Konservative Bürgermeister tun mehr für „Erneuerbare“

Eher konservative Bürgermeister in NRW konnten in den Jahren 2010 bis 2020 im Schnitt einen stärkeren Leistungsausbau für die Stromerzeugung mit regenerativen Energiequellen vorweisen als ihre eher linksgerichteten Kollegen. Das hat eine aktuelle IW-Studie ergeben.
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Ein Windpark (Symbolbild).Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Von 26. Januar 2023

Engagieren sich Politiker der Grünen, der SPD, der Linken und parteilose Bürgermeister am stärksten für erneuerbare Energien? Man sollte es annehmen. Doch eine Studie des „Instituts der Deutschen Wirtschaft“ in Köln (IW) hat genau das Gegenteil zutage gefördert: Zumindest in den Jahren 2010 bis 2020 konnten die konservativen und liberalen Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt einen stärkeren Anlage-Ausbau vorweisen als Städte und Kommunen, die von eher linksgerichteten Parteimitgliedern geleitet wurden.

Alle 396 Städte und Gemeinden in NRW durchleuchtet

Für seine von der Landesregierung NRW geförderte Studie „Ausbau der erneuerbaren Energien in Kommunen. Einflussfaktoren der dezentralen Energiewende in Nordrhein-Westfalen“ hatte das IW 374 Gemeinden und 22 kreisfreie Städte unter die Lupe genommen. Die Gemeinde Lichtenau sei „als Ausreißer“ mit über 300.000 MW nicht berücksichtigt worden.

Das Kernergebnis: Gemeinden mit eher linkem Bürgermeister hatten einen geringeren Zuwachs von Anlagenleistung, die durch erneuerbare Energie erzeugt wird. „Durchschnittlich knapp 4.700 Megawatt geringer […] als in anderen Gemeinden“ sei dieser Zuwachs ausgefallen. Das sei ein Minus von 22 Prozent gegenüber dem, was „konservative“ Bürgermeister der CDU oder FDP im gleichen Zeitraum erreicht hätten. Wegen „der Querschnittsanalyse mit niedriger Fallzahl“ seien allerdings „weitere validierende Untersuchungen notwendig“, meinen die Studienautoren Martin Beznoska, Björn Kauder und Finn Arnd Wendland.

Nicht alle untersuchten Anlagen beziehungsweise Leistungszuwächse seien übrigens direkt durch die Kommunen finanziert worden: „Ein erheblicher Teil wird von privaten Akteuren verantwortet“, stellte das IW klar. Nun stehe die Frage im Raum, wie viel Einfluss die Bürgermeister durch bestimmte Rahmenbedingungen vor Ort ausüben konnten.

Dabei könne grundsätzlich auch „die Verwaltung […] durch Rückflüsse in Form von Pachteinnahmen, Gewerbesteuereinnahmen und Einkommensteuern durch neue Einnahmequellen und Möglichkeiten der Quersubventionierung aus Erneuerbare-Energien-Projekten profitieren“, ermuntert das IW zu mehr Engagement beim Thema erneuerbare Energien.

Ausbau nicht gleichmäßig stark

Auf welche regenerativen Energiequellen die kommunalen Verwaltungsspitzen bzw. ihre Bürger gesetzt hätten, hat sich im Lauf der zehn Jahre offenbar gewandelt.

Wie die Grafik zeigt, war 2011 noch viel in Photovoltaikdachanlagen investiert worden. Die Begeisterung dafür aber sank schnell auf einen Ausbautiefstand in den Jahren 2014 bis 2016 ab. Erst seitdem werden wieder vermehrt Photovoltaikdächer bestückt. Praktisch gegenläufig der Trend bei Windkraftanlagen: Hier stieg der Ausbau bis 2017 stetig an, bevor er wieder sank. Die Begeisterung für Investitionen in sonstige erneuerbare Energien, zum Beispiel in Biomasse-Anlagen, hielt sich speziell seit 2014/15 in engen Grenzen.

Zubau der Stromerzeugungsleistung in NRW. Angaben für Energieträger im Bereich erneuerbare Energien in Megawatt Peak (Höchstleistung). Sonstige erneuerbare Energien, zum Beispiel Biomasse. Quellen: LANUV, 2022a; 2022b; Institut der deutschen Wirtschaft

8.760 Anlagen in zehn Jahren installiert

Insgesamt, so die folgende Tabelle, seien in den Jahren 2011 bis 2021 in den 396 untersuchten Städten und Gemeinden 3.828 Windkraftanlagen, 4.263 Photovoltaikanlagen fürs Dach und 669 sonstige Anlagen (z.B. Biomasse)  installiert worden. Das entspricht einem Gesamtzuwachs von 8.760 Anlagen.

Tabelle: Jährlich neu gebaute Windkraft- Anlagen, Photovoltaik-Anlagen und sonstige Energierzeugungsanlagen regenerativer Energiequellen in NRW in den Jahren 2011 bis 2021. Quellen: LANUV, 2022a; 2022b; Institut der deutschen Wirtschaft

Tabelle: Jährlich neu gebaute Windkraftanlagen, Photovoltaikdachanlagen und sonstige Energieerzeugungsanlagen regenerativer Energiequellen in NRW in den Jahren 2011 bis 2021. Quellen: LANUV, 2022a; 2022b; Institut der deutschen Wirtschaft

Potenzial nicht ausgeschöpft

Viele Städte nutzten ihr Energieerzeugungspotenzial noch nicht aus, heißt es in der Studie. Beispiel Windkraft: Hier habe Münster sein „Potenzial im Maximalszenario“ im Jahr 2020 bereits zu 83 Prozent ausgeschöpft, Düsseldorf zu 70 Prozent. Köln (34 Prozent) und Arnsberg (16 Prozent) hätten noch weit mehr Energie aus Wind zu gewinnen. Kommunen wie Welver oder Laer hätten trotz eines „Erzeugungspotenzial[s] von über 20.000 MW“ an Windkraft bis Ende 2020 überhaupt keine entsprechenden Anlagen installiert.

Bei der Dachphotovoltaik sehe es noch düsterer aus: Hier hätten selbst besonders engagierte Städte wie Münster (12 Prozent des Potenzials) noch viel Luft nach oben.

Insgesamt hätten die Diskrepanzen zwischen Möglichkeit und tatsächlichem Ausbau gezeigt, dass „die Verfügbarkeit hoher Potenziale nicht automatisch einen starken Ausbau befördern und dass auch an Standorten mit geringen geschätzten Potenzialen ein Gestaltungsspielraum zur Beteiligung an der Energiewende vorhanden ist“, resümiert das IW.

Arm und reich nicht unbedingt ausschlaggebend

„Finanzielle Schwierigkeiten im öffentlichen Haushalt zu Beginn der Periode [2010 bis 2020] gingen mit einem schwachen Ausbau erneuerbarer Energien einher, während in bau- und investitionsaktiven Kommunen tendenziell mehr ausgebaut wurde“, teilt das IW auf seiner Website mit. „Zwischen den Finanzierungsvoraussetzungen und dem Ausbau der erneuerbaren Energien zeigt sich in den Ergebnissen ein negativer Zusammenhang bei den Kassenkrediten und ein positiver Zusammenhang bei den Investitionskrediten“, heißt es in der Studie.

Beides zusammen im Klartext: Wer genügend Geld hatte, investierte schon früh in die Erneuerbaren. Wer klamm war, eher (noch) nicht.

Der Faktor Geld reicht nach Ansicht der IW-Autoren aber nicht aus, um den Effekt zu erklären, dass konservative Bürgermeister tendenziell eine größere Leistungsaufrüstung in ihrem Zuständigkeitsbereich schafften als ihre eher linken Kollegen. Die IW-Forscher halten zwei Annahmen für überlegenswert:

Erstens hätten die „linken“ Bürgermeister womöglich andere Prioritäten in ihren Haushalten gesetzt als erneuerbare Energien. Und zweitens könne es sein, dass eher linke Bürgermeister „mehr Verständnis“ für Bürger aufgebracht hätten, die sich gegen einen Ausbau von Windkraft vor ihrer Haustür engagiert hätten – und deshalb weniger für den Ausbau getan hätten. „Die Fähigkeit der Verwaltung, in diesen Konflikten zu moderieren, ist dabei oftmals beschränkt“, räumt das IW ein.

„Die Unterschiede zwischen den Intensitäten des Ausbaus zeigen […], dass dieser keine Selbstverständlichkeit darstellt“, erklären die IW-Autoren. „Die Initiative einzelner Akteure spielt ebenso wie die Voraussetzungen der gesellschaftlichen Akzeptanz, der finanziellen Möglichkeiten und der rechtlichen Vorgaben eine Rolle.“

„Dynamik ins Stocken geraten“

Nicht nur, aber insbesondere in Nordrhein-Westfalen bestehe nun die „Herausforderung, die ins Stocken geratene Dynamik beim Ausbau der Erneuerbaren neu aufleben zu lassen“, schreiben die Studienautoren des IW. Denn gerade in NRW existiere noch ein großer Nachholbedarf: Während der Bruttostromverbrauch in ganz Deutschland im Jahr 2021 zu rund 42 Prozent von erneuerbaren Energien gedeckt worden sei, habe der Anteil in NRW erst bei knapp 20 Prozent gelegen.

Zum Begriff: Bruttostromverbrauch

Der Bruttostromverbrauch meint „die vom Verbraucher genutzte elektrische Arbeit vor Abzug des Eigenbedarfs der Kraftwerke und der Übertragungs- bzw. Netzverluste“, so die Definition des Statistischen Bundesamts. Er wird in der Regel in Gigawattstunden oder Terawattstunden angegeben.

Die Studie „Ausbau der erneuerbaren Energien in Kommunen. Einflussfaktoren der dezentralen Energiewende in Nordrhein-Westfalen“ gibt es auch als PDF-Datei.



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