Katastrophe in Blöcken des Kernkraftwerkes Fukushima hat zumindest in Deutschland zum Ende der Kernenergie geführt. Die Deutschen akzeptieren mehrheitlich die Kernenergie nicht und wollen auch keine Argumente mehr zur Kenntnis nehmen, die für die Kernenergie sprechen. Der neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, brachte es in einer Predigt auf den Punkt: „Zur Geschöpflichkeit des Menschen gehört aber, dass wir Menschen eben außerstande sind, für absolute Sicherheit zu sorgen. Und deshalb ist auch eine Technik, die 100-prozentige Sicherheit braucht, nicht menschengerecht.“

Schlamperei

Haben wir uns – auch als Befürworter der deutschen Kernenergie – etwas vorgemacht? Nein, für Christen ist die Sache klar: Der Mensch ist nicht vollkommen und wo Menschen wirken, da „menschelt“ es – ein Restrisiko war immer bekannt. Die Frage war nur, ob dieses Restrisiko so klein ist, dass man es hinnehmen kann. Die Kraftwerke in Japan galten als erdbebensicher, sie wurden sogar auf einem felsigen Untergrund gebaut und durchaus könnte die Technik noch stärkere Fundamente und weitere Sicherungsringe realisieren. Doch dies nützt alles nichts, wenn der Mensch Fehler macht. Versagt haben periphere Systeme in den japanischen Kraftwerken. Schließlich kam auch noch eine Schlamperei hinzu, weil für die 3. Sicherungsstufe zu wenige Großbatterien für den Strom der Pumpen vorhanden waren. Menschliche Fehler in der Logistik und Organisation. Die Dinge nahmen ihren katastrophalen Lauf.

Auswirkungen in Deutschland

In einer emotional stark aufgeheizten deutschen Öffentlichkeit war die Kernenergie schon bisher in Teilen der Bevölkerung sehr umstritten. Die Ängste, die mit der Kernenergie verbunden sind, haben längst auch konservative Kreise erfasst. Weshalb dies alles so ist, muss hier nicht mehr erläutert werden. Zeitungen, Radio und das Fernsehen überschlagen sich in Deutschland geradezu mit der apokalyptischen Berichterstattung. Die Entwicklung bekam einen Drive, der alles (auch die Bundesregierung) überrollte. Schon ist es geschehen, dass ein so erfolgreiches Bundesland wie Baden-Württemberg erstmals seit Jahrzehnten für die CDU verloren geht, weil die Bürger die baden-württembergische Landesregierung, die bisher die Kernenergie bejahte, abstraften. Die Ereignisse von Japan hatten ihre Auswirkungen auch für Baden-Württemberg. Und natürlich auch in allen anderen Regionen Deutschlands.

Die Sieben-Milliarden-Menschheit

Ist dies nun das Ende der Kernenergie grundsätzlich? Von Deutschland abgesehen, heißt die Antwort nein. Doch wie geht es weltweit weiter? Vor allem in Deutschland will man der Wahrheit nicht ins Auge sehen! Der Strombedarf wird fundamental zunehmen und da wird die Welt auf deutsche Empfindlichkeiten wenig Rücksicht nehmen. Vor wenigen Jahrzehnten bevölkerten vier Milliarden Menschen die Erde, kurz vor der Jahrtausendwende waren es schon sechs Milliarden und dieses Jahr wird – nur zehn Jahre nach der Marke sechs – die weltweite Bevölkerungsanzahl die Sieben-Milliarden-Grenze (vermutlich im Spätsommer) überschreiten. Jeden Tag, man muss sich das einmal vorstellen, jeden Tag nimmt die Weltbevölkerung um 216.000 Menschen zu. Heute jugendlich aktive Menschen von 20 Jahren werden die Erde etwa um 2050 mit neun Milliarden Bewohnern teilen müssen.

Wie und wo auf Strom verzichten?

Die Menschen drängen weltweit nach mehr Wohlstand; sie wollen das Internet und andere Bequemlichkeiten, die auf Strom basieren. Wie sieht heute in einem deutschen Haushalt eine Küche aus? Wir haben Küchenmaschinen, Brotbackautomaten, Allesschneider, Stabmixer, Entsafter, Fritteusen, Mikrowellen, Zerkleinerer und Kaffeemaschinen – alles Geräte, die noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar waren und Strom benötigen. Wer will aber auf diesen Komfort verzichten? Das Auto soll künftig „elektrisch“ fahren – aber die dafür notwendigen Batterien müssten ja dann auch mit Strom gespeist werden – von nichts kommt nichts! Wie sollen die gewaltigen Strommengen produziert werden? Viele setzen auf das Thema Energiesparen und auf die regenerative Stromerzeugung. Wir können aber „vorn“ bei Weitem nicht so viel Energie einsparen, wie „hinten“ aufgrund des steigenden Bevölkerungspotenzials zusätzlich benötigt wird.

„Schattenkraftwerkskapazitäten“

Und die regenerative Erzeugung, die immer so populistisch vor allem von den deutschen Grünen postuliert wird? Im Windbereich müssten enorme „Schattenkraftwerkskapazitäten“ aufgebaut werden, um die windbedingte schwankende Stromerzeugung auszugleichen. Tausende Kilometer Stromleitungen sind erforderlich. Der forcierte Ausbau durch die Windkraft führt bereits jetzt zu enormen Netz- und Übertragungsproblemen. Windenergie fordern viele, doch Freileitungen haben ja ebenfalls keine genügende Akzeptanz. Die Meereswinderschließung ist technisch sehr kompliziert und verteuert natürlich die Strompreise. Bereits heute subventionieren wir durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz die entsprechenden Technologien – was zu einer weiteren Verteuerung der Strompreise führt.

Neue Technologien

Welche Technologien für Speicher, etwa für den durch Windkraftanlagen erzeugten Strom, sollen realisiert werden; wo sollen diese Speicher hin und werden sie in der Öffentlichkeit akzeptiert, wenn nur an die Problematik der CCS-Speicher erinnert werden darf? Speicher sind aber die Voraussetzungen, um der Windkraft zum entscheidenden Durchbruch zu verhelfen. Auch die besten Windparks können nur dann Strom erzeugen, wenn der Wind dies zulässt. Derzeit werden bei einem guten Offshore-Windpark in Deutschland nur jährlich in 4.000 Betriebsstunden (von 8.760 theoretisch möglichen) Strom produziert.

Vor zwei Jahren hat sich die Desertec-Initiative rekrutiert. Ziel soll sein, Solarstrom aus den nordafrikanischen Wüsten nach Europa zu transportieren. Das ehrgeizige Projekt ist technisch durchaus machbar. Doch Nordafrika ist leider, wie wir derzeit traurig erleben müssen, politisch sehr instabil. Man stelle sich einmal vor, man hätte vor 15 Jahren dieses Projekt bereits realisiert: Europa würde heute zittern, ob der Strom – etwa aus Libyen – überhaupt hier ankomme.

Moderne Kohleverstromung

Man muss den Bürgern heute auch politisch die Wahrheit sagen. Ohne Kernenergie und bei einer gleichzeitigen Ablehnung einer inzwischen längst praktizierten sauberen und umweltschonenden Kohleverstromung geht es nicht. Deshalb brauchen wir eine saubere Kohleverstromung mit modernen und effizienten Turbinen – flankierend zum Ausbau der regenerativen Energien. Aber genau die saubere moderne Kohleverstromung, wie sie derzeit in Mannheim durch den neuen Block 9 beim Großkraftwerk Mannheim (GKM) entsteht, wird ja auch angefeindet. Eine „verrückte“ Welt! Wir müssen in Deutschland, wenn schon die Kernenergie unerwünscht ist, zusätzlich zur regenerativen Erzeugung zumindest der sauberen Kohleverstromung mit hochmodernen und effizienten Anlagen eine Chance geben. Ansonsten sind der Wohlstand und die sichere Energieversorgung mit Strom in Deutschland gefährdet. Und weltweit ohnehin.

Günter Spahn ist Herausgeber und Chefredakteur von Der Wirtschaftsreport

 



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