Zähler dürfen rückwärts laufen: Habeck will Betrieb von Balkonkraftwerken erleichtern

Das Bundeswirtschaftsministerium will auch größeren Verbrauchsstellen den Betrieb von Balkonkraftwerken erleichtern. Sie dürfen vorübergehend mit Zählern laufen, die rückwärts drehen, wenn Strom ins Netz eingespeist wird.
Solarmodule für ein sogenanntes Balkonkraftwerk hängen an einem Balkon in Stralsund.
Solarmodule für ein sogenanntes Balkonkraftwerk hängen an einem Balkon in Stralsund.Foto: Stefan Sauer/dpa
Von 4. Juli 2023

Das Bundeswirtschaftsministerium will mithilfe einer Gesetzesänderung die Installation und den Betrieb von Balkonkraftwerken erleichtern. Das Vorhaben, das ab Anfang 2024 Wirkung entfalten soll, betrifft das „Gesetz zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung“. Betreiber sogenannter Steckersolargeräte sollen diese nur noch einmalig im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur anmelden.

Anschließend sollen die Betreiber der Messstelle vier Monate Zeit haben, um – wenn erforderlich – einen neuen Zähler einzubauen. Die Neuregelung soll mutmaßlich nicht nur die Energiewende voranbringen, sondern auch weitverbreiteten illegalen Praktiken entgegenwirken. Zahlen aus dem Jahr 2022 zufolge gibt es offiziell etwa 46.000 sogenannte Mini-Photovoltaikanlagen in Deutschland. Die reale Anzahl ist jedoch deutlich höher. Die Mehrheit meldet ihre Geräte nicht an und betreibt sie schwarz.

Zahlreiche Balkonkraftwerke werden schwarz betrieben

Mittlerweile rechnet die Bundesregierung einem Bericht von „golem.de“ zufolge mit jährlich etwa 200.000 neu installierten Steckersolargeräten. Die neue Regelung soll für Balkonkraftwerke mit einer installierten Leistung von insgesamt bis zu zwei Kilowatt und einer Wechselrichterleistung von insgesamt bis zu 800 Voltampere gelten.

Explizit erwähnt der Entwurf Geräte, die „hinter der Entnahmestelle eines Letztverbrauchers betrieben werden und der unentgeltlichen Abnahme zugeordnet werden“. Der Netzbetreiber dürfe zusätzliche Meldungen solcher Anlagen nicht verlangen. Allerdings darf er nachträglich Informationen über das angeschlossene Gerät verlangen.

Perspektivisch moderne und intelligente Messgeräte vorgesehen

Schwarzbetreiber, die von der damit bewirkten „Amnestie“ profitieren, dürfen vorübergehend einen sogenannten Ferraris-Zähler einbauen lassen. Diese älteren Geräte sind noch in zahlreichen Haushalten vorhanden. Sie drehen rückwärts, wenn Strom ins Netz eingespeist wird. Damit reduziert sich die Stromrechnung für den Abnehmer direkt.

Perspektivisch sollen moderne Messeinrichtungen als Zweirichtungszähler fungieren oder sonstige intelligente Messgeräte den Ferraris-Zähler ersetzen. Das Betreiben der Balkonkraftwerke mit einer bereits vorhandenen Messeinrichtung bleibt gestattet. Die Messwerte gelten bis zum Ablauf der vier Monate als korrekt – es sei denn, es liegt eine technische Störung vor oder der Netzbetreiber kann eine Manipulation nachweisen.

Im Anschluss an die Anmeldung bei der Bundesnetzagentur liegt es an den Netzbetreibern, die Daten zu prüfen. Die geplante Gesetzesänderung soll die Eintragung der Balkonkraftwerke ins Marktstammdatenregister vereinfachen. Außerdem will das Habeck-Ministerium die Nutzung erleichtern und unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen Balkon- und Dachanlagen ausschließen.

Positive Signale aus der Energiewirtschaft

Nicht gelten sollen die Regelungen jedoch, wenn mehrere Anlagen an einem einzigen Anschluss vorhanden sind. Die Begründung dafür lautet: Mehrere Anlagen unterhalb der Schwellenwerte, die diese gemeinsam überschreiten, hätten die gleichen Netzwirkungen wie eine große Anlage, die allein die Schwellenwerte überschreite.

Für Betreiber größerer Photovoltaikanlagen sieht der Entwurf jedoch ebenfalls Erleichterungen vor. Insbesondere für Mieterstrommodelle soll es im Entwurf ein Konzept zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung geben.

Die Energiewirtschaft reagiert positiv auf das Vorhaben. Damit unterstreiche die Bundesregierung die Bedeutung der Photovoltaik für die Energiewende. Die Präsidentin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, gibt zu bedenken:

Dank hoher Akzeptanz in der Bevölkerung und der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sind die Zubauzahlen aktuell noch im Plan. Die Ausbaugeschwindigkeit muss sich jedoch in den kommenden Jahren verdreifachen, wenn wir das Ausbauziel von 215 GW im Jahr 2030 erreichen wollen.“

Vorteile und Nachteile von Balkonkraftwerken

Balkonkraftwerke sind kleine Solarstromanlagen, die sich auf dem Balkon oder der Terrasse installieren lassen. Sie bestehen in der Regel aus Solarmodulen, einem Wechselrichter und einem Zähler, der den erzeugten Strom erfasst. Diese Anlagen ermöglichen es Privatpersonen, ihren eigenen Strom zu erzeugen und damit ihren Energieverbrauch zu decken oder ins Stromnetz einzuspeisen.

Die Installation der Balkonkraftwerke ist im Vergleich zu größeren Solaranlagen relativ einfach. Bereits im Mai hatte die Bundesregierung angekündigt, einen Rechtsanspruch auf Einbau einer Mini-Solaranlage am Balkon zu schaffen. Derzeit gilt diese noch als bauliche Veränderung unter Zustimmungsvorbehalt durch Vermieter oder Miteigentümer.

Balkonkraftwerke sind auch mobil und lassen sich im Fall eines Umzugs leicht mitzunehmen. Allerdings ist ihre Leistung begrenzt und die Effizienz hängt von der Sonneneinstrahlung ab. Ihr Platzbedarf kann hauptsächlich in städtischen Räumen eine Herausforderung darstellen. Wer den erzeugten Strom nicht selbst nutzen kann und ins Netz einspeisen möchten, ist von einem geeigneten Stromnetz und einem Einspeisetarif abhängig.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion